Abdel-Hadi: "Man muss die Hamas einbeziehen"

Gaza Der Gaza-Krieg fordert täglich neue Opfer. Die Auslandsgesellschaft NRW in Dortmund hatte den in Jenin geborenen Journalisten Hakam Abdel-Hadi zu Gast.

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Düsternis, Tod und Verderben – unermessliches Leid - in Nahost. Wieder einmal. Israel sagt, es müsse sich gegen die Raketen der Hamas verteidigen. Völkerrechtler stehen Israel auch das Recht zu sich zu verteidigen. Aber ist dies, was die israelische Armee IDF zur Verteidigung seines Landes und seiner Menschen tut verhältnismäßig? Über 500 Todesopfer sind bereits jetzt im Gaza-Streifen zu beklagen. Zivilisten die allermeisten. An einem Tag allein raffte es 100 Menschen dahin. In Israel starben bislang zwei Zivilisten und 20 Soldaten. Jeder Tote – da oder dort – ist einer zu viel.

Hakam Abdel-Hadi wurde in Jenin geboren

Aus aktuellem Anlass hatte die Auslandsgesellschaft NRW e.V. in Dortmund in Kooperation mit der Palästinensischen Gemeinde am 22. Juli 2014 Hakam Abdel-Hadi eingeladen, um über die Situation in Gaza zu sprechen. Abdel-Hadi ist ein palästinensischer Journalist und Autor. Er wurde 1939 in Jenin, im Norden Palästinas geboren, wanderte 1958 nach Deutschland aus. Hakam Abdel-Hadi war über vierzig Jahre als Journalist, u.a. bei der Deutschen Welle in Köln, wo er für Nahost und die arabische Welt zuständig war. Nach 1994 half er in Ramallah mit, die palästinensischen Medien aufzubauen.

Gaza ist so groß wie München

„Was ist eigentlich Gaza?“, hob Hakam Abdel-Hadi an. „Gaza hat eine Fläche von über 360 Quadratkilometer und eine Einwohnerzahl von 1,8 Millionen.“ Gaza gälte als eines der dicht besiedeltensten Gebiete, „man meint, sogar das dicht besiedeltste Gebiet der Welt“. Zum Vergleich: es hat die Größe von München. Man müsse denken, die Menschen leben dort quasi aufeinander. Allein in einem Flüchtlingslager lebten dort auf einem Quadratkilometer 80 000 Menschen. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung von Gaza seien nämlich Flüchtlinge. Sie und deren Nachkommen kommen ursprünglich aus der Gegend um Jaffa. Von Israel vertriebene Menschen, von denen keiner zurück darf. Israel sagt „aus ökonomischen Gründen“.

Nun schon der dritte Krieg in Gaza

Kriege, die Israel „mit modernen Waffen führte“, erlebte Gaza 2008/2009, 2012. Und nun den momentanen, vor Kurzem begonnenen. „Wie kommt es eigentlich zu diesen wiederholten Kriegen gegen Gaza?“, fragte Hakam Abdel-Hadi in den vollbesetzten Saal. „Ist denn die Hamas eigentlich wirklich verrückt, einen Krieg gegen eine militärische Supermacht wie Israel zu führen?“ Supermacht? Ja. Israel gilt als die viertstärkste Armee der Welt. Abdel-Hadi erzählt dazu eine Anekdote. Einmal habe er im Zug einen deutschen General getroffen. Den habe er mit der Bitte um eine ehrliche Antwort gefragt. Der General sagte das zu. „Wenn es zum Krieg zwischen Deutschland und Israel käme“, fragte Abdel-Hamadi nun, „wer würde gewinnen?“ Der General darauf: „Ich werde die Frage nicht beantworten.“

