Rassismus ist ein Schlachtfeld. Spike Lee rahmt BlacKkKlansman mit zwei Bildern aus der ewigen Kampfzone, die er nicht eigens für seinen Film drehen musste. Das erste ist eine schier endlose Kamerafahrt über einen Acker, auf dem die Verwundeten und Toten des Amerikanischen Bürgerkriegs liegen, bis sich eine zerfetzte Konföderiertenflagge in den Vordergrund schiebt. Die Einstellung stammt aus Vom Winde verweht. Das Ende des Films bilden Aufnahmen der „Unite the Right rally“ am 11. und 12. August 2017 in Charlottesville, Virginia. Bei Protesten gegen eine Versammlung der Alt-Right-Bewegung starb durch den Anschlag eines 20-jährigen Rechtsradikalen eine Person, mindestens 19 Menschen wurden verletzt. Schließlich füllt das Star-Spangled Banner die
r-Spangled Banner die gesamte Leinwand. Es steht auf dem Kopf, farblos, nur schwarz und weiß.Zwischen diesen Bildern erzählt Spike Lee eine Geschichte, die er als „high concept Hollywood“ bezeichnet und so zusammenfasst: Ein schwarzer Polizist infiltriert den Ku-Klux-Klan. Die Story klingt so absurd, dass sie nur wahr sein kann. Ihr Protagonist hieß, wie auch in Lees Film, Ron Stallworth. Er war der erste afroamerikanische Polizeibeamte in Colorado Springs und nahm Ende der 1970er Jahre bei einer Undercover-Ermittlung Kontakt mit dem KKK auf. Stallworth wurde Mitglied der Organisation und drang bis zu David Duke vor, dem damaligen sogenannten Grand Wizard des Klans. Nach Jahrzehnten der Verschwiegenheit veröffentlichte er 2014 ein Buch über die Ereignisse. Seinen Mitgliedsausweis mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund bewahrt der heute 65-jährige Stallworth immer noch als Andenken auf.Eingebetteter MedieninhaltSpike Lee nimmt Stallworths Geschichte als Steilvorlage für eine schwarze Komödie. Ja, es darf gelacht werden. BlacKkKlansman ist ein Film, der unterhalten und schockieren will. Er schwelgt im Look und Sound der 1970er, flirtet mit Blaxploitation, rechnet mit White-Supremacy-Mythen und rassistischer Kinohistorie ab, verteilt Querschläge auf aktuelle Machthaber und inszeniert einen atemberaubenden Showdown rund um ein KKK-Meeting, eine Versammlung von Bürgerrechtsaktivistinnen und einen Bombenanschlag. Es ist der beste Spielfilm, den Spike Lee in den letzten zehn Jahren gedreht hat.Der richtige weiße Mann„Mit dem richtigen weißen Mann kannst du alles erreichen.“ Das ist die Punchline, mit der Ron Stallworth im Film seinen unerhörten Plan einem skeptischen Vorgesetzten verkauft. Ron (John David Washington) schlägt vor, selbst weiter am Telefon zu ermitteln, zu persönlichen Treffen mit den Klansmen aber den weißen Kollegen Flip (Adam Driver) zu schicken. So ist auch der echte Stallworth vorgegangen. Spike Lee nutzt die Konstellation einer schwarz-weiß gedoppelten Hauptfigur noch für eine zusätzliche bitterböse Spitze: Flip hat seinen jüdischen Hintergrund beinahe selbst vergessen, wird als verdeckter Ermittler aber durch die Selbstverleugnung und rassistische und antisemitische Hasstiraden gezwungen, sich mit Zuschreibungen wie „jüdisch“ und „schwarz“ umso intensiver auseinanderzusetzen. Der Ron Stallworth, den Washington und Driver so gemeinsam zum Leben erwecken, ist ein radikal potenziertes Hassobjekt des KKK. Doch der Klan nimmt diesen jüdischen Afroamerikaner nicht nur in seinen Kreis auf, er will ihn sogar zum Anführer der lokalen Sektion machen.Lee walzt genüsslich aus, wie die Rassisten der eigenen Ideologie auf den Leim gehen. Ein zentraler Knackpunkt der Undercover-Operation ist Rons Stimme. Klar, er könne „jive talk“, aber normalerweise spreche er einfach handelsübliches amerikanisches Englisch, gibt Ron seinen Vorgesetzten zu verstehen. Mit David Duke unterhält er sich am Telefon über die unverkennbare Artikulation von Weißen im Gegensatz zum derben Klang einer afroamerikanischen Stimme – ohne seine Sprechweise in irgendeiner Form zu verändern.Der Film folgt in diesem Punkt schlicht den Erfahrungen Stallworths bei seiner Polizeiarbeit vor 40 Jahren – und ist damit weiter als Teile der heutigen Filmkritik. Dass eine „schwarze Stimme“ sich als eine „weiße“ ausgeben könne, halten manche für undenkbar und unglaubwürdig. BlacKkKlansman antizipiert dieses Vorurteil und dreht den Spieß um. Anpassen muss sich hier im Gegenteil der weiße Mann: Ron lässt Flip einige Sprachübungen in korrekter Stallworth-Intonation absolvieren, bevor er ihn als glaubwürdigen Impersonator eines arischen Rassisten zu den Klan-Meetings schickt. Die Übungstexte: Black-Power-Parolen, was sonst?Ein paar Rassisten – einige KKK-Mitglieder sind im Film ganz schön Banane – schaffen sich in BlacKkKlansman sogar selbst ab. Doch Lee macht klar: Wegen dreier brandgefährlicher Idioten weniger sind Unterdrückung und Mord längst nicht aus der Welt. „America first!“, ist der Trinkspruch bei einem großen KKK-Treffen; in Telefonaten ist die Rede davon, „America“ wieder „great“ zu machen. Lee aber belässt es nicht bei Andeutungen. Er montiert den derzeitigen selbst ernannten Amerikagroßmacher direkt ins Bild. Donald Trumps Statement zu den Vorfällen in Charlottesville ist zu sehen. Der Präsident sagt, es habe bei den Zusammenstößen der Alt-Right mit Gegendemonstranten sehr anständige Menschen gegeben, auf beiden Seiten. Und der echte David Duke erklärt, wie sehr er den aktuellen Präsidenten schätzt.Spike Lees Diagnose einer Kontinuität des Rassismus stimmt damit überein, dass jemand wie der Musiker Kamasi Washington, die Galionsfigur einer jungen, politisierten Jazz-Renaissance, behauptet, unter Barack Obama sei Rassismus gasförmig geworden. Trump habe das Gas nun wieder entzündet. Und der echte Ron Stallworth erklärte zum Start von BlacKkKlansman: „Als Schwarzer in Amerika ist man ständig mit Rassismus konfrontiert. Er gehört zum Leben dazu.“Placeholder infobox-1