Und wieder redet man über die Ufer der See-Bonzen: Wo die Hinterlist residiert…… der Streit glimmt seit der Wende. Villa am See, diese Aufgabe übt jeder Architekturstudent, in der Regel bleibt der Entwurf nur Papier. Aber das wahre Leben ruft an im Frühjahr 199?: Sind Sie der Architekt? Sie wurden uns empfohlen!
Das Treffen wird vereinbart in einer Hotellobby in Kudamm-Nähe. Mutter, Tochter, Schwiegersohn aus München lieben es offensichtlich klassisch-gediegen, ich kämpfe gegen die Umgarnung durch mächtige braune Ledergarnituren.
Die Rückübertragung ist endlich durch, ein Grundstück direkt am Groß Glienicker See! Kennen Sie den?
Ja, sicher, ein verwunschenes Idyll, die Grenze lief früher mittendurch….
Ich werde natürlich in München bleiben, aber mein Schwiegersohn hat ein gutes Angebot in Berlin….
Schlimmer als die Wüste, sagt sein Blick, komme nur wegen der Buschzulage…
Ich denke an ein handliches Landhaus, eine kleine Villa für uns drei….. aus der Handtasche werden Fotos und Katasterpläne weit über den Glastisch verteilt…. Ohne Umstände geht es in die Details:
Mein Bechstein muss in den Salon passen, genug Platz für Empfänge, durch meine Opernagentur habe ich viele Freunde, oft laden wir Künstler ein, die brauchen Raum zum Singen…..
….. mit offenem Kamin?
Ja unbedingt, Kamingruppe im Salon und davor eine große Terrasse zum See…
Die Tochter folgt jetzt mit einer …..Ankleide, wenn das geht, mein Mann hat so viele Anzüge, er braucht ein eigenes Bad und einen begehbaren Kleiderschrank…. Nein, nein, ein Schlafzimmer reicht, und ein Kinderzimmer brauchen wir nicht…. Möchten Sie sich das Grundstück ansehen, ich kann es Ihnen gerne zeigen?
Drei Tage später treffen wir uns. Seepromenade ist die Adresse, mit gewagtem Schwung wirft sich das langgestreckte Grundstück in das verträumte Gewässer, auf dem entrückt ein Inselpärchen schwimmt …. aufgeschossener Baumbestand und wuchernde Brombeersträucher im Hang, fast zehn Höhenmeter liegen zwischen Straße und Ufer. Eigentlich ist sie so alt wie ich, denke ich, als wir uns begrüßen.
Im Garten nebenan träumt eine alte Villa mit gesprengten Scheiben: Das war ein Kindergarten, unser Grundstück war der Spielplatz.....Einer der Anlieger kommt vorbei, als wir noch an der Straße stehen, erzählt, dass in der letzten Nacht an dieser Strasse ein Auto aus den Westländern abgebrannt sei…. die zarten Augenbrauen der jungen Bauherrin zucken......Wir wollen gute Nachbarn werden.... dann steigen wir über das wildbewachsene Gelände ab zum Uferweg.
Der alte Postenweg trennt unser Grundstück vom See, einige Nachbarn klagen schon dagegen…
Ach, wie gern würd’ ich ihr ein Baumhaus bauen, windgewiegt ein Nest zwischen den Kronen.... oder eine Hütte als Floß auf dem Wolkenspiegel..... im Ufersaum plätschernd flüstern Wassernixen zum Libellentanz.....
Nein, nein, ich brauche jeden Auftrag, konservativ gibt sich der Entwurf, den ich zwei Wochen später vorstelle. Hier ist Ihr Salon, erkläre ich der Mutter, das Haus hat zwei Flügel, um die Lebensbereiche gut zu separieren..... repräsentativ der Flügel quer, schützt das Grundstück vor Einblick von der Straße.... die Räume Ihrer Tochter liegen ein Geschoss tiefer, im zweiten Flügel, zum Wasser gerichtet liegt er im abfallenden Hang......
Als ich fertig bin, faltet die Mutter einen Plan auf: Wir waren in der Zwischenzeit noch bei einer Massivhausfirma, die haben uns auch einen Entwurf gemacht, schauen Sie doch mal bitte.....das gefällt uns ganz gut, was sagen Sie dazu?
Zwei Jahre vergehen, bis mich wieder ein Anruf erreicht, die Tochter diesmal... ja, am besten noch diese Woche, nein, wir haben noch nicht gebaut.... und bringen Sie bitte Badesachen mit!
Sie wohnt jetzt zur Miete in der Villa auf dem Nachbargrundstück. Ihr Mann ist nicht da. Wir wollen ausprobieren, ob wir hier leben können......
Die Sonnenstrahlen fallen steil, der Sommer steht zwischen lichten Kiefern. Zuerst müssen Sie schwimmen gehen, fast nötigt sie mich, und noch immer hat sie nicht verraten, warum sie mich gerufen hat. Bis in die Mitte des Sees schwimme ich hinaus, verloren am Ufer wartet sie, das leichte Sommerkleid leuchtet mir den Weg zurück, bis ich die versteckte Uferstelle wieder erreiche, wo sie im Sand hockt, die Finger nervös an einem Grasbüschel spielen....
Wir sind zurück, auf der Terrasse wartet der dekorierte Tisch unter dem Sonnenschirm, der Kuchen ist hier vom Bäcker, und nehmen Sie doch noch etwas Kaffee.... und endlich löst sich ihre Verspannung etwas und sie erzählt, während wir auf den blinkenden See hinunterschauen und auf das schlummernde Grundstück ihrer Mutter nebenan.
Wir haben uns entschieden, wir wollen bald bauen, wir fühlen uns wohl hier am See...... und stellen Sie sich vor, mein Mann hat den Architekten des Hotel Adlon kennen gelernt, Architekt Matschke, und wir haben ihn gefragt, ob er unser Haus bauen will, und er hat ja gesagt, wir bekommen sogar einen Turm.... dann holt sie ein buntes Entwurfsblättchen aus dem Wohnzimmer.
Nein, den Zauber dieses Grundstücks kann ich nicht mehr retten, mein Haus wird nicht ihr Leben bereichern, nicht ihre Ehe ändern.....
Ich lehne mich zurück..... über den Entwurf ihres Architekten verliere ich ein paar belanglose Höflichkeiten... Im Hotel Adlon steckt sowenig Architektur wie Kokain in Coca-Cola, könnte ich zum Beispiel sagen, aber meine junge Bauherrin wird resistent sein gegen die Droge Architektur.....
Matschke führt ein Büro mit vielen Mitarbeitern und Praktikanten, die Website benennt den Stil als klassisch-traditionell, Entwurfsskizzen seiner Firma zirkulieren durch viele Berliner Architekturbüros: Am Potsdamer Platz in Ferch am Schwielowsee steht eine Ladenzeile, ein Fremdkörper aus der Welt der bunten Bildchen für Finanzpiraten und klamme Investoren, sprengt den Maßstab nicht zuletzt durch einen dicken Turm am Ende. Als Auftragsarbeit habe ich damals die Pläne für den Bauantrag gezeichnet, und der Bauherr wachte argwöhnisch darüber, dass ich jede Dachgaube, jede Dekoration, jeden Erker und jeden Ladeneingang des Matschke-Entwurfs in die Antragszeichnung übertrage.
Ferch ist eine liebenswürdig zerstreute Ortslage südlich von Potsdam am Weg zwischen Caputh und Werder, manchmal fahre ich ab von der Autobahn, um noch einen Abendblick über den Schwielowsee zu genießen. Die Läden am Potsdamer Platz in Ferch stehen lange leer, die Pizzeria ist geschlossen.
Hier endet der 86. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Diesen Text widme ich ruhrrot, dem Poet der Herzen
in der FreitagCommunity, und hoffe auf eine Welt,
in der ich für ihn eine Villa am See bauen kann
Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
Kommentare 33
Danke für diesen bezaubernden Text.
Bitte bleib dran.
( Mindestens solange, bis du die Villa am See für ruhrrot gebaut hast...)
noch nicht gelesen.
hole erstmal kreide zum malen.
trotzdem krüüüßßßeee,
kr
"Bonzen" klang so ein bischen nach dem Spruch am Griebnitzsee, "(....) heute bauen Bonzen Mauern, frueher wars der Staat", leider zu spaet photographiert, ein 4-Zeiler, hast Du ihn zufaelligerweise vollstaendig?
Liebe Leif Miles,
klingt hoffentlich immer noch etwas nach
"Summertime"?
Freue mich, dass es Dir gefällt....
Grüße zurück
in heiße Wahl- und Grillphase!
"See-Bonzen.." stammt vom Berliner Kurier,
da führt der Link im Text auch hin.
Der Griebnitzsee ist ja auch so ein verzauberter See,
den Spruch habe ich aber leider nicht präsent...
Lieber archinaut,
toller Blog und toller Text! Vielen Dank für die Widmung. Ich habe mich sehr gefreut und ich bin wirklich sehr gerührt! Da bleibt mir die Spucke weg und mir fehlen die Worte! Sehr nobel!
Beim Lesen des Blogs habe ich mich selbst als Gegenentwurf in den Katakomben gesehen in denen ich meistens bewege, aber beim Lesen der Widmung sah ich das Bild eines schönen Hause am See in meinem Herzen und Du bist der Baumeister! Danke!
Herzliche Grüße
Dein ruhrrot
Herzliche Grüße
Dein ruhrrot
Wirklich klasse da, auch die Mensa.
Leider ist die Stadt Potsdam zu bloed, ordentlich zu planen.
hi armin, archie macht das schon. und in jedem zweiten blog ihn schön dran erinnern. vertrauen ist gut, sich zum kaffee einladen aber auch. herzlich an beide: kr
Hi Rainer ,
vielen Dank! ;) Ich freue mich wirklich sehr Dein nettes Gesicht wiederzusehen! :)
Herzliche Grüße
Armin
Lieber rr,
es freut mich, dass Du die Widmung angenommen hast :-))
Hättest Du ein Haus am See, würdest du die Spaziergänger am Ufer bestimmt durchlassen, vermute ich (das ist nämlich der aktuelle Konflikt am Groß Glienicker See :-))
Hoffentlich finden wir die Welt,
in der wir das Haus bauen
(damit wir kr zum Kaffee einladen können,
natürlich auch zum Grill mit Bier, wenn sich der Abend senkt)
Herzliche Grüße
an Ruhr und Aasee
archie
Planung ist Interessenausgleich,
im Ergebnis tritt oft Ernüchterung ein...
Lieber archie,
ich sitze hier im Internet-Cafe, das bald zu macht und bin schon wieder total gerührt. Es sind wirklich Worte von Dir , die nicht einfach nur Worte sind, sondern ans Herz gehen. Danke.
Herzliche Grüße
rr
P. S.
Natürlich kämen die Spaziergänger durch, wenn das Haus einem von uns gehören würde. :)
rr
Ja,
und wahrscheinlich würden wir die Freundlichen
einladen auf unsere Terrasse......
Aber die Stadt Potsdam muss die entscheidenden Interessen benennen. Das haben sie dort bisher nicht hinbekommen und es ist zweifelhaft, ob sie es kuenftig hinbekommen. Geulen lacht sich ins Faeustchen.
archinaut schrieb am 25.04.2010 um 22:11 irgendwas, vergessen, egal. wollt eh nur sagen, falls mal bei diesem haus, wenn es denn endlich steht, durchgemacht wird (kaffee, käsekuchen, bier, grill), zum frühstück auch gerne rührei und nürnberger würstel.
Genau. :)
rr
Gern gelesen. Archie auch als Architekt von Kurzgeschichten.
Ein Beispiel wäre schön,
damit man versteht was Du meinst?
Lieber luggi,
komm einfach vorbei,
es ist noch Platz auf der Terrasse
(auf Wunsch auch darunter :-))
Oh Mann, das ist ja eine Geschichte. Griebnitzsee - ich bin da vor vielen Jahren mal langgeturnt, aber hatte damals schon die Ahnung. Das gibt neue Grenzen.
Na, denn ein Haus mit Turm, vom Adlon-Architekten.
Diese Architektur-Fragen - das ganze Leben ist da drin, auch wenn man selbst gar kein Haus hat.
Liebe Magda,
danke für's Lesen....
die Geschichte spielt übrigens am Groß Glienicher See,
der war mittendurch geteilt (halb DDR, halb West-Berlin),
heute läuft die Landesgrenze da durch,
bei google earth sieht man ganz schön,
wie die Grundstücke am Berliner Ufer bis zum Wasser gehen (Ostküste), die am Brandenburger Ufer sind durch den öffentlichen Uferweg vom Wasser getrennt (Westufer)
See ist Bühne
auch wenn man selbst gar keinen See hat :-))
...hoffentlich besuchst Du uns auch mal auf der Terrasse,
rr, rk (kr?) und luggi sind schon da.....
pardon: "Groß Glienicker See"
Mensch ja, alle Welt ist immer auf den Griebnitzsee fokussiert - ich auch.
@archinaut: "klingt hoffentlich immer noch etwas nach
"Summertime"?"
...genau so nehme ich deinen Text mit in den Alltag: als ein tragbares Stück Schönheit im Kopf...
Gruss
Leif
(rooohte Ohren krieg...:-))
sehr schöner text!! aber warum kam sie nicht mit schwimmen? :-)
wer weiss...
vielleicht Angst vor'm Fliegen?
oder....kein Schirm für den Fall?
...:-))
Nette Geschichte über die Unentschlossenheit von Kunden und ihren Träumen.
.... eine Geschichte der Missverständnisse?
Ob Kunden Träume kaufen wollen........