Den jetzigen Krieg Israels gegen Gaza bezeichnete Abdel-Hadi als asymmetrisch. Es sei ein Krieg gegen ein „Volk, das seit sieben Jahren unter Belagerung lebt“. Gaza sei seitdem zwar nicht mehr von Israel besetzt, aber eben „umzingelt“. Hakam Abdel-Hamadi erzählte, dass er vor sieben Jahren häufig in Gaza gewesen sei. Er war Dozent, bildete Journalisten aus. Die letzten Jahre aber ließen ihn die Israelis nicht nach Gaza einreisen. Obwohl er nur Bücher bei sich hatte. Auf die Frage warum, beschieden ihm die Israelis, sie brauchten ihm keine Gründe zu nennen. Sogar als er ein anderes Mal mit einem deutschen Abgeordneten mit diplomatischem Pass dorthin kam, ließ man beide in der Sonne braten und nicht nach Gaza hinein.

Gaza ist so eng behaust, dass es unmöglich ist keine Zivilisten zu treffen

Auf die derzeitigen Bombardements der IDF (Israel Defense Forces) auf Gaza eingehend, sagte der Journalist, es sei gewissermaßen unmöglich dort keine Zivilisten zu treffen. Ein Kollege von ihm, ein Schriftsteller, habe ihm erzählt, dass die abgeworfenen Bomben von einer halben oder ganzen Tonne Gewicht einen überhaupt nicht zu treffen brauchte: „Schon der Druck schmeißt dich einige Meter weit weg“ Und wohin sollte auch jemand fliehen, in einem Gebiet, das „so eng behaust ist“? Schutzräume gibt es ohnehin nicht.
Israel greife mit modernen Waffen an. Demgegenüber stünden die Raketen der Hamas. Abdel-Hadi sagte, er wolle diese Raketen „nicht verniedlichen“ oder deren Einsatz rechtfertigen, gab aber zu bedenken, dass die meisten dieser Geschosse von Israels „Eiserner Glocke“ ohnehin abgefangen würden.

Schrecklich für deutsche Ohren: Die Toten in Gaza lägen auf der Straße. Hundertfünfzigtausend Menschen müssten in Gaza die Häuser verlassen. Viele blieben einfach fatalistisch denkend zuhause, erzählte der Referent. „Wo sollten sie auch hin?“
Hakam Abdel-Hadi gab wieder, was ein israelischer General einem Zeit-Journalisten zum Krieg gegen Gaza sagte: Das sei wie „Rasenmähen“. Zynischer geht es wohl kaum!

Elf Millionen Palästinenser in der Diaspora

Es wurde daran erinnert, das heute etwa 11 Millionen Palästinenser weltweit zerstreut in der Diaspora leben. Ironischerweise „Diaspora“, denn dieses Wort sei „früher eigentlich ein jüdischer Ausdruck“ gewesen. Der Konflikt in Nahost, so Abdel-Hadi, „ist jetzt hundert Jahre alt, wir sind überhaupt nicht von der Stelle gekommen“.
Im Jahre 1987 hätten die „Palästinenser gedacht: jetzt reicht's!“ Die Fatah entstand, die PLO von Arafat habe gekämpft. „Doch alle Bemühungen von Arafat sind gescheitert.“
Die Palästinenser seien unter israelischer Besatzung geblieben. Oder in der Diaspora.
Palästinenser, die in Israel selbst lebten, „sind Menschen zweiter Klasse“.
Im SPIEGEL habe ein sehr bewegender Artikel eines solchen Menschen unter der Überschrift „Auf Wiedersehen Israel!“ gestanden. Abdel-Hadi: „Der hat es nicht mehr ausgehalten.“ Diese Menschen fühlten sich als Araber in Israel einfach diskriminiert.

Was in Bezug auf die Palästinenser immer ausgeklammert wird

Der Referent erinnerte daran, dass die Hamas erst habe stark werden können, weil die meisten Bemühungen der Fatah letztlich nichts änderten am Los des verzweifelten palästinensischen Volkes. Und erklärte, dass die Hamas eng im Zusammenhang mit den Muslimbrüdern stehe. Die erste Intifada kam. In Israel sei damals Jitzchak Schamir Ministerpräsident gewesen. Ausgeklammert werde, dass dieser in der britischen Besatzungszeit als Terrorist gesucht wurde.

