Am Rand des Quedlinburger Brühlparks liegt verträumt ein Bauwerk, tut stolz wie ein Schlösschen, über hundert Jahre alt, liebevoll saniert die Klinkerflächen, das Fachwerk glänzt dunkel, ohne Fehl die Biberschwanzdeckung, lagert eine kleine Halle mit hohen Bogenfenstern, der Kopfbau zum Park geschmückt wie eine Villa, der spitze Turm streckt sich über die Wipfel der alten Bäume, die das nahe Bodeufer säumen.... das Alte Wasserwerk soll der neue Hafen der Bauprojekt Quedlinburg werden, die aufwendig sanierte Halle steht schon lange leer, weil der kommunale Wasserversorger längst neue Büroräume bezogen hat, auch der Fuhrpark ist viel zu groß geworden für das erste Pumpwerk.
Der Direktor wohnte früher in der Wohnung im Obergeschoss, erzählt der Geschäftsführer des Wasserbetriebs, im Bad gab es ein kleines Fenster, von da aus konnte man in die Halle sehen, ob alle fleißig sind...
Wir brauchen Platz für zehn bis vierzehn Arbeitsplätze, sagt sein Besucher, ich habe mir die Halle angesehen, ein schöner großer Raum, gut geschnitten für die Aufstellung der Schreibtische... viel Licht kommt rein durch die großen Fenster...
Sie sehen direkt auf die Wilde Bode, sagt der Geschäftsführer des Wasserbetriebs, aber wollen die Kollegen bei der Bauprojekt denn alle zusammen in einem Raum sitzen? Bei unseren Leuten sind Großraumbüros verpönt, jeder will sein eigenes Büro...
Als der Architekt eine Stunde später das nüchterne, Bürogebäude des Wasserbetriebs verlässt, sind die Daten für den Mietvertrag geklärt... sie werden an der neuen Adresse nur noch halb so viel Fläche bezahlen wie bisher an Dr. Frantz.... dafür arbeiten wir dann im Park mit Blick auf’s Wasser, denkt er, aber er kann sein Glück kaum fassen....
Ronny Kaske hat im Besprechungsraum Skripte ausgelegt, Maik Peters hat geholfen, den Beamer einzurichten und einen Rechner her zu bringen. Um vierzehn Uhr beginnt das In-House-Seminar, selbst organisiert, sie haben für die Kollegen Kaffee gekocht und Kekse besorgt. Der Chef ist außer Haus. Die Teilnahme ist natürlich freiwillig, bis zu fünfzig Prozent Kurzarbeit ist in dieser Woche angewiesen. Frau Bollmann ist in dieser Woche ganz zu Hause geblieben, einige arbeiten wie sonst auch... Frau Förster ordnet alte Projekte ins Archiv.
Frau Keyser, die Architektin, steht in der Tür: Ist Herr Obermeyer noch nicht da? Sie geht wieder in ihr Büro. Frau Förster, die Bauzeichnerin, kommt als nächste, sie ist die Älteste her im Büro. Als sie sieht, dass alle Plätze noch leer sind, ruft sie laut durch den Flur: Wolf, es geht los, die Kollegen warten schon! ... dann setzt sie sich mit einem fast unhörbaren Stoßseufzer der Erschöpfung.... seit Monaten hat niemand Akten ins Archiv gebracht, es liegt im Keller.
Es dauert eine Weile, bis Wolf Obermeyer sich in den Raum schiebt, gemächlich die Optionen prüft, wo er sich setzen möchte, dann Herrn Grabmüller, den Tiefbauingenieur mit den Worten vertreibt: Da möchte ich sitzen... hinter Obermeyer sind auch Conny Müller und Frau Keyser in den Raum gekommen, sogar Kristin Radomsky.... Du bist doch nicht auf Kurzarbeit, Kristin! moniert Frau Keyser sofort, Das hänge ich heute abend dran! kommt die prompte Antwort.
Ronny startet den Beamer, an der Wand leuchten die Themen, die er heute erläutern will, eine Vertiefung in Word und fünf Übungen in Excel. Er hat mit den verschiedenen Kollegen geredet, als er den Skript vorbereitet hat, er wollte wissen, wo Auffrischung erforderlich ist.
Der leitende Architekt Wolf Obermeyer lehnt sich zurück und verschränkt die Arme: Müssen wir das alles lernen? Ich diktiere meine Aktennotizen immer auf das Band, Frau Radomsky tippt es dann ab....
Dies ist der Moment, in dem sich Ronny Kaske im Stillen fragt: Warum Quedlinburg? Warum bin ich ausgerechnet in Quedlinburg gelandet?
