Prinzip Herodes

Baukultur Kann die Software für morgen auf der Hardware von gestern laufen?

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Modell des Berliner Stadtschloss
Modell des Berliner Stadtschloss

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Ist es harmlos, historisierend zu bauen? fragt die Redaktion von BKULT.

Diese Frage ist einfach zu beantworten: Nein!

Jede Generation muss ihr Haus neu erfinden. Auch wenn zeitgenössische Gebäude nicht immer als ästhetische Glanzleistung gelingen, vergessen die Kritiker gerne, dass unsere Erwartungen an Städte und Gebäude Veränderungen unterworfen sind wie technische Skills und gesellschaftliche Ziele. Dabei mag ein Rückgriff auf Bewährtes hilfreich sein, kann aber die eigene Anstrengung nicht ersetzen.

Jede Generation sei wie ein neues Gehirn, zitiert die Journalistin Anita Blasberg Gottfried Benn ( in der ZEIT, „Die schon wieder“ ).

In kurzer Zeit wurde aus großen Betonplatten der Rohbau des Potsdamer Schlossnachbaus gefügt, später sollen Verzierungen der Lochfassade historische Handwerkskunst vortäuschen. Aufwendige Nachbauten wie das Potsdamer oder das Berliner Schloss verhindern, dass eine neue Generation ihren Mut und ihre Kraft an prominenter Stelle in den Grundriss der Stadt einschreibt.

Wenn die Ablehnung von Veränderungen alle Entscheidungen bestimmt, tritt Stillstand ein: nach dem Prinzip Herodes bevormunden die Meinungsführer rigoros alle Gruppen, die neue Ansprüche stellen könnten. Eine überalterte Gesellschaft ohne Vision wünscht sich, dass die Wiederholung erlebtes oder auch nur erhofftes Glück noch einmal schenkt.

Bisher gaben alle Gesellschaften stets mehr Geld für die Jüngeren aus..... Heute hat sich in den westlichen Wohlfahrtsstaaten das Verhältnis umgekehrt: Schon jetzt kosten die über 75-Jährigen mehr als sämtliche Kinder zusammen, konstatiert Anita Blasberg.

Das Konzept der internationalen Moderne versprach Gleichberechtigung und Freiheit, die Zitate historischer Bauformen behaupten dagegen eine kulturelle, militärische oder wirtschaftliche Überlegenheit der Errichter. Müssen wir die Herabwürdigung der sozialen Solidarität in unserer Gesellschaft akzeptieren? Wenn vermögende oder regierende Kreise mit viel Aufwand historisierende Fassaden bauen lassen, ist dies ist nicht harmlos, sondern schamlos: peinlich wie ein ranziger Altherrenwitz. Wir lachen nicht mit

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Artikel von Anita Blasberg in der ZEIT

http://www.zeit.de/2013/17/demografie-babyboomer

Der Link zur Diskussion

http://bkult.de/de_DE/888.ist_es_harmlos_historisierend_zu_bauen/

Übrigens: Nach zwei Tagen beantworten bereits 87% die gestellte Frage mit: Nein

Der Link zur http://schloss-freiheit.de/


Nachtrag zum 244. Eintrag vom 15.01.2012: Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich werde Euch nicht schonen. Öffne Deine Augen.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

archinaut

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