Die USA gehören auf die Couch

Massaker Ein US-Neonazi tötete in einem Sikh-Tempel im US-Bundesstaat Wisconsin sechs Menschen. US-Präsident Obama rät seinen Landsleuten nun in sich zu gehen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Bestürzung und Trauer nach dem von einem US-Army-Ex-Soldaten angerichtetem Blutbad in einem Sikh-Tempel in Oak Creek (Wisconsin/USA) sind groß. Sechs Tote forderte das Wüten des Täters. Dieser wurde nach einem Schusswechsel mit der Polizei selbst getötet. Schon wieder ein Massaker. Das letzte in einem US-Kino ist noch mit Schrecken in aller Munde. Inzwischen ist offenbar klar: Der Täter kam aus der US-Neonazi-Szene. Sein Hass auf ethnische Minderheiten war durchaus bekannt. Diesbezüglich an erster Stelle standen für den Mörder wohl Muslime. Irgendwo fand man inzwischen Material von ihm, das auf seine Gründe für den Hass auf Muslime hinweist: Der 9/11-Anschlag in New York. Die Täter waren Muslime. Die jahrelange Hetze der US-Regierung unter George W. Bush befeuerten diesen Hass auf Muslime weltweit. Gewiss auch beim US-Army-Veteran, dem Mörder von Oak Creek. Durch Bush und Konsorten wurde der Islam quasi zum neuen Bösewicht in der Welt aufgebaut. Dem neuen Feind. Wo der Kommunismus als Feind abhanden gekommen war. Offenbar hielt der rassistische Mörder die Sikhs, weil sie lange Bärte zu tragen pflegen, für Muslime. Man könnte versucht sein, zu schreiben: typisches Schwarz-Weiß-Denken eines fehl- bzw. uninformierten US-Bürgers.

Der als Täter identifizierte Wade Page hatte Verbindungen zur rechten Szene. CNN veröffentlichte am Montagabend ein Facebook-Foto, das den Schützen vor einem Hakenkreuz-