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Ostharz: Was noch zu sagen wäre.... ein Roman in Fragmenten

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Die Frau von der GruenBank hat angerufen... sagt Kristin Radomsky beiläufig, als sie sich am Kopiergerät treffen, wollte Dich sprechen....... ruft aber später noch mal an.... du warst noch nicht da....nein, ich weiß nicht, was sie wollte, ist vielleicht wegen dem Konto, oder?

Sie hat leise gesprochen, diese Nachricht ist allein für den Geschäftsführer bestimmt: im großen Raum des Alten Wasserwerks erreicht man je nach Lautstärke der Stimme wahlweise einen oder alle Kollegen.... Ohne ihn anzuschauen betrachtet sie kurz ihre Kopie und geht wieder zu ihrem Schreibtisch, gegenüber sitzt Jenny, die Auszubildende, und trägt die Briefe von heute in das Posteingangsbuch... viel hat sie nicht zu tun, es ist ruhig geworden..... keine Baustelle, kein Bauherr ruft an....

Ja..... das Konto, denkt er, zwei Rechnungen sind noch draußen, der Sommer steht vor der Tür, da passiert so wenig....

Für vertrauliche oder private Telefonate nutzen die meisten Mitarbeiter der Bauprojekt Quedlinburg inzwischen das Besprechungszimmer, nur Herrn Gräbermann sieht man oft mit einer Zigarette auf dem Hof stehen, mit ausladenden Gesten am Telefon.... als versuche er die dickfelligen Burschen von den Tiefbaufirmen mit diesen Bewegungen zu dirigieren...

Die freundliche Stimme der GruenBank ist sofort am Telefon, erkundigt sich nach den Geschäften und der Zahl der Mitarbeiter...: Sind denn alle noch an Bord? fragt sie interessiert, bei Ihrem durchschnittlichen Monatsumsatz können Sie doch nicht mehr als sechs Mitarbeiter ernähern....

Die Umsätze werden nach dem Sommer wieder steigen.... im Bauamt von Thale liegt noch ein Antrag auf Vorbescheid, der hoffentlich bald entschieden wird.... ein Seniorenheim.... Wir sind immer noch zwölf, mich selbst mitgezählt, sagt der Geschäftsführer, aber wir arbeiten sehr stark arbeitsteilig, und nicht alle arbeiten Vollzeit, außerdem haben wir eine Auszubildende....

Sie können sich bestimmt denken, warum ich anrufe... unterbricht ihn die Frau von der GruenBank freundlich, aber entschieden... seit Monaten gibt Ihre Firma mehr Geld aus als dem Konto gutgeschrieben wird, da macht man sich eben so seine Gedanken... ein Kontokorrent ist zu teuer, um ihn ständig zu belasten.... sprechen Sie mich ruhig an, wenn Sie einen Kredit brauchen, ich bin für Sie zuständig.... haben Sie Sicherheiten, die Sie uns anbieten können?

Der Kontostand wird sich in den nächsten Wochen verbessern, sagt der Geschäftsführer schnell, bald sind wir mit der Ausführungsplanung für die Oberschule in Wernigerode durch, da können wir eine große Rechnung stellen!

Sie sind der Unternehmer, sagt Frau Bank milde, Sie alleine entscheiden, wie stark Sie das Konto bei uns belasten, nur die monatliche Rate müssen Sie pünktlich zahlen..... nicht so spät wie im letzten Monat.... wenn die Rate zweimal zu spät kommt, muss ich Ihre Betreuung nach Leipzig abgeben, das wäre doch schade..... meine Vorschriften sind ganz streng, ich habe leider keinen Ermessensspielraum... Das Lächeln hat sich aus Ihrer Stimme verzogen.

Nach dem Telefonat sitzt er noch eine Weile reglos im Besprechungsraum, sieht hinaus in die Bäume über der Wilden Bode.... bis es klopft.

Ronny Kaske fragt, ob der Chef einen Moment Zeit für ihn hat, nach der Bestätigung setzt er sich: ,,,will nicht lange um den heißen Brei herumreden, sagt er, ich werde nicht bei Bauprojekt bleiben, ich werde Quedlinburg verlassen.... Ronny Kaske kündigt.

Ich sehe nicht, dass sich etwas ändert, sagt er, auch nicht durch das neue Büro.... mir ist inzwischen klar, dass ich hier keine Zukunft habe.... ich bleibe immer der Jüngste, zusammen mit Maik.... jeder hackt auf uns herum, das kriegen Sie gar nicht mit, wir können uns anstrengen wie wir wollen!

Sie könnten mich gar nicht halten, wenn es der Firma mal schlecht gehen sollte..... Sie müssen doch immer die entlassen, die als letzte gekommen sind, und alle anderen sind schon so lange angestellt, dass Sie ihnen nicht mehr kündigen können....

Offensichtlich hat Ronny sich gründlich informiert...... wie kann der Chef ihn halten?

Es war eine interessante Zeit, redet Ronny weiter, ich habe viel gelernt, aber ich kann nicht verstehen, warum man unter Kollegen so stark gegeneinander arbeitet.... bei der Oberschule ist es wieder so gelaufen.... Herr Obermeyer entwickelt eine von drei Varianten, Frau Förster zeichnet für ihn.... alles schon ganz wie für einen Bauantrag, dabei sollen wir drei Varianten für Frau Bramm entwickeln, und wir wissen doch noch nicht, welche sie zum Schluss nehmen wird! Und Obermeyer legt nach, Plan um Plan, und er tut die ganze Zeit so, als sei es schon entschieden, dass seine Variante vom Auftraggeber gewählt wird, daneben gilt nichts anderes... In der gleichen Zeit habe ich zwei andere Lösungen für die Oberschule gezeichnet, und zwar ganz allein und nebenbei noch den Vorbescheid für das Seniorenwohnheim in Thale geändert.... das finde ich ungerecht, Obermeyer hat viel mehr Erfahrung.... verdient bestimmt auch viel mehr Geld als ich, aber das ist mir wirklich egal.... wir sollen beide am Projekt arbeiten, aber ich bekomme noch nicht einmal die Protokolle der Besprechungen zu lesen, die muss ich mir immer heimlich raussuchen!

Ob man ihn wohl irgendwie umstimmen kann?

Es liegt ja nicht nur an Herrn Obermeyer, sagt Ronny Kaske, nein, nein, es ist zu spät, ich habe ein gutes Angebot aus Berlin, ich werde morgen zusagen..... es tut mir wirklich leid, zwei Jahre bin ich jetzt hier.... aber vielleicht machen Sie ja irgendwann ein Büro in der Hauptstadt auf?


Hier endet der 351. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

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