Tisch und Bett

Vom Lieben: ... leicht und niedrig wie ein japanisches Möbelstück, der Name ist Programm: Frühstück-im-Bett

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Mein Riechtwieich wird zum Riecht-Wie-Wir: Im Mai 198? empfängt mein Bett unverhofft Besuch: Danach ist es unser Bett.

Der Abschiedskuss will nicht lösen, die Laterne nicht verlöschen, der Straßenbaum nicht verblühen........ schlafend im Hinterhaus der traumtrunkenen Sonnenallee erwartet uns die Bettstatt, Polster, Decken und Kissen auf dem Teppich, nachtblau in Seide der schirmende Baldachin....

Keine Stunde schlägt der Liebesflut, nicht Tag, die Woche fliegt – unser Bett ist dunkler Hafen, die Nacht zerstreut der Kerzen Schimmer, dämmrig fließt das Morgenblau durch Vorhangschatten, farbig filtert feiner Stoff die Stimmungen des Taggestirns zu Lichtschatten auf dem Teppich. Dicht am Fußboden wohnen wir wie Bodensitzer zu Sybaris, unser Zimmer soll schlicht sein wie der Strand oder wie die Halle eines buddhistischen Klosters – der ganze Raum sei unser Diwan.

Trifft es denn, wie ein unbekannter Dichter schreibt: Unumkehrbar nötigt uns die Macht der Liebe, das Unerhörte zur Sprache zu bringen, bis die Geschichte des anderen zur eigenen wird.


Hab an Dich gedacht, als ich den Tisch für unser Bett gezeichnet habe: eine Platte, zwei Paar Beine, aus einfachen Profilen wie ein Stück von Rietveld, den Rot-Blauen Stuhl im Sinn: aber der Platte gebe ich die Glücksfarbe Rosa und den Beinen Grau statt Schwarz, die empfindlichen Hirnholzflächen besonders geschützt mit Lack Burgunderrot – gerade schreibt MEMPHIS Witz und Ironie in die Designgeschichte, die Kombination von Erhabenem mit Trivialem. Der Tisch ist leicht und niedrig wie ein japanisches Möbelstück, sein Name ist Programm: Frühstück-im-Bett. Als braver Freund trägt er uns köstliche Kräftigung zu und schweigt wie ein stummer, blinder Diener, wenn wir ihn bald wieder auf die Seite schieben....

Trifft es denn, wie der rohe Tischlermeister scherzt: Markier die Liebe jedes Mal mit einem Bleistiftstrich über dem Ehebett, kreuz nach dem ersten Jahr dann Strich für Strich aus: Du wirst nie mehr zum Anfang kommen!


Einmal machte ich Dir den kleinen Tisch zum Geschenk. Du hast ihn zurückgewiesen, der Grund ist mir bald entfallen. So bleibt er mein Tisch. Unsere Kinder lieben ihn: Frühstück-im Bett, rufen sie am Sonntag, und gleich sind sich die beiden Mädchen einig: Du holst das Geschirr, ich hole Butter und Marmelade, Salami, Schinken und Käse, Papa muss den Kaffee machen, Mama darf liegen bleiben!

Der Tisch ist leicht zu tragen, sie können ihn ohne Hilfe im Bett aufstellen. Liebevoll holen sie die Goldbrokatdecke aus dem Schrank und decken sie vorsichtig über die Platte, nur an der Ecke lugt es Rosa. Acht Beine passen gerade drunter, sorgfältig sortiert: Kinderbeine sind kurz und zierlich, sie reiben sich gerne warm an den großen. Da stören selbst die feinen Krümel nicht.....

Trifft es denn, wie Ernst Jünger zur Astrologie notiert: In unserem Lebenslauf begegnen wir stets der einen, die uns aus unseren vorgeschriebenen Bahnen wirft und zur Begleitung zwingt, ob wir nun wollen oder nicht. Demgegenüber flammen die anderen Begegnungen nur wie Kometen oder Meteore auf; und alles, was Eros ferner bringt, steht unter dem Einfluß der Gebieterin. Daher liegt auch die Treue im Grunde außer unserem Willen; in ihrem Wesen wirkt mehr an Schwerkraft als an Tugend auf uns ein. Man sieht das auch an Geschiedenen, die immer noch in Gedanken umeinander kreisen – bis in die Formen des Hasses wirkt der Zwang der großen Begegnung nach.


Rosa vergilbt zu Altrosé, zusammengefaltet verstaubt der stumme Zeuge im Winkel der Abstellkammer. Getrennt wird unser Bett in Reisejahren, unsere Träume suchen nicht denselben Ort. Wie das Leben der Sterne durchläuft auch die Hingabe ihren Kreislauf, unbewohnbar nach dem Ausglühen, schwer an Masse, taumelt unsichtbar als Schwarzer Zwerg durch leere Himmel...

Teilen kann man ein Bett, doch ein Tisch steht nicht auf zwei Beinen. Werden unsere Töchter um das Möbel streiten, wenn sie ihr Erbe verhandeln?

Unserer Liebe habe ich kein Haus gebaut, nur diesen kleinen Tisch gezimmert in Rosa und Grau. An der Farbe erkennt man sein Alter, vielleicht sollte ich ihn glänzend schwarz lackieren und den Hirnholzschnitt mit Blattgold belegen wie bei den Tempeln im fernen Osten.


Hier endet der 120. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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