"Das Virus Demokratie? Eine Abschätzung"

Corona-Krise Kabarettist Mathias Richling hat sich mutig mit der Corona-Pandemie befasst. Es gelte die Herden-Immunität gegen unsere Demokratie zu verhindern. Ein kritisches aber auch humorvolles Buch.

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Seit gut zwei Jahren herrscht der Panikmodus und Angstmache im Land. In den Medien rauf und runter fast vierundzwanzig stundenlang werden nicht müde dergleichen zu verbreiten. So schlimm, dass ich Fernseher und Radio längst mehr ab- als einschalte.

Mit den gleichen fragwürdigen Mitteln gegen die Pandemie

Wissenschaft und Politik waren zunächst überfordert. Was jedoch unverständlich ist: nach inzwischen zwei Jahren verordnet die Politik den Menschen immer noch äußerst fragwürdige Maßnahmen. Leute verloren ihre Arbeit, Unternehmer, Laden- und Restaurantbetreiber, Künstler, Selbstständige ihre Existenzen.

Daran sei Corona schuld liest man in der Zeitung. In Wirklichkeit sind schwer nachvollziehbare staatlichen Maßnahmen dafür verantwortlich – nicht einfach das Virus. Und das durch Privatisierung und Krankenhausschließungen – schon vor Corona – geschwächt gewesene Gesundheitssystem ist nach gut zwei Jahren noch immer nicht vernünftig aufgerüstet. Die im Gesundheits- Pflegebereich arbeitenden Menschen sind weiterhin unterbezahlt und von der Anzahl her viel zu wenige.

Und die Gesellschaft ist gespalten. Was sie indes bereits lange vor Corona war. Dass der neue Bundeskanzler Olaf Scholz eine Spaltung der Gesellschaft in Abrede stellt, nimmt einen Wunder. Hat er nicht auch durch seine Mitarbeit an der Agenda 2010 einen erheblichen Anteil an der Spaltung?

Demokratie, Journalismus und Intellektuelle versagten. Kritische Zeitgenossen, Wissenschaftler und Ärzte wurden diffamiert

Die herrschende Politik verordnete fragwürdige Maßnahmen. Die Opposition versagte. Der deutsche Journalismus, die öffentlich-rechtlichen, sowie die Leit- und Konzernmedien tönten gleich und versagten ebenfalls. Die Bundesregierung verließ sich im Wesentlichen auf beratende Wissenschaftler, die zu ihrer Linie passten. Andere, seit Jahrzehnten angesehene Wissenschaftler und Ärzte, die davon abweichende Meinungen vertraten, wurden diffamiert. Auf kritische Einschätzungen Intellektueller, die sonst zu allem und jedem etwas in den Medien zu sagen hatten, wartete man vergebens. Stattdessen: dröhnendes Schweigen. Schauspielerinnen und Schauspieler wurden wegen ihrer Aktionen #allesdichtmachen sowie zusammen mit Wissenschaftlern in #allesaufdentisch ausgegrenzt und beschimpft. Im hier zu besprechenden Buch notierte Mathias Richling: „53 seriöse, ernst zu nehmende Schauspieler haben sich in Ein-Minuten-Takes ironisch und sarkastisch geäußert über die genauso dramatischen Nebenwirkungen des Dramas ‚Virus-Krise‘. Es ergossen sich Gülle-Kübel unvorstellbaren Ausmaßes über sie. Zumindest verbal wurden sie an jeder Straßenecke erschlagen.“

Blieben die Kabarettisten. Doch auch sie enttäuschten. Entweder hielten sie sich selbst mit der leisesten Kritik zurück oder umschifften das Thema. Anders die altgediente Kabarettistin Lisa Fitz. Sie wagte den Mund weit aufzumachen. Dafür erntete sie Dresche: Sie wurde nach einem Aufritt im Fernsehen von den Medien diffamiert: Sie habe falsche Todeszahlen nach COVID-Impfungen (hierzu die NachDenkSeiten) verbreitet. Ja, ein gewisse Unregelmäßigkeit, wie sie später auch zugestand. Dennoch war ihr Beitrag (der später sogar aus dem Programm und nun auch aus der Mediathek getilgt wurde) ein wichtiger.

