Kein Wildlife, eine Couch und eine Metal Band

Lordin aukio Urige Stadt im Nirgendwo gesucht? - Enttäuschung! Wer aber eine moderne Stadt mit all ihren architektonischen Sünden erwartet, kann eine Metall Band und mehr finden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es ist kaum zu glauben, aber ich habe es nach Rovaniemi, in die Hauptstadt Lapplands am Polarkreis geschafft. Hat man erst mal den 14 stündigen Zwischenstopp am Helsinkier Flughafen hinter sich, geht alles recht flott. Ein Wildlifeerlebnis kommt dabei jedoch nicht auf. Man steigt in eine moderne Passagiermaschine und nicht in einen klapprigen Buschflieger ein. Das Flugzeug hat ganz normal Turbinen an den Flügeln, nicht mal Propeller. Über kleine Bildschirme flimmern die Sicherheitshinweise und danach kanadische Funny Clips, die man schon vom Flug nach Helsinki kennt. Man bekommt auch das gleiche Sandwich von einer Stewardess, die der aus dem ersten Flug verdammt ähnlich sieht, gereicht. Über eine Stunde hat man dann Zeit aus dem Fenster zu schauen und auf dem Weg immer zu nach Norden ein endloses Meer an Birkenwälder zu betrachten und in der Ferne die Ostsee. Wenn dann plötzlich die Ostsee einfach aufhört, dreht das Flugzeug nach Osten und geht kurz darauf in den Sinkflug. Wer jetzt Hoffnungen auf Wildlife hegt, wird wieder enttäuscht. Der hohe Norden ist auf dem Weg zu einem modernen Hotspot der Weltwirtschaft und hat in seiner Infrastruktur immer weniger mit Wildlife Romantik zu tun. So landet man auf einer betonierten Piste, rollt zu einem Flughafengebäude, dass irgendwie verdammt ähnlich dem Flughafen Helsinki aussieht, nur kleiner, eingelaufen. Es könnte die Playmobil-Version sein. Man läuft durch eine Röhre zum Band, das kurz darauf die Koffer ausspuckt. Hat man seinen Koffer läuft man raus, wo schon die 2 Airport-Großraumtaxis bereit stehen und die Menschen mit Koffern aufsammeln. Man sagt der netten Frau mit Klemmbrett die Straße wo man hin will bzw. wenn man dem Finnischen nicht mächtig ist, schreibt man die Straße besser auf einen Zettel und zeigt ihr diesen. Ich musste in die „Kuukkelintie“. Hätte ich versucht ihr die Straße zu sagen, wäre ich wohl irgendwo, nur nicht in der Kuukkelintie angekommen. 2 finnische Omas, ein finnisches Pärchen und ich hocken irgendwann in dem Airport Taxi. Der Fahrer sieht wie ein Taxifahrer, wie es ihn überall auf der Welt gibt, aus, wieder kein Wildlife Feeling. Man fährt gut 10 Kilometer bis Rovaniemi Downtown – über sehr gute Straßen, was einem als Deutscher irgendwie naturgemäß auffallen muss. Zuerst geht es aber zum Santa Claus Village, die zwei finnischen Omas wollen dort hin, wer sonst... Dann geht es weiter durch Birken gesäumte Straßen. An einer Haltestelle steigt dass Pärchen aus. Wenn man an einer Haltestelle aussteigt zahlt man 7 Euro, wenn man direkt vor der Tür rausgeschmissen werden möchte, dann 10 Euro. Finnland ist soooo teuer? Zumindest in diesem Fall nicht. Ich lasse mich vor die Tür kutschieren, bzw. nimmt das der Taxifahrer intuitiv an und das war auch gut so.

Ich mache Couchsurfing bis ich kommenden Montag in mein Studentenwohnheimzimmer kann. Couchsurfing ist eine Web 2.0 Erscheinung. Menschen, die ein Sofa oder irgendeine ähnliche Übernachtungsmöglichkeit haben oder suchen, können sich beispielsweise auf couchsurfing.org ein Profil erstellen. Sucht man dann in einer Stadt irgendwo auf der Welt eine Übernachtungsmöglichkeit, dann kann man die Angebote aus der betreffenden Stadt durchforsten und mögliche Couchsurfer anschreiben. Wenn sie Zeit und Lust haben, sagen sie zu und man kann bei ihnen auf der Couch schlafen. Es ist kostenlos und unverbindlich. Man kann und sollte selber auch seine Couch zur Verfügung stellen, man muss jedoch nicht. Man kann damit aber auch kein Geld verdienen. Es basiert auf gegenseitige Einvernehmlichkeit. Danach steht es einem frei einen Kommentar auf dem Profil des anderen als Host, sprich dem Couchanbieter oder als Surfer, dem Couchschläfer zu hinterlassen und zu bewerten. Mein Host ist ein Niederländer, den es durch Heirat in den hohen Norden verschlagen hat. Offiziell ist er Informatiker, inoffiziell ist er Lebenskünstler. Mein erster Eindruck vom Couchsurfing ist sehr positiv. Es ist nicht nur billig, weil kostenlos, sondern man findet gleich Anschluss in einer fremden Stadt. Und wie in meinem Fall, kann man wirklich Glück mit seinem Host haben und findet einen sehr netten Couchsurfer.

Nach dem Kennenlernen geht es erst mal in die Innenstadt von Rovaniemi. Zwar reichen die Wurzeln Rovaniemis bis ins frühe 17. Jahrhundert zurück, jedoch findet sich in der gesamten Stadt kein Gebäude, das älter als 1945 ist. 1944 brannte die deutsche Wehrmacht auf ihrem Rückzug Rovaniemi komplett nieder. Die Stadt, die damals hauptsächlich aus Holzhäusern bestand, verschwand in den Flammen und wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. So gibt es in Rovaniemi wenig architektonisch reizvolles. Gelangt man an den zentralen Platz in Rovaniemi, dem Lordin aukio, auf deutsch Lordi Platz, fängt man an zu grübeln. Lordi, Lordi, irgendwo schon mal gehört. Dann meint der Holländer neben einem „Did you remember Lordi? The finnish metal band? They won the Eurovision some years ago.“ „Yeeeees, I think so. Did they named themselves after this square?” “No, Rovaniemi has named the square after them.” “Why?!” “They come from here and they are the most famous people from here.” “Fuck!” “Yes, that's a fucking shit.” Am Abend geht es zu einer Party in dem Wohnheimkomplex in dem ich wohnen werde, aber das ist eine andere Geschichte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Arctic Matters

Das Reisetagebuch von Christoph Hentschel, eines Doktoranden im hohen Norden Finnlands.

Arctic Matters

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden