Nix für Computerversteher?

Politik: Keine Macht für niemand..... Piraten setzen auf Schawarma-Intelligenz

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Schawarma wird vor allem in Libanon, Syrien, Jordanien und Israel konsumiert. Wie Döner Kebap („sich drehendes Grillfleisch“) besteht es aus in einer Marinade gewürzten großen Fleischscheiben, die schichtweise auf einen speziellen, senkrecht stehenden Drehspieß gesteckt und gegrillt werden, und von denen nach und nach die äußeren, gebräunten Schichten mit einem großen Messer dünn abgeschnitten werden, weiß Wikipedia: Ursprünglich wurde für Schawarma nurHammel- oder Lammfleischverwendet, heute sind auchRindfleischsowie Geflügel wiePuteoder Hühnchenüblich.

Offensichtlich bleibt das Schawarma-Prinzip gültig, egal welches tierische Protein um den Drehspieß rotiert... weise und großzügig gegenüber Traditionen, religiösen Vorschriften und verfügbaren Protein-Ressourcen. Ein Schawarma will kein Wiener Schnitzel sein.

Wenn die Piratenpartei an diesem Wochenende ihren Parteitag in Bochum absolviert, werden die Mitglieder dort möglicherweise ein Schawarma-Programm verabschieden: etwas Transparenz und Demokratie-Entwicklung, ein paar Brocken Wirtschaft, Beschlüsse zu Datenschutz und Cannabis, zum Recht auf Asyl und zur kalten Steuer-Degression.... Was angeblich in der Küche gilt, „viele Köche verderben den Brei...“, stimmt nicht in der Politik: eine pluralistische Gesellschaft von differenzierten Individuen verlangt nach Multitasking im Betriebssystem. Da bleibt es nicht aus, dass sich viele hoch motivierte Administratoren für die Entwicklung des richtigen Systems engagieren.

Werden die User dies akzeptieren? Für die Wähler sei das wahlentscheidende Thema nämlich weder Transparenz noch Freiheit im Internet, sondern interessanterweise soziale Gerechtigkeit, so schreiben Alexander Hensel und Stephan Klecha im aktuellen Freitag. So wichtig der Hinweis auch sein mag, wiederholt dieser Einwand leider nur das sattsam bekannte Vorurteil von fehlenden sozialen Skills bei den Protagonisten der digitalen Avantgarde.

Neugierig untersuchen Soziologen, Naturwissenschaftler, Informatiker und Künstler die Prinzipien des Schwarm-Verhaltens:

- Distanz (vermeide die Schwarmnachbarn zu bedrängen)

- Orientierung (suche die gemeinsame Richtung mit den Schwarmnachbarn)

- Zusammenhalt (finde die Mitte zwischen den Schwarmnachbarn)

Wenn Hensel und Klecha behaupten: Das freiheitliche Verständnis der Piraten fördert eine individualisierte Herangehensweise an Politik. Sie erscheinen gewissermaßen als postmoderne Variante einer Honoratiorenpartei, in der einzelne Persönlichkeiten im Gewand einer Partei ihre individuelle Agenda verfolgen.... so beschreiben sie letzten Endes nur eine Organisation ohne zentrale Oberaufsicht, eine Hoffnung, die sich in vielen Gesellschaften unseres Planeten findet wie auch in der Struktur unseres Gehirns.

Kann ein Schwarm denn nach politischer Macht greifen, hört man scheinheilige Besorgnis allenthalben fragen.... Bernd Schlömer & Co fehlt der Blick fürs große Ganze, steht über dem Artikel von Hensel/Klecha, dabei würde die Berichterstattung angesichts der aktuellen Umfragewerte jede machiavellische Geste hämisch kommentieren. Die zwanghafte Personalfixierung der Piraten-Beobachter verdecke bitte nicht die trübe Tristesse der real-existierenden politischen Landschaft: Mit der Demenz des politischen Patronats schwindet zunehmend das Vertrauen in den Gestaltungswillen der MachtaussitzerInnen in den Parlamenten.

Der tribalisierende, zweidimensionale Demokratiegebrauch findet sein Ende, wenn die Wahlberechtigten keine Fraktionen mehr unterscheiden können. Wo alle Parteien in die Mitte wollen, wird es zu eng. Das Wachstumspotential liegt also an den Rändern des durchschnittlichen Aufmerksamkeitsradius und sammelt sich aus vielen Richtungen. Das mag zunächst wie eine Überforderung der Wählerschaft erscheinen, funktioniert aber in anderen Bereichen bestens: Auch ohne Zentralgewalt hat der globale Markt derartig dominante Kräfte entwickelt, dass er immer wieder reguliert werden muss... Wir sind Rhizom, das wissen wir spätestens seit dem Manifest von Deleuze/Guattari.

Welche Flügelkämpfe die junge Partei noch zu erwarten hat, können wir nur ahnen, Liberalpiraten gegen Sozialpiraten vielleicht, Fortschrittspiraten gegen Naturpiraten, Gewerkschafter gegen Ego-Shooter.... die Geschichte der deutschen Parteien ist eine Geschichte der Spaltungen, aber gegen die Atomisierung ist der Schwarm ein tragfähiges Bild: Distanz, Orientierung und Zusammenhalt.

Nachtrag zur Fußnote vom 20.08.2012: Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich werde Euch nicht schonen. Öffne Deine Augen.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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