Mathias Richling nimmt in seinem Buch kein Blatt vor den Mund

In dieser aufgewühlten Zeit muss es dem Kabarettisten, Parodisten, Schauspieler Mathias Richling hoch angerechnet werden, dass er mit einem Buch herausgekommen ist, in welchem er sich satirisch-sarkastisch mit der Corona-Krise befasst. Er, der mittlerweile fünfzig Jahre auf der Bühne und vor den Fernsehkameras steht, zeichnet diese ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen nach.

Sein Buch trägt den Titel „Das Virus Demokratie? Eine Abschätzung“. Im Kapitel 2 (S.13) schaltet Richling „Grundlegende Fakten“ vor:

(…) „dass

alles Folgende gesagt und geschrieben ist

ausschließlich auf der Basis der Informationen,

die Robert Koch-Institut,

Weltgesundheitsorganisation

und deutsche Bundesregierung

bekannt gaben und auch seit Beginn der Pandemie-Politik

bis heute ständig wiederholen.

Nämlich:

Dass 85 Prozent der Infektiösen

keine Symptome hätten.

Dass die Letalität, also das Sterberisiko derer,

die infiziert sind, je nach Nation,

zwischen 0,01 Prozent und 1,8 Prozent liege.

Dass es also bei den restlichen 15 Prozent

leichte, mittlere und schwere Ausbrüche

der Krankheit gebe.

Und das es demgemäß dramatische Verläufe

bei circa 5 Prozent der Infizierten gibt.“ (Fettung im Buch)

Zu bedenken gibt Mathias Richling auf der nächsten Seite (14) aber auch: „Aber dramatische Verläufe gibt es bei AIDS, bei Malaria, bei TBC ebenso. Deswegen ergibt sich die Frage seither für jeden, der durch die Rundum-Sorgen-Pakete der Regierung in seiner Existenz bedroht oder schon vernichtet ist, wie hoch der Wert eines Menschenlebens ist? Oder wie viel von seinem Hab und Gut oder von seiner Lebensqualität oder von seinem Leben oder seiner Freiheit oder seiner Grundrechte schlechthin man hergeben muss, damit ein anderer überlebt.“

Also da fragt man sich dann als in die Coronakrise hineingeworfener Mensch dann doch: Ist diese ganze Corona-Panik denn im vollem Umfang gerechtfertigt?

Interviews, Imitiertes und eigene Anmerkungen von Mathias Richling

Das Buch enthält eine Reihe von Interviews die mehrere Medien mit Mathias Richling geführt haben. Diese sind sehr informativ. Sie offenbaren wie Richling über die Dinge denkt. Diese Interviews sind in blauer Schrift gedruckt.

Stoßen wir dagegen auf schwarze Schrift, so lesen wir Richlings persönliche Anmerkungen.

Und wenn uns stechend roter Text zu Augen kommt, so sagt das, dass der Autor hier Charaktere imitiert.

Los geht es gleich (S.19) mit dem Veterinär-Mediziner Lothar Wieler, dem Chef des Robert Koch-Instituts (RKI). „Und so erklärt sich auch“, pikst der Satiriker treffend zu, „dass er die Deutschen in dieser Zeit sichtbar behandelt wie eine Kuhherde. Respektive wie ein Volk von Rindviechern. Auch bei Maul- und Klauenseuchen wird nicht individuell nach jedem einzelnen Tier geschaut. Es wird der ganze Bauernhof dichtgemacht. Deutschland wie einen befallenen Bauernhof ganz dichtzumachen, war immer der große Traum von Lothar Wieler. Vor allem, weil immer mehr Bürger sich nicht gegen alle Maßnahmen, wohl aber gegen die irrationalen dieser Maßnahmen mit Maul und Klauen wehren.

Achtung!

