Demokratiebegeisterte gesucht

Direkte Demokratie Werden die Parteien gefragt, sind viele von ihnen für direkte Demokratieformen. Doch mit der Umsetzung hapert es. Der Verein "Mehr Demokratie e.V." will nachhelfen.

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Der Verein Mehr Demokratie e. V. trommelt schon eine ganze Weile für direkte Demokratie. Nun ist dem Verein die Zeit vor den Bundestagswahlen im September gerade recht, die Bundestagskandidaten für mehr Demokratie zu begeistern. Es werden 299 Demokratiebegeisterte gesucht. So viel wie es Wahlkreise in Deutschland gibt. Die 299 Aktivisten sollen nach dem Motto “Steter Tropfen höhlt den Stein” Politiker von der Idee überzeugen. Überdies soll in 100 Wahlkreisen ein Demokratiewürfel auftauchen, um für die Sache zu werben.

Gründe um verdrossen zu ein gibt es wahrlich zuhauf. Und in so manchem Fall gelingt es einen wirklich nicht zu vermeiden in Verdrossenheit zu verfallen. Nur in einem Punkte aber wäre Verdrossenheit über die Maßen fatal zu nennen. Dann nämlich, wenn sich bei den Menschen Demokratieverdrossenheit vermehrte und Gleichgültigkeit von ihnen Besitz ergriffe. Wir alle kennen doch diese vielfach ausgesprochene Selbst-Beruhigung von Mitmenschen: Ich kann doch sowieso nichts machen. Die da oben machen ohnehin was sie wollen. Aber stimmt das denn? Der vergangene Woche verstorbene Stéphane Hessel schrieb in “Empört euch!” (S. 13): “‘Ohne mich’ ist das Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann.” Hessel hat beim Kampf in der Résistance – in schlimmeren Zeiten als heute – bewiesen, dass der Einzelne im Verein mit anderen durchaus etwas bewirken kann. Demokratieverdrossenheit sollten wir nicht hinnehmen. Weimarer Verhältnisse können wir am wenigsten gebrauchen. Wohin das führte sollte allgemein bekannt sein. Geschichte wiederholt sich nicht. Höchstens als Farce. Jedoch: Wenn Demokratie nicht gepflegt, vielmehr gelebt wird, geht sie zugrunde.

Nährboden für Demokratieverdrossenheit

Nicht nur gleichgültig sind viele Leute, sondern auch wahlmüde. Wahbeteiligungen von 50 Prozent und darunter sprechen eine deutliche Sprache. Dieses Jahr findet am 22. September die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag statt. Wie hoch wird die Wahlbeteiligung ausfallen? Die Bundestagskandidaten der Parteien werden wieder um unsere Stimmen buhlen. Und wir Wähler haben die Wahl der Qual. Das Schlimmste daran: Wir geben unsere Stimme an der Urne ab. Und zwar im wahrsten Wortsinne. Ausnahmen bestätigen zwar die Regel. Dennoch: Parteienvertreter (die nicht selten den traurigen Beweis erbrachten, den Staat – frei nach Alt-Bundespräsident von Weizsäckers Schelte- quasi als ihr Eigentum betrachten), kaum haben sie mit unserer Stimme die Macht errungen, interpretieren sie die wie es ihnen und ihrer (zahlenden Klientel) gefällt. Die Wähler haben ihre Schuldigkeit getan und können nur noch zuschauen. Aus Volksvertretern können so durchaus Volksverräter werden. Ein Nährboden für Demokratieverdrossenheit.

Politikverdrossen? Immerhin 66 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Volksabstimmungen

Aber politikverdrossen, wie man uns oft weismachen will, sind so Viele in unserem Land überhaupt nicht. Deshalb könnte sich eine Mehrheit hierzulande auch für Volksabstimmungen und die Förderung anderer politischen Partizipationmöglichkeiten erwärmen. Eine Umfrage von Infratest dimap ergab beispielsweise:

“Zwei Drittel (66 Prozent) der Deutschen wünschen sich mehr Volksabstimmungen und andere direkte Beteiligungsformen. Müssen sich die Bürger zwischen der Stärkung der direkten und der repräsentativen Demokratie entscheiden, spricht sich der Studie zufolge eine Mehrheit von 63 Prozent für den Ausbau der direkten gegenüber der repräsentativen Demokratie (34 Prozent) aus.”

Und das wäre sogar mit dem Grundgesetz (GG) in Einklang zu bringen. Im Artikel GG 20 (2) lesen wir:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … ausgeübt.“

Allerdings: Was in Landesverfassungen deutscher Bundesländer deutlicher geregelt ist und es dort in der Tat Möglichkeiten der direkte Demokratie gibt, bedürfte hinsichtlich des Grundgesetzes einer genaueren Definition sowie der Konkretisierung. Diese Änderung aber ist nur mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag zu bekommen.