Als der Chef ins Büro zurückkommt, hat sich die unwillige Seminargruppe bereits aufgelöst... aber Kristin Radomsky brennt eine ganz andere Neuigkeit auf der Zunge: Bau Union hat Insolvenz angemeldet... habe ich vorhin im Anzeiger gelesen! Unser Honorar für Alexisbad können wir in den Wind schießen.... Bohr wird niemals zahlen! Klammheimlich Freude funkelt leis in ihrer Stimme, kräftiger noch glüht abgrundtief die schwarze Angst.
Das Telefon klingelt und lenkt sie für einen kurzen Moment ab, aus geübter Gewohnheit sieht sie nach der Nummer.... die macht sie neugierig, so hebt sie ab: Ja, hier ist die Bauprojekt Quedlinburg.... dann hört sie für eine Weile still zu, ihre Augen öffnen sich weit, etwas auch der Mund: Das war die Amtsleiterin aus Wernigerode, Frau Bramm.... sie haben sich entschieden, wir sollen ihr ein Angebot für die Architektenleistungen schicken.... heißt das, sie wollen uns beauftragen?
Hier endet der 337. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
Kommentare 12
Ach ja, ich wünsche mir so sehr... (nä, ich werde den Autor nicht in seiner künstlerischen Freiheit beeinflussen) aber gut sollte es sein und romantisch :-) :-) :-)
"aber gut sollte es sein und romantisch"
Isses doch: Fachwerk, Fachwerk mit Biberschwanz(dachpfannen) und Blick auf den See.
Liebe S. Steinebach,
wünschen hilft fast immer ;-))
Deswegen wünsche ich mir jetzt mal dass die vermaledeiten Links endlich mal wieder vorhersagbar reagieren und funktionieren....
Vielen Dank für die besorgte Begleitung ;-))
Herzlichst
archie
Freu mich über Deinen Besuch, lieber Uwe,
erlaubt sei eine kleine Korrektur:
am Fluss, nicht am See,
die Wilde Bode ist ein Fluss, Du weißt schon,
"panta rhei" und so...;-))
LG
archie
Apropos Romantik; "Ich diktiere meine Aktennotizen ...". Vor Zeiten, saß da nicht die Sekretärin auf dem Schoß des leitenden Architekten beim Diktat? Ja, das war noch Romantik!? Jetzt müsst er selber seine Notizen tippen. So weit ist ers schon gekommen, sogar in ausgerechnet Quedlinburg.
Mir bleibt die Frage, welche Falle hat Dr. Frantz im Mietvertrag gestellt. Er wird doch nicht so ohne weiteres auf die Mieteinnahmen verzichten wollen? Ich wünsche dem Bauprojekt viel Glück zum Umzug. Und vielleicht klappt's ja wirklich mit dem Auftrag aus Wernigerode. Dann könnt's ja weiter gehen mit dem Bauprojekt und dem Roman. Erfreuliche Aussicht.
Ronnie Kaske und Ronny Kaske sind bestümmt verschwurbelte Zwillinge, gell?
......... und Punkte gibt's, herrjeh ...................
Getreu deinem Motto ... ich bleibe dran.
...und ganz nebenbei: Die Architekturschilderung am Anfang hat mir auch sehr gefallen.
Es grüßt goedzak
Lieber archie,
habe ich gerne gelesen und hat mir gut gefallen. Schönes Romanfragement. Die menschlichen schwächen im Arbeitsleben werden sehr offesichtlich. Schadenfreude, Hoffnung und vieles mehr. Bei archie ist alles drin!
Liebe Grüße
por
Vielen Dank für Deinen Kommentar, lieber luggi,
Ronnie und Ronny sind zwei Herzen in einer Brust, das habe ich jetzt für den Leser gleich mal vereinfacht....
Freu mich sehr, dass Du dran bleibst!
archie
Lieben wir nicht alle die kleinen Luftschlösser, lieber goedzak...
(die echten jedenfalls, die so am Weg liegen, zwischen Park und Fluss...)?
Herzlichst
archie
Lieber por,
Dein Kommentar freut mich und macht mich nachdenklich....
Sind die Menschen vielleicht in ihren Schwächen am stärksten?
Sehr herzlich grüßt Dich
archie
Lieber Hardob,
Deine Glückwünsche kann der Blog und die Bauprojekt gut gebrauchen, sind ja doch einige ältere Bestandteile nicht mehr auffindbar, wie das so ist bei Umzügen.... hoffentlich gibt es bald wieder E-Mail-Mitteilungen über die eingeflogenen Kommentare, damit man nix mehr übersieht!
Einen Witz über schwerhörige und/oder schwergewichtige Sekretärinnen erspare ich Dir jetzt aber...;-))
Herzlichst
archie