Das hat“, stellt Mathias Richling klar (S.19), „Lothar Wieler Anfang April 2020 nie gesagt. Aber so klang es.“

Mit dem Wieler in den Mund geschriebenen Text werden dessen nicht selten wirr anmutenden Auslassungen wiederum so kenntlich, dass die Leserinnen und Leser womöglich begreifen, was vielleicht der Sinn von Wieler wirklichen Auslassungen ist. Nämlich, dass es die Menschen nicht verstehen sollen. Weshalb – wie Wieler tatsächlich einmal sagte – das Gesagte nie hinterfragt werden dürfe: „Und zwar gehe ich da davon aus, dass wir etwas wissen, was wir schon lange wissen. Aber das wissen wir nur insofern schon lange, als wir es als Wissen nicht wissentlich wahrgenommen haben. Wenn ich verstehe, was ich meine.“

Mehr davon: „Deswegen empfehlen wir vom RKI sogar, den Notstands-Staat zum Dauerzustand zu machen. Um auch Viren, die es noch gar nicht gibt, keine Chance zu geben, dass sie es gibt. Wichtig bleibt – Abstand halten.

Auch zur Demokratie.

In der Summe heißt das: Die Empfehlungen von uns Virologen sind existenziell vorrangig. Es ist jetzt entscheidend, dass Menschen leben. Auch wenn sie künftig nicht wissen, wovon.“

Apropos Demokratie!

Anspielend auf den Titel des Buches stößt Richling im Kapitel 5 „Gegner ungleich Leugner“ (S.25) mit dem Zeigefinger auf d i e klaffende Wunde hernieder, auf das es ordentlich wehtue:

So war man oft schon versucht, zu fragen, ob denn das eigentliche Virus die Demokratie sei?“

Und ob man in Wahrheit die Deutschen vor diesem Virus ‚Demokratie‘ schützen müsse, damit nicht zu viele von ihm infiziert werden und damit die Inzidenz minimal gehalten wird, damit das Gemeinwesen nicht überlastet werde, wenn sich an demokratischen Werten Erkrankte in die leerstehenden Innenstädte ergießen?“ (Fettung im Buch)

Und der Rechtsstaat?

Da ist auch der Rechtsstaat nicht weit. Ich erinnere nur daran, was sich erst kürzlich zutrug: Weil sie Corona-Regeln wie jüngst 2G im Einzelhandel kippten, hat Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery (ein „Radiologlein“, was wohl Freude am Totalitären gefunden zu haben scheint) die Richter für ihre Urteile scharf kritisiert. Er habe „große Probleme“ mit dem, was sich „kleine Richterlein“ hier „anmaßten“.

Mit der Corona-Politik seien durchaus auch Teile des Rechts förmlich auf den Kopf gestellt worden. Seit den Siebzigerjahren gilt in Deutschland ein Vermummungsverbot auf allen Demonstrationen, fällt Richling ein. In Corona-Zeiten werden Menschen jedoch bestraft, wenn sie sich nicht mit einem Mundnasenschutz vermummen. Ein verstorbener Kollege von mir würde dazu sagen: Verkehrte Welt! Die Nase läuft, die Füßen riechen.

Untertanengeist, Obrigkeitshörigkeit übereifrige Funktionsträger

Mathias Richling spießt auch den neuerdings wieder fröhliche Urständ feiernden Untertanengeist samt Obrigkeitshörigkeit des deutschen Michels auf.

Richling gelingt es glänzend die Absurditäten betreffs der Corona-Maßnahmenpolitik herauszuarbeiten. Er macht deutlich, wie politische Funktionsträger bis ins Lokale hinein immer noch etwas finden, dass noch irrer ist wie das eh schon in Berlin vereinbarte und die Menschen noch ein Stück weiter kujoniert. Da will man sich offenbar gegenseitig übertreffen. In all diesem Eifer merken diese Funktionsträger offenbar gar nicht, wie sie da, wo sie meinen, das gehe durch, über Grundgesetz und Rechtsstaat fahren. Sind für sie Demokratie und Rechtsstaat plötzlich störende Vehikel?!

Wer Richling von Funk und Fernsehen oder von Bühnenauftritten über Jahre hinweg kennt, wird dessen ganz speziellen Sprachduktus beim Lesen geradezu heraushören.

Leben retten, koste es was es wolle?