299 Demokratiebegeisterte werden gesucht

Der Vereien Mehr Demokratie e.V. setzt sich aktiv für direkte Demokratie ein. Man möchte den bundesweiten Volksentscheid anregen. Mehr Demokratie konstatiert aber: Viele Parteien tönten zwar, sie wollten den bundesweiten Volksentscheid, blieb jedoch entsprechende Taten schuldig. Aber wirklich bekommen werden man ihn nur, wenn die Politik merke: “Wir lassen uns in dieser Frage nicht weiter vertrösten.” Jeder Politiker, der im September in den nächsten Bundestag gewählt werden will, müsse diese Ungeduld zu spüren bekommen. Mehr Demokratie hat sich für Methode “Steter Tropfen höhlt den Stein” entschieden. Nun werden 299 Demokratie-Begeisterte (so viele Wahlkreise hat Deutschland) gesucht. Diese sollten gegenüber den Bundestagskandidaten den bundesweiten Volksentscheid “zum brennenden Anliegen” machen. So soll es zu einem Anliegen werden, das immer wieder auftaucht.

Was zu tun wäre

In den 4 bis 5 Monaten bis zur Bundestagswahl sollen die gewonnenen Aktiven die Kandidierenden auf Parteiveranstaltungen und per E-Mail nach ihrer Meinung zum bundesweiten Volksentscheid fragen, in den Fußgängerzonen zu den Infoständen der Parteien gehen und sie auf den bundesweiten Volksentscheid ansprechen, auf den Marktplätzen Informationen verteilen und Unterschriften für den bundesweiten Volksentscheid sammeln, Leserbriefe schreiben, gemeinsame Aktionstage organisieren und sich viele kleine Aktionen ausdenken und einfach Freude daran haben, gemeinsam an einem Strang zu ziehen!

Der Demokratie-Würfel macht Station in 100 Wahlkreisen

Darüber hinaus kündigt Mehr Demokratie e.V. an mit einem Team und einem aufblasbaren Demokratie-Würfel durch das ganze Land unterwegs zu sein. In 100 Wahlkreisen will man Station machen. Mehr Demokratie: “Die Wahlkreis-Aktiven können die Tour-Termine mit vorbereiten, andere Initiativen mobilisieren oder einfach für den Tag präsent sein. Natürlich ist es ganz Ihnen selbst überlassen wie oft und auf welche Weise Sie aktiv werden.” Man wolle ein Netzwerk von mindestens 299 Aktiven aufbauen, die bis zur Bundestagswahl vor Ort im Einsatz seien sollten. Material, Tipps, Aktionsvorschlägen und Hilfestellung jeglicher Art sind gefragt. Mehr Demokratie will bei der Umsetzung der eigenen Ideen helfen: “Um gemeinsam Aktionen zu entwickeln, zu planen und sich kennenzulernen, werden wir im April dezentral Workshops organisieren”, verlautbarte Mehr Demokratie.

Ganz im Sinne des “Engagiert euch!” des verstorbenen Stéphane Hessel

Es geht also um nicht mehr, aber auch nicht weniger, der stete Tropfen zu sein, der den Stein aushöhlt. Gemeinsam mit hoffentlich 299 Demokratie-Begeisterten soll unverkennbar gemacht werden, “dass wir den bundesweiten Volksentscheid brauchen und wollen, um diese Gesellschaft mitzugestalten und mitzuverantworten. Stéphane Hessel wäre gewiss begeistert von dieser Idee. Ist das damit verbundene Tun doch zweifellos das genaue Gegenteil von Gleichgültigkeit. Und so auch im Sinne von Hessel “Empört euch!”- Nachfolger “Engagiert euch!”.

Interessierte sollen sich per E-Mail oder Telefon bei “Mehr Demokratie e.V.” melden

Wer Lust hat “endlich gemeinsam etwas zu verändern”, weil es einen eben nicht genügt “alle 4 Jahre sein Kreuzchen zu setzen” – seine Stimme abzugeben, um der dann verdrossen nachzuschauen, weil sie oft zweckentfremdet Verwendung findet – möge sich, so regt Mehr Demokratie an, per E-Mail: wahlkreis@mehr-demokratie.de melden oder diese Nummer anrufen: 0711 – 509 1012 .

Direkte Demokratie kann die repräsentative Demokratie ergänzen

Mehr Demokratie könnte richtig liegen: Die direkte Demokratie wird sicherlich nie die repräsentative Demokratie ersetzen, aber hier und da wohltuend ergänzen können. Und auf diese Weise gelänge es gewiss die Demokratie insgesamt wieder neu zu befruchten. Was im Übrigen dringend überfällig ist. Angewendete Formen direkter Demokratie könnten probate Mittel gegen Demokratieverdrossenheit sein. Was jedoch für die Bürgerinnen und Bürger auch bedeutete, unmittelbar Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen zu übernehmen. Zuvor hieße das aber, sich von der Geißel Gleichgültigkeit zu verabschieden. Frei nach Immanuel Kant “Sapere aude!”: habe den Mut dich des eigenen Verstandes zu bedienen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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