Campact : Unterschreiben für mehr Transparenz

Steinbrück und Co. Schwarz-gelbe Koalitionspolitiker verlangen, Peer Steinbrück möge betreffs seiner Nebeneinkünfte als Abgeordneter die Hosen runter lassen. Sind sie selbst dazu bereit?

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Am Montagvormittag verkündete der Moderator von Funkhaus Europa naiv, der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück habe am Sonntagabend bei Günter Jauch auf dem „Heißen Stuhl“ gesessen. Selten so gelacht! Bei Jauch? Heißer Stuhl? Vielmehr ging es doch da wohl eher um die Frage „Wer ist Millionär?“ bzw. wer ist es schon? Wie dem auch sei: Der Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück steht ziemlich unter Druck. Denn er wird, da ihn die SPD-Spitze zum Kanzlerkandidat erkor, nun plötzlich mit härteren Maßstäben gemessen. Aber auch, was den „kleinen“ Bundestagsabgeordneten Peer Steinbrück anlangt, hätte bereits früher genauer hingeschaut werden müssen. Immerhin hat sich der einstige Finanzminister der rot-grünen Bundesregierung seit 2009 etwa 80 hochdotierte Vorträge bei Banken und Wirtschaftskanzleien gehalten.

Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte unzureichend

Darüber macht sich die Öffentlichkeit zurecht Gedanken. Jedoch: Bisher lief alles nach Recht und Gesetz. Eigentlich ein Skandal. Denn die Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte der Abgeordneten ist völlig unzureichend. Die Wählerinnen und Wähler müssen nicht einmal erfahren, ob Abgeordnete für eine Leistung 7000 oder sogar 100 000 Euro abgefasst haben. Verschleiert werden kann gleichfalls, von wem und für was genau ein Politiker in letzter Konsequenz Geld erhalten hat. Deshalb geht der Rat von Linken-Fraktionsvize Ulrich Maurer via „Leipziger Volkszeitung“ in die richtige Richtung: "Steinbrück sollte nicht warten, bis die ersten Forderungen nach Veröffentlichung seiner Steuererklärungen laut werden." Und weiter sagte Maurer der LVZ: "Wir sollten im Bundestag noch in dieser Legislatur über die Einführung einer Steinbrück-Klausel im Abgeordnetengesetz abstimmen." Und der frühere SPD-Politiker mutmaßt, wer von einem Unternehmen mehrmals für einen Vortrag über 7000 Euro kassiere, "wird wohl kaum für seine Leistung bezahlt". In der Tat: da kommt rasch ein Geschmäckle auf!

Auf Augenhöhe mit Diktaturen

Überhaupt steht es in Deutschland in puncto Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung nicht zum Besten. Im Gegenteil: Noch immer sträubt sich der Bundestag, der UN-Konvention gegen Korruption beizutreten. Inzwischen wurde die immerhin von 161 Staaten ratifiziert. Damit befindet sich Deutschland bei der Abgeordnetenbestechung peinlicherweise auf selber Augenhöhe mit Diktaturen wie Saudi-Arabien, Myanmar, dem Sudan und Nordkorea.

Heuchelei

Im Falle Peer Steinbrück jaulen nun Union und FDP schrill auf, fordern laut und lauter, der SPD-Kanzlerkandidat solle die Hosen herunterlassen. Da könnte es schnell knapp werden in Sachen „Beinfreiheit“. Was jedoch CDU/CSU und FDP von Steinbrück verlangen, hat Schwarz-Gelb aber in praxi bisher stets zu verhindern gewusst: eine schärfere Veröffentlichungspflicht im Bundestag. Also ist die Forderung an Steinbrück nach Transparenz nichts als reine Heuchelei. Vielleicht haben die Schwarz-Gelben im ersten Moment, da sie sich mit Wonne und dem Glanz des Jägers in den Augen auf das sich ihnen plötzlich präsentierende politische Opfer Steinbrück stürzten, überhaupt nicht die daraus erwachsen könnenden Reaktionen bedacht?

Und holterdiepolter, so kann's geschehen:

schon kommen die Koalitionspolitiker selbst in Argumentationsnöte! Warum soll nicht für alle Abgeordneten gelten, was sie selbst von Steinbrück fordern? Das Kampagne-Netzwerk Campact begreift diesen Fall als Chance. Nun wollen sie den Bürgerinnen und Bürgern mit einer Unterschriften-Aktion deutlich machen, dass es dem Volk in einern Demokratie zusteht, auf eine Transparenzpflicht auf Heller und Pfennig bestehen. Da mag „Kavallerist“ Steinbrück auch tönen, Transparenz gäbe es nur in einer Diktatur. Wie bitte, Herr Steinbrück?

Campact kommt nun nicht ungelegen – Peer Steinbrück sei Dank! - , dass am Donnerstag in einer Woche, am 18. Oktober, die Abgeordneten im entscheidenden Bundestagsausschuss über eine schärfere Veröffentlichungspflicht verhandeln. Vor der Sitzung hoffen die Aktivisten um Christoph Bautz einen Packen mit mindestens 100 000 Unterschriften unter ihren Appell überreichen zu können. (hier der Link zum Appell für eine scharfe Transparenzpflicht)

Campact kämpft schon länger für Transparenz

Schon einmal, Anfang 2005, war Campact erfolgreich im Kampf dafür, dass die Nebeneinkünfte von Abgeordneten überhaupt veröffentlicht werden müssen. Der Fall Steinbrück unterstreicht jetzt erneut, wie dringend nötig eine weit detailliertere Veröffentlichung ist. Desweiteren findet Campact sei „die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Abgeordnetenbestechung“ dringend nötig. Schwarz-Gelb blockiert sie bislang im Bundestag. „In Europa haben alle Staaten außer Tschechien und Deutschland die Konvention aus dem Jahre 2003 ratifiziert und ihre Strafgesetzgebung angepasst; in der G20 alle außer Saudi-Arabien, Japan und Deutschland“, informiert
Campact.

Macht's Steinbrück möglich?

Am 17. Oktober, einen Tag vor der Sitzung zu den Nebeneinkünften entscheidet der Rechtsausschuss des Bundestags am 17. Oktober über die Ratifizierung der Konvention. Reicht der entstandene öffentliche Druck aus, dass die Abgeordneten der Koalition vielleicht mit Ja stimmen? Macht es Steinbrück und dessen Fall nun unfreiwillig möglich, dass auch in Deutschland endlich eine konsequente und wirksame Bekämpfung von Abgeordnetenbestechung auf allen Ebenen ermöglicht wird?

Und die Moral aus der Geschicht'?

So manches gehört in dieser unserer Demokratie auf den Prüfstand. Und so Einige aus Politik und Finanzkapital müssten endlich einmal auf einen wirklichen „Heißen Stuhl“. Der darf aber nicht von einem Günter Jauch betreut werden. Und Claqueure sollten im Studio, da der „Heiße Stuhl“ dann stünde, keinen Zutritt haben. Fazit: Betreffs unserer Abgeordneten in Bundestag und den Landtagen ob deren Nebeneinkünfte muss Transparenz eine Selbstverständlichkeit werden. Und zwar bald! Wir können nicht erst auf die Diktatur warten, die Transparenz - frei nach Steinbrück -, möglich macht. Der Fall Steinbrück, auf den die Schwarz-Gelben nun so genüßlich mit den Finger zeigen, wurde für die zum Boomerang. Ob Campact – in Form von mindestens 100 000 Unterschriften die Ernte dieses Vorgangs zum Nutzen unserer Demokratie einfahren wird, muss sich zeigen.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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