Leben, so empfinden wir es in der Düsternis der Corona-Krise, soll gerettet werden. Koste es was es wolle?, muss gefragt werden. Wer nimmt die Kollateralschäden in den Fokus? Richling: „Wenn die Welthungerhilfe wie ausgeführt, vor Millionen von Hunger-Toten warnte, muss noch einmal gefragt werden, ob die alle nichts wert sind?“ (S.230)

Mathias Richling schreibt schon zuuvor: „Bei wie viel Verhungernden, bei wie viel vernichteten Existenzen ist ein Lockdown wegen einer Krankheit nicht mehr zu akzeptieren.“ Und fragt sarkastisch: „Sind 65 Prozent Pleiten von Einzelhändlern in den Innenstädten noch zu wenig?“

„Wir haben Menschen verhungern lassen, wir haben Menschen später oder zu spät zugelassen zu Operationen oder Behandlungen, damit wir andere Menschen schützen! Und wenn es nach Kant heißt, dass kein Zweck es rechtfertige, den Tod eines Menschen in Kauf zu nehmen, so ist das die Philosophie. Jedoch hat Politik mit Philosophie schon lange nichts mehr zu tun.“

Und der Autor bleibt da nicht stehen (S.229): „Wollte man bei Corona zeigen, dass man den Wert des Lebens neu und höher berechnet hat?“ Und weiter: „Aber den Wert des Lebens welcher Menschen? Haben wir eine Drei- oder Vierklassengesellschaft geschaffen, wenn wir wirtschaftliche und soziale und psychische Kosten immer höherschrauben, um nur die überleben zu lassen, die an Corona erkrankten?“

Auch der in den vergangenen zwei Jahren in gefühlt tausend Talkshows als eine Art Klabautermann aufgetretene Karl Lauterbach darf freilich in Richlings Buch nicht fehlen. Auch ihn in seinem rheinischen Dialekt hört man beim Lesen in den ihn von Richling in den Mund gelegten Worten direkt heraus: „Die einzige Chance, das Virus ‚Demonstration» einzudämmen, ist, indem wir, wie bei Corona, die Sorge der Leute schüren. Und zwar die Sorge, als Nazi eingestuft zu werden vom Verfassungsschutz. Die Mehrheit ist nicht ‚rechts‘, das gebe ich zu. Aber wenn diese Mehrheit spürt, dass wir sie einstufen als ‚rechts‘ und als radikal, dann bleiben sie bei den Demonstrationen weg und nur die Radikalen bleiben übrig.“

Brillante Parodien der politischen und anderen Spieler unserer Zeit

Richling parodiert im Buch brillant neben dem bereits hier erwähnten Herren Lauterbach und Wieler, weitere politische Spieler, wie Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble oder Winfried Kretschmann, „Die Halb-Vorsitzende“ Saskia Esken und Friedrich Merz. Auch Rudi Cernes, Donald Trump, Elon Musk, Markus Söder, Armin Laschet, Der Wendler, Baerbock und Habeck kommen vor. Da bekommt man regelrecht Spaß in die Backen, wie man im Ruhrpott zu sagen pflegt

Unbedingt zur Lektüre empfohlen

Wenngleich ich Mathias Richling auch lieber in seiner Fernsehshow sehe – weswegen mich auch seine Show auf der Theaterbühne der Ruhrfestspiele Recklinghausen vor Jahren nicht so flashte – empfehle ich hier sein Buch ausdrücklich und unbedingt. Es ist humorvoll, spitzzüngig-scharf, mutig und von nötiger Kritik durchzogen. Und zugleich eine sachliche Beschreibung der Corona-Krise. Es dürfte in den Köpfen der Leserinnen und Leser einiges anrichten und ein Nachdenken befördern. Ja, die Gesellschaft ist stark gespalten. Ich empfehle es trotzdem allen Seiten. Ein wichtiges Buch, das in unsere traurige Krisenzeit passt und gewiss darüber hinaus auch noch Beachtung wird finden können.

Denn die Folgen dieser Zeit dürften bei vielen Bevölkerungsschichten noch lange und durchaus auch schmerzlich nachwirken.

Sooft wir beim Lesen dieses Buches vielleicht auch schallend lachen werden, erinnert es doch daran, dass unser Grundgesetz und auch der Rechtsstaat durch den Panik- und Verordnungsstaat Schaden genommen haben. Was traurig und alarmierend ist. Wir werden viel reparieren müssen in Zukunft.

Mathias Richling

Das Virus Demokratie?

Eine Abschätzung

Erscheinungstermin:

11.10.2021

Seitenzahl:

256

Ausstattung:

Klappenbroschur mit zahlr. Farbfotos

Artikelnummer:

9783864893452

20,00 €

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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