Ausgeklammert werde in der internationalen Berichterstattung auch heute, dass der aktuelle israelischer Außenminister in einer Siedlung auf von den Palästinensern geraubtem Land lebe. Es komme niemanden in den Sinn zu fragen, ob es rechtens sei auf diesem Gebiet zu siedeln. Die Palästinenser wollte wenigstens das ihnen verbliebene Land und eine Zweistaatenlösung. Schamir habe seinerzeit die Verhandlungen mit den Palästinensern geführt und gesagt: „Lasst mich verhandeln. Ich kann mit den Palästinensern zehn Jahre verhandeln. Ohne Ergebnis.“
Es sei also geplant gewesen „zu quasseln und zu feilschen“ ohne Zugeständnisse zu machen.
Dann seien die Verhandlungen von Oslo gekommen. Mit dem Ergebnis von 1993, das ein „israelisch-palästinensisches Geschäft“ gewesen sei. Palästina, die Westbank, sei in die Zonen A, B und C eingeteilt worden.
In der Zone C etwa ist Israel in jeder Hinsicht zuständig: „Wenn ein Palästinenser ein Haus bauen will, braucht der eine Genehmigung der Israelis“.
Entscheidende Fragen seien damals ausgeklammert worden: Der Status Jerusalems, die Frage der Flüchtlinge und die Wasserfrage.
Arafat habe damals zugegeben, dass das nicht ausreichend sei, aber Hoffnungen auf weitere Verbesserungen genährt. Hakam Abdel-Hadi: „Was aber nicht geschehen ist. Im Gegenteil.“

Hamas bot Israel Waffenstillstand an

Die Lage habe sich weiter verschlechtert. Die Hamas bekam Auftrieb. „Man spricht ja auch in Deutschland von Protestwählern.“ Bei Wahlen, die auch von den USA und der EU als demokratisch und korrekt bezeichnet wurden waren, gewann seinerzeit die Hamas. Nicht zuletzt, weil das Wahlvolk enttäuscht von der Fatah gewesen sei. Nachdem die Hamas die Wahl gewonnen hatte, erkannte Israel dies nicht an. Gab Steuern, die den Palästinensern zugestanden hatte nicht mehr weiter. Israel dachte nicht daran, Hamas an der Regierung zu dulden. Das mag verständlich erscheinen, weil ja die Hamas Israel niemals anerkannte. Israel war für Boykottmaßnahmen seitens USA und EU. Es kam eine Einheitsregierung von Hamas und Fatah. Israel wollte auf keinem Fall mit Hamas reden. Was die wenigsten Leute wüssten, so Abdel-Hadi: Die Hamas hat damals Israel einen Waffenstillstand von 10 bis 15 Jahren angeboten. „Israel hätte zehn Jahre Ruhe haben können. Und wir auch.“

Man ging nicht darauf ein. Die Boykottmaßnahmen – der ganzen Welt im Grunde genommen - gingen weiter. „In Gaza arbeiten etwa 160 000 Leute beim Staat“, wob Abdel-Hadi an dieser Stelle ein. „Jeder dieser Palästinenser ernährt etwa 8 bis 9 Menschen.“ Ungefähr eine Million Menschen in Gaza wären also betroffen, wenn diese Gelder nicht fließen. Ein befreundeter Professor habe damals zu Präsident Arafat gesagt, das Geld müssten wir doch für Investitionen ausgeben. Arafat habe ihm geantwortet: „Die Leute wollen essen.“
Der Streit zwischen Fatah und Hamas gipfelte bekanntlich darin, dass die Hamas die Kontrolle über den Gaza-Streifen übernahm.

