Ein Telefonat im Oktober 2006:Zwischen Quedlinburg und Bad Harzburg liegen 55 Kilometer Bundesstraße und eine unvergessene Staatengrenze. Ein Bund für’s Leben?
Der nahe Harz leuchtet in den Farben des Herbstes zwischen Erde und Sonne. Aber das Büro in Quedlinburg läuft nicht gut. Dringend suchen wir neue Planungsaufträge, also streben wir hoffnungsvoll nach frischen Kontakten. Aufgefallen ist mir ein Bauträger in Bad Harzburg, der laut Eigenwerbung besondere Wohnungen für gut gestellte Senioren anbietet. Vielleicht sucht er ausgefallene Ideen für seine Kundschaft? Ich rufe an: Ob ich einen Termin machen kann, um unsere Arbeit vorzustellen?
Die Dame am Telefon in Bad Harzburg ist irritiert über meinen Anruf. Sie wehrt ab, nein, der Geschäftsführer sei nicht zu sprechen, nein, man werde auch keinen Termin machen. Höflich frage ich, ob wir Unterlagen zuschicken dürfen.....aber die resolute Dame wehrt mein Ansinnen zunehmend gereizt ab.
„Wir haben alles, wir brauchen niemand,“... bleiben Sie, wo Sie sind, scheint sie zu sagen, und ich verstehe allmählich, dass sie offensichtlich die Quedlinburger Vorwahl im Display ihres Telefons sieht.... Schließlich legt sich leise Empörung in ihren Tonfall: „ Wir brauchen Sie nicht!“
Das Gespräch ist beendet, eine neue Erfahrung füllt mich aus bis zum Schmerz:
Dreifach schäme ich mich:
Für meinen Beruf, in dem ich mit jedem abgeschlossenen Projekt wieder einen Bauherrn suchen muss.
Für meinen Wohn- und Arbeitsort, der mitten in Deutschland liegt, aber vielleicht auf der falschen Seite der Republik.
Und für die andere Seite.
Hier endet der 37. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
Kommentare 10
Mir geht es auch so, dass für den größten Teil meiner Projekte auch Kunden suchen muss. Am besten man fängt mit den Kunden an, von denen zu 90% sicher ist, dass es nix wird. Dann ist man lockerer, weil man die Antworten schon kennt und man kann trainieren. Lernen, auf was für Schlüsselworte der Gegenüber abnickt / Interesse zeigt.
Guter Tipp: Lass Deine Frau anrufen! Sie musst Du so wieso als erstes von Deiner Arbeit überzeugen.
Nach dem Kontakt und zwar egal ob Positiv oder Negativ, sofort ein persönliches Anschreiben mit Gesprächsnotiz anfertigen zusammen mit Info´s zu schicken. Diese Mappe muss so gut aussehen, dass sie nicht weg geworfen wird. Eine werbetragende Aufmerksamkeit beilegen. Denn, kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.
Wichtig: Ein unangenehmes Gespräch niemals mit einem negativem Wort beenden.
Wichtig: Dein Produkt muss wirklich ein Bringer für die Kunden sein.
Ganz wichtig: Du musst gerne mit Leuten telefonieren. Und das sollten Deine Gesprächspartner auch spüren.
Schämen? Niemals. Du machst nur Deinen Job. Fertig.
Lieber archinaut,
vielen Dan für den Blog. Du hast ja gute Tips von chrisamar bekommen, die ich sehr überzeugend finde.
Vor allem was das Schämen angeht, möchte ich ihr besonders stark zustimmen. "Schämen? Niemals, Du machst Deinen Job. Fertig." Recht hat sie , die gute Frau!
Herzliche Grüße
por
"Willkommen in der Kälte"! Ich halte es da mit "streifzugs" heutigem Beitrag.
... ein melancholischer Kontrapunkt rundet das Bild doch nur ab, hoffe ich?
.... es wäre vielleicht einfacher gewesen, mit einer Vorwahl aus Niedersachsen anzurufen statt aus Sachsen-Anhalt....aber das ist nur so eine Vermutung. Die tips sind sehr lieb gemeint, aber die Infos schicke ich nicht mehr, wenn Desinteresse oder Ablehnung rüberkommt.....
Lieber por,
vielen Dank für die Aufmunterung.....vielleicht ist die Geschichte ja etwas undeutlich formuliert:
die Dame aus Bad Harzburg (ehemals BRD) hat den Erzähler 3-fach beschämt, denke ich
1. als telefonischen Eindringling
2. als Ossi (wegen der Vorwahl)
3. als Bundesdeutschen (wo auch immer er herkommt)
Aber jeder Leser wird den Text anders interpretieren
hoffe ich.
Herzliche Grüße
archie
Lieber archie,
vielleicht verstehe ich Dich aber auch nicht. Natürlich kommt Scham ungefragt, aber für Dich sehe ich wirklich keinen Grund, Dich zu schämen.
Zu 1. und 2., sehe ich das nur als Grund für die Dame an, dass sie sich schämenm soll, wenn sie das so sieht und macht!!!
Zu 3. kann man sich als Bundesdeutscher nur fremdschämen, also wiederum nicht über Dich, sondern für die Dame kann man sich schämen!!! Ich tue das aber nicht, weil sie noch nicht einmal das in meinen Augen wet ist!
Mensch, Du kommst aus Quedlinburg , einer der Städte mit der sächsischen Romanik und einem mittelalterlichen Altstadtkern!
Ihr seid Weltkulturerbe! Was hat Bad Harzburg? Schnüff
Ihr hattet in Quedlinburg schon einen kaiserlichen Dom, wo sie in Bad Harzburg noch nicht einmal wußten, wie Romanik geschrieben wird. ;O)
Da kann die Harburgerin nur den Harzbuger Bund , als ein trauriges Kapitel des deutschen Faschismus vorweisen.
Nein ganz im Ernst, nur nichts internalisieren!!! Du bist der Du bist und nur das zählt!
Ich würde mich meinen Tausenden Bewerbungen aus früheren Zeiten schon dreimal umgebracht haben, wenn ich das internalisiert hätte!
Nur nicht aufgeben, ganz egal was Du machst und scheiß auf das dreimal dämliche Verhalterin der Harzburgerin!
Herzliche Grüße
por
P.S. Der deutsche Faschismus hatte natürlich nur traurige und entsetzliche Kapitel. Ich glaube auch nicht, dass mir da jemand was Anderes unterstellen würde, aber ich habe trotzdem entsetzt fstgestellt, dass mir da ein Ausdrucksfehler reingeraten ist, der den Satz mehrdeutig interpretierbar macht, was ich natürlich nicht möchte.
Lieber archinaut,
lass Dich nicht ärgern. Es tut mir leid, dass Du solche Erfahrungen machst, aber das ist die ganze Wahrheit. Auch wenn es anders auf Dich wirken muß,
meine Überzeugung ist:"Wir brauchen Euch und Ihr seid willkommen!", jenseits von diesem nationalen Jubel mit seinen hohlen Phrasen am 9 November und die, die das nicht einsehen, sind für mich im wahrsten Sinne des Wortes die wirklichen Verlierer der Einheit!
Herzliche Grüße
por
Lieber por,
Zurückweisung weckt die stärksten Emotionen, das ist zwischen Ost und West so wie zwischen anderen Grenzlinien unserer Gesellschaft....
...und zum Schämen gehören wirklich immer zwei, da sind wir uns einig...!
Herzliche Grüße
archie