Bessie Gräfin von Brühl ist tot

Nachruf Sie schrieb im TAXI über ihren Alltag und ihre Befindlichkeit. Und war eine hochsensible Musikerin, Autorin, Komponistin und Kabarettistin

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Es war vergangenen Sonntag gegen 22 Uhr. Ich schaute mal kurz in Facebook hinein. Und lese da die Meldung eines Fb-Freundes via TAXI: „Bessie Brühl. 8. 7. 1959 – 9. 8. 2017. Wir sind erschüttert“

Ein Schock! Vor drei Tagen war also Maria Elisabeth Annaberta Desiree Gertrud Henriette Gräfin von Brühl, wie sie in voller Länge qua Geburt hieß, von dieser Welt abgetreten. Wir kannten uns nicht persönlich. Leider! Waren uns nie über den Weg gelaufen. Gern hätt‘ ich sie mal getroffen. Ich kannte Bessie Brühl – wenn man das im weitesten Sinne überhaupt wagen kann, so auszudrücken – über ihre Kolumnen „2 Augen für die Nacht“. Welche sie regelmäßig für „TAXI Magazin für Soziales und Kultur“ (Schweiz), für das ich auch hin und wieder Beiträge verfasse, schrieb. Ich mochte ihre Kolumnen. Und verpasste keine. Sie kamen ungeschminkt daher. Nahmen sozusagen kein Blatt vor den Mund. Freilich wusste ich um den desolaten Gesamtzustand von Bessie Brühl. Aber, dass sie jetzt so plötzlich – denn keine Kunde von einer Verschlechterung ihres Zustandes war über das TAXI zu mir gedrungen – einfach fort war und es nun keine Kolumne von ihr mehr zu lesen geben würde! Vor Kurzem hatte ich noch im TAXI 149 ihr jüngste Kolumne mit dem Titel „Dr. Brinkmann, bitte kommen … Teil 13 gelesen. Ob der Redaktion noch eine weitere vorliegt ist mir nicht bekannt.

Ich unterbrach den aufgezeichneten Film, den ich im Augenblick der Todesnachricht zu schauen gerade noch im Begriff gewesen war. Bessies Tod berührte mich. Ich schaute das Video, welches sie in jüngeren Jahren und in einer wohl auch für sie insgesamt besseren Zeit (1985) mit einem

Gesangsvortrag am Klavier während einer Freiluftveranstaltung zeigte. Dann eines (von 2013), worin Bessie Brühl (wohl während ihrer Wiener Zeit) äußerlich schon stark verändert – nach einem Unfall war sie körperlich angeschlagen – aufgezeichnet ist.

Kurzbiografie von Bessie Gräfin von Brühl (via Café Concerto Wien)

„geb. 1959 als Maria Elisabeth Annaberta Desiree Gertrud Henriette Gräfin von Brühl,
keimte in einer halbadligen Künstlerfamilie mit Hang zur Dramatik.

Nach intensiven Fluchttätigkeiten ab dem 4. Lebensjahr – Arbeit als Filmkomponistin, Synchronsprecherin, Theatermusik u. Tourneen traf sie anlässlich ihrer 1. Solo-LP in Wien bei ihrem Auftritt in d. Fernseh-Sendung „Live aus dem Alabama“ den „Ostbahnkurti“ und Günther Brödl, der sie und ihren Song „Blaua Montag“ als Gast für die nächste Live-LP einlud.
Es folgten gemeinsame Tour-Auftritte und künstlerische Zusammenarbeit mit G. Brödl samt Freundschaft („Samtfreundschaft“)

Bessie Brühl blieb in Wien „bappen“, spielte und komponierte für Filme, Wiener Theater, schrieb f. d. Wiener Frauenverlag, veranstaltete die ersten „Wiener Erotikwochen“ und entdeckte ihre Liebe zur Wiener Unterwelt.
In der „Oberwelt“ wurde sie mehrmals für „Playboy“ fotografiert, welche Fotos jedoch nie erschienen, weil diverse Artdirektoren zu Tode kamen …

1992 zog sie in die Schweiz, lebte in besetzten Häusern, tourte, komponierte, spielte und schrieb – und arbeitete in der Gastronomie, als Regisseurin und Privatlehrerin.

Nach einem schweren Unfall seit 1999 wieder in ihrer Heimatstadt München, schreibt sie seltsame Kochbücher, als Ghostwriter und für Undergroundmagazine.“

Bessie Brühls Kolumnen sind erhalten und nachzulesen

Das TAXI über die Autorin:

„Bessie Gräfin von Brühl schreibt in der Kolumne regelmässig und polarisierend über ihren Alltag und ihre Befindlichkeit. Einerseits als Alkoholikerin, andererseits als hochsensible Musikerin, Autorin und Komponistin.
Die Kabarettistin, Musikerin, Autorin und Komponistin.“

Wer ihre Kolumnen nachlesen möchte, der wird hier (auf Kolumnen klicken und dann unter „2 Augen für die Nacht“ auswählen) fündig. Ich kann es nur empfehlen. Hier schon einmal einer ihrer Texte, sozusagen als Vorgeschmack. Dieser Kolume vorangesetzt schreibt Bessie Gräfin von Brühl:

ich hab den Tod gesehn. Gestern im Biergarten unter den Kastanienbäumen.

Er sass in einem roten Rollstuhl und ass spanischen Wein mit Oliven. ..“

Wir sind erschüttert“, heißt es auf dem Facebook-Eintrag vom Taximagazin. In dem „Wir“ fühle ich mich mit eingeschlossen. R.I.P., Bessie Brühl …

Hinweis: Meinen Beitrag mit weiteren Videos von Auftritten der verstorbenen Künstlerin finden Sie hier.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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