Abdel-Hadi: Kampf der Religionen kann verheerend sein

Hakam Abdel-Hadi wies daraufhin, dass inzwischen sowohl die USA als auch die EU bereit sei mit der Hamas zu sprechen.
Auf Fatah-Seite vertrete Präsident Abbas die verständliche Meinung, dass Widerstand gegen eine Übermacht wie Israel sie darstellt, keine Chance habe. Abbas sagte, das es doch das Israel wolle, dass wir uns wehren. Um uns dann als Terroristen zu bezeichnen und Krieg gegen uns zu führen, um „uns einen Kopf kürzer zu machen.“ Abbas wollte nur verhandeln.
Nach Abdel-Hadi war das aber mit Hamas nicht zu machen, denn die sei eine „ideologische Organisation mit islamischem Hintergrund.“ Hamas sage, wir sind ein islamisches Land, wie sich Israel mit der Thora darauf berufe, ein jüdisches Land zu sein. Wie soll das zusammengehen?
Der Referent erinnerte daran, wie verheerend der Kampf von Religionen haben kann. Und zwar am Beispiel Deutschlands und dem Dreißigjährigen Krieg. Man meine heute sogar, Deutschland sei damals in der Entwicklung um hundert Jahre zurückgeworfen worden.

Die Siedlungsproblematik

Die Siedlungspolitik Israels heize den Konflikt immer weiter an. Das habe einerseits religiöse Hintergründe: die meisten Siedler sind ultra-othodoxe Juden – aber auch durchaus pragmatische. Denn viele Israelis können sich teure Mieten woanders einfach nicht leisten. Und in den Siedlungsgebieten werden sie quasi von hinten und von vorn vom Staat unterstützt.
Die israelische Regierung vertrete die Siedlungspolitik auch mit dem Argument, man riskiere bei deren Abbruch innerisraelische Konflikte, sprich: Bürgerkrieg. Ein Dilemma.

Israel soll seinen Verpflichtungen als Besatzer nachkommen

Abdel-Hadi: Man höre in den Medien immer Israel werde angegriffen, es müsse sich verteidigen. Niemand sage aber Gaza werden quasi mittels der Blockade angegriffen und reagiere darauf? Weil die Wasserversorgung nicht klappt. Weil Israel seinen Verpflichtungen als Besatzungsmacht (als die es internationalem Recht zufolge nach wie vor auch in Gaza gilt, weil es die Luft, Land und die Küsten kontrolliert) nicht nachkommt.
Israel geht oft zynisch mit diesen Pflichten um. Der Berater, erzählte Abdel-Hadi in Dortmund, eines führenden israelischen Politikers habe einmal zu Besten geben: „wir wollen die Palästinenser in Gaza nicht verhungern lassen. Wir verordnen ihnen nur eine Diät.“
Hakam Abel-Hadi: „Es ist makaber.“
Seiner Meinung nach verteidigt sich Hamas gegen diese Zumutungen von israelischer Seite.

Auf die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung reagierte Israel sofort mit Ablehnung

Vor Kurzem sind die Verhandlungen zwischen Israel und Abbas auf palästinensischer Seite gescheitert. Angeblich habe sogar der US-Außenminister inoffiziell Israel die Schuld daran gegeben.
Israel siedelt ungeachtet weltweiter Proteste immer weiter.
Was den Palästinensern bleibe, „ist ein Stückchen Schweizer Käse“.
Was ist der Hinweis Israels auf Bürgerkriegsgefahren wert? Der Referent: Die Siedlungen sind ja geplant. So ist ja Israel überhaupt erst entstanden: Immer mehr, immer mehr.“
Nachdem die Verhandlungen von Abbas zum Scheitern verurteilt waren, habe er „einen mutigen Schritt getan“ und eine Einheitsregierung mit der Hamas gebildet.

Ermordung der entführten israelischen Jugendlichen als Anlass zum neuen Krieg

„Das hat Israel sofort abgelehnt. Und die Ermordung von drei entführten israelischen Jugendlichen nahm Israel zum Anlass, in der Westbank einzumarschieren. Und innerhalb von kürzester Zeit – schon eine Stunde nach Auffinden der Toten – hat Netanjahu erklärt, Hamas hat die Entführten getötet.“ Beweise dafür gebe es bislang nicht.


Israel nahm das aber zum Anlass, die palästinensische Einheitsregierung zu zerstören. Innerhalb kürzester Zeit seien eben freigelassene Hamas-Leute wieder verhaftet worden. Zeitungsredaktionen seien verwüstet worden. 500 Leute wurden festgenommen. Hamas habe durchschaut, dass Israel die Einheitsregierung zerstören will. Die Raketen gegen Israel flogen. Abel-Hadi heißt diese Schüsse auf Zivilisten nicht gut, sieht sie jedoch „als ein Akt der Verzweiflung“ an.
Die Reaktion Israels wiederum darauf findet auch das Verständnis des einst in Jenin geborenen Mannes. In ihrem mörderischen Ausmaß und aufgrund der fürchterlichen Folgen für die Menschen in Gaza nennt er sie allerdings „barbarisch“.

Antworten auf Fragen aus dem Publikum

Soweit. So schlimm. Was folgte, waren Fragen aus dem Publikum. Als eine Essenz dieser Fragen kristallisierte sich u.a. nach dem Woher der angesprochenen der in Gaza lebenden Flüchtlinge (sie stammen aus der Gegend um Jaffa herum) heraus: Hakam Abdel-Hadi nannte „das Konzept der zionistischen Bewegung, einen Juden-Staat zu errichten“ ein „falsches“. Warum? „Weil es auf die Kosten eines anderes Volkes“ ging. So sei automatisch ein Antisemitismus entstanden. „Ich kenne keinen einzigen Palästinenser, keinen einzigen Araber, der sage der Staat Israel ist rechtens.“ Allerdings, konzediert Abdel-Hadi, ja nun einmal „Israel eine Realität“. Die PLO habe einen Kompromiss gewollt und gesagt: Wir haben nur ein Land, teilen das Land. So akzeptierten sie 22 Prozent des Gebietes als ihren Staat. Doch Israel stoppte die Siedlungen nicht.

Der Schriftsteller David Grossman habe das Verhalten Israels kürzlich sehr gut in der FAZ geschildert (hier). Die israelische Regierung habe nicht nur das die Regierung erobert, sondern das israelische Volk. „Das läuft der Regierung nach.“ Letztens habe es eine Friedensdemonstration in Israel gegeben, da seien die Kriegsgegner „beinahe zerfleischt worden“.
Und Abdel-Hadi gab zu Bedenken: Ministerpräsident Netanjahu äußere zwar immer für einen palästinensischen Staat zu sein. „Doch was er macht, ist total dagegen.“
Selbst die USA und EU hätten das inzwischen realisiert.

Hamas beim Wort nehmen

Auf eine entsprechende Frage, was den die Hamas eigentlich mit ihren Aktionen bezwecke, wo sie doch wie Israel reagiere, entgegnete Abdel-Hadi: „Man muss die Hamas einbinden.“ Sie sei nun einmal ein nicht weg zu bekommende Kraft in der Region. „Das müsse wir, das müsse die ganze Welt erkennen.“ Die USA hätten das unterdessen begriffen. Und auch der deutsche Außenminister Steinmeier habe sich so geäußert. Früher seien Fehler gemacht worden. Abdel-Hadi: „Wenn man jemanden einbindet, dann reduziert er seine Forderungen.“
Wenn also die Hamas sage, ich erkenne Israel nicht an, aber einen Waffenstillstand von zehn Jahren vorschlägt und das nicht einhält, „wird Hamas von der Bevölkerung fallengelassen. Dann ist ihre Funktion entfallen.“

Sich selbst bezeichnet Hakam Abdel-Hadi seine Einstellung als laizistisch und mehr oder weniger mit Fatah sympathisierend. „Dennoch sage ich Folgendes: Wir können uns nicht ein Palästina vorstellen ohne islamische Bewegung. Wir sind nun mal Muslime. Und das ist unsere alte Kultur. Das heißt, wir müssen mit dem Islam leben.“ Und verhandeln täte man nun einmal nicht mit einem Freund, sondern mit dem Feind. Es ginge schließlich um das Überleben: „Hamas ist ein Teil der Lösung nicht nur ein Problem.“

Auf die Frage nach einer bekannten Äußerung, ob sich die Palästinenser nicht mit ihrer Situation abfinden sollten, antwortete Referent, dass sei für ihn gegen die Menschenwürde und „einfach nicht annehmbar“. Nur zwei Möglichkeiten sieht er: Zwei Staaten oder ein Staat, worin Juden und Palästinenser gleichberechtigt zusammenleben. Letzteres wollten aber die Juden nicht.

Wandel im Umgang mit Israel in Sicht

Hakam Abdel-Hadi sprach von seinem Eindruck, dass sich allmählich ein Wandel im Umgang mit Israel abzuzeichnen beginnen. Als Beispiel führte er den ehemaligen deutschen Botschafter in Israel, den Sozialdemokraten Rudolf Dreßler, an. Der habe kürzlich in einem Interview gesagt, jetzt müssten aber seitens der EU uns einer neuen Sicht der Dinge befleißigen. USA und EU müssten ihre politischen Ansätze überprüfen. Es müsse Druck auf beide Seiten ausgeübt werden, so habe Dreßler gesagt. Auch mit finanziellen Mitteln! Es entstünden neue Ideen, hat Abdel-Hadi ausgemacht.

Ein Publikum anwesender Herr kritisierte, er vermisse bei den Palästinensern ein menschliches Mitgefühl für die Belange der Israelis. In seiner Antwort verwies Abdel-Hadi daraufhin, dass sein Volk von 1948 bis 1965 keinen Widerstand geleistet habe. Versorgt sei man durch eine UN-Unterorganisation gewesen. Damit sei das palästinensische Problem vergessen gemacht worden. Der Widerstand sei letztlich notwendig geworden. Hätte Frankreich nicht Widerstand gegen die Besetzung durch Nazideutschland geleistet, wäre es vielleicht heute noch besetzt, gab Abdel-Hadi zu bedenken. Die PLO habe sich mit Verhandlungen versucht, sei jedoch durch Israel „reingelegt“ worden.

Was die Hamas will

Auch der israelische Autor Gideon Levy (schreibt für „Haaretz“) frage: „Was will die Hamas wirklich?“ (Frankfurter Rundschau). Und Levy bezeichnet diese Bedingungen als annehmbar.
Abdel-Hadis Fazit ist: „Man muss mit der Hamas sprechen!“
Für den Laizisten ist das „so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Eine eines Tages wieder erstarkende Friedensbewegung in Israel hält er früher oder später für möglich. „Das kann sich ändern.“

„Wenn Israelis sich freuen, weinen wir"

In Erinnerung hat Hakam Abdel-Hadi noch Bombardierungen im Krieg von 1948 in seiner Heimat. In der Zeit da der Staat Israel entstand. Tief verwurzelt seien die bitteren Erfahrungen wohl in jedem Palästinenser: „Wenn Israelis sich freuen, weinen wir. Wenn wir weinen, dann freuen sie sich.“ Die Geburtsstunde Israels ist für die Palästinenser die Nakba (Katastrophe).


Hakam Abdel-Hadi machte auf die Frage eines jungen Mannes hin aus seinem Herzen keine Mördergrube. Für ihn ist israelische Politik rassistisch und der Staat ein Staat der Apartheid. Es existierten seiner Kenntnis nach über 90 Gesetze in Israel, die einen rassistischen Charakter tragen.
Einmal habe er eine Palästinenserin mit israelischen Pass gefragt, ob denn ein Mädchen aus den Palästinensergebieten - das sich in einen israelischen Araber verliebe - diesen heiraten könne. Die Frau habe entgegnet: Nein.

Der Vorhang zu. Und alle Fragen offen.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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