Seltsames Paarlaufen in Jakarta

Indonesien In Indonesien wird mit einer Wiederwahl des Amtsinhabers Yudhoyono beim Präsidentenvotum am 9. Juli gerechnet. Wenn nicht, droht ein Durchmarsch früherer Militärs

Es sind schon seltsame Paare, die sich da für die Präsidentenwahlen am 9. Juli zusammengefunden haben. Die Tochter des Staatsgründers Sukarno und ehemalige Präsidentin – sie regierte zwischen 2001 und 2004 – Megawati Sukarnoputri geht als Bewerberin der Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P) ins Rennen. Eine Gruppierung, die 32 lange Jahre im Schatten des Diktators Suharto lebt und überlebte, der Megawatis Vater 1965 aus dem Präsidentenamt putschte. Nun kürt Sukarnoputri ausgerechnet dessen Ex-Schwiegersohn, Prabowo Subianto, zu ihrem Favoriten für die Vizepräsidentschaft und betreibt Wahlkampf, als wolle sie Geschichte vergessen machen. Eigentlich hatte Prabowo seine Partei, die Bewegung für ein Großindonesien (Gerindra), Anfang 2008 für eine eigene Präsidentschaftskandidatur gegründet, doch holte dieses Konstrukt bei den Parlamentswahlen im April nicht mehr als peinliche vier Prozent, so dass der Aspirant nur froh sein konnte über die Offerte Megawatis.

Der 58-jährige Ex-General Prabowo, der Anfang der achtziger Jahre bei der deutschen GSG 9 eine Ausbildung abschloss, wird für zahlreiche Massaker in Osttimor verantwortlich gemacht. Er gilt als einer der Hintermänner des Massakers vom 12. November 1991 auf dem Santa Cruz Friedhof von Dili, der Hauptstadt Osttimors. Seine Soldaten schossen in eine Trauergemeinde und töteten über 200 Menschen.

Auch die blutigen Unruhen vom Mai 1998, als ein rasender Mob vier Tage lang durch Jakarta zog, Geschäfte sowie Warenhäuser plünderte und Hunderte chinesisch stämmiger Frauen vergewaltigte, waren von Generalleutnant Prabowo gesteuert. Eine Erkenntnis, der sich später eine Untersuchungskommission nicht verschließen konnte. Ein militärisches „Ehrengericht“ warf ihm zudem vor, seine Befehlsgewalt überschritten zu haben, als er Gegner des einstigen Staatschef Suharto entführen ließ. Über 20 der seinerzeit Verschleppten sind bis heute verschwunden. Als sich Verteidigungsminister und Armeechef Wiranto daraufhin gezwungen sah, Prabowo als Kommandeur der Strategischen Reserve zu feuern, zog der ins „freiwilliges Exil“ nach Jordanien, von dort weiter nach Deutschland, später nach Bangkok.

Der Ärmste unter den Reichen

Inzwischen ist Prabowo zum erfolgreichen Geschäftsmann avanciert, dem kein Unrecht widerfährt, wenn man ihn als den reichsten aller Kandidaten bezeichnet, die sich am 9. Juli zur Wahl stellen. Sein Vermögen wird auf 170 Millionen Dollar geschätzt. Als nicht wesentlich ärmer gilt der andere Bewerber für das Amt des Vizepräsidenten: General a.D. Wiranto, der angibt, über einen Besitz von 8,5 Millionen Dollar zu verfügen.
Jussuf Kalla, derzeit Vizepräsident, der sich auf dem Ticket der alten Suharto-Partei Golkar um das höchste Staatsamt Indonesiens bewirbt, bringt ein Vermögen von 31 Millionen Dollar auf die Waage. Der Ärmste unter den Reichen ist übrigens der noch regierende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, der gleichfalls antritt und eine zweite Amtszeit anstrebt.

Dass Ex-General Wiranto wie Ex-General Prabowo grobe Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, scheint den Zyniker Jussuf Kalla nicht zu stören. Er nimmt es selbst gelegentlich nicht so genau mit der Würde des Menschen. Als Vizepräsident empfahl er sich vor drei Jahren als Indonesiens Oberlude. „Wenn viele Touristen aus dem Nahen Osten hierher kommen, um eine Janda (alleinstehende Frau - A.W.) zu suchen, denke ich, das geht in Ordnung“, verkündete er 2006 auf einer Konferenz, die sich der Förderung des Tourismus verschrieben hatte, und spielte damit auf die in Westjava und Batam verbreitete Ehe auf Zeit an. Und weiter: „Wenn die Janda sich danach ein bescheidenes Haus leisten kann, ist das in Ordnung, auch wenn der Tourist sie wieder verlässt. Die Kinder aus solchen Beziehungen werden gute Gene haben.“

Gräueltaten nicht nur in Osttimor

Schlimmer allerdings sind die Vorwürfe, denen sich Wiranto als Ex-Verteidigungsminister und Oberkommandierender der Streitkräfte wegen begangener Gräueltaten in Osttimor, Aceh und Westpapua ausgesetzt sieht. Dies gilt, auch wenn er immer wieder seine Schuld bestreitet und die Verantwortung auf die Regierung in Jakarta abwälzt. Schließlich habe ihn kein Gericht jemals schuldig gesprochen.„Ich habe alle Prozesse verfolgt, aber ich war nie in irgendeinem Menschenrechtsfall Verdächtigter oder Angeklagter“, überging Wiranto geflissentlich den gegen ihn ergangenen Haftbefehl der UN-finanzierten Serious Crime Unit in Dili, die ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt.

Immerhin darf die Öffentlichkeit hoffen – und es liegt letztlich an ihrem Wahlverhalten, dass weder Prabowo noch Wiranto die Geschicke des Landes führen oder maßgeblich beeinflussen. Zwar sind Meinungsumfragen wie in allen Entwicklungsländern auch in Indonesien berüchtigt für ihre Unzuverlässigkeit. Ein der Demokratischen Partei (DP) von Präsident Yudhoyono nahe stehendes Institut sah den Amtsinhaber mit voraussichtlich 54 Prozent aller Stimmen bereits als absoluten Sieger, während Megawati und Kalla vernichtende Fehlschläge mit Werten unter der Zehn-Prozent-Marke bescheinigt wurden. Ein anderes Institut, das Wähler im Auftrag von Golkar befragte, sah Kalla mit 33 Prozent vorn, gefolgt von Megawati mit 24 Prozent und Yudhoyono als aussichtslosen Dritten. Dennoch wird allgemein mit einer Wiederwahl Yudhoyonos gerechnet.

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