Vom Heimweh nach Arbeit

Raumforscher Über die Poetik des Raumes

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In den Briefen an Benvenuta schreibt Rilke, daß er in Abwesenheit der Putzfrau die Möbel abgestaubt habe: „.... ich war herrlich allein, - da überfiel mich, aus dem Stehgreif, diese alte Leidenschaft. Du musst wissen, daß das fast die größte meiner Kindheit war, sogar meine älteste Beziehung zur Musik, denn unser Pianino fiel in mein Abstaubebereich, es war einer der wenigen Gegenstände, der sich leicht dazu hergab und sich nicht langweilig unter dem Eifer des Staubtuchs benahm, sondern ganz plötzlich so metallisch brummte und überdies schön dunkel spiegelte, jemehr man sich Mühe gab. Was mochte man dabei alles erlebt haben? Stolz allein schon auf die dafür nöthige Ausrüstung, in einer großen Schürze und mit kleinen schonenden Waschlederhandschuhen an den thätigsten Händen, erwiderte man mit einem gewissen schelmischen Anstand die Freundschaft, die einem die erholten, gut behandelten Dinge zuwarfen.

Und auch heute noch, ich will Dir gestehen, als es hier um mich herum klar wurde und der riesige flache schwarze Schreibtisch, um den sich alles dreht,... von dem hohen lichtgrauen, fast würfeligen Innenraum, ihn besser spiegelnd, eine Art neues Bewusstsein bekam, da wirkte mirs durchs Gemüth, als wär nicht nur etwas wörtlich Oberflächliches vor sich gegangen, sondern etwas Schönes von Seele zu Seele geschehen, wie wenn der Kaiser den alten Männern die Füße wäscht oder der heilige Bonaventura das Essgeschirr in seinem Kloster.“

.... Wie sollte man in der Briefstelle Rilkes nicht das Heimweh nach der Arbeitspüren; wie sollte man nicht begreifen, dass sich hier psychologische Dokumente verschiedener geistiger Lebensalter überlagern, denn zu der Freude, der Mutter zu helfen, gesellt sich der Ruhm, ein Großer dieser Erde zu sein, der die Füße der Armen wäscht.

Gaston Bachelard

Poetik des Raumes

aus: II. Haus und All


Aus dem Französischen übersetzt von Kurt Leonhard

Fischer Taschenbuch Verlag


Hier endet der 304. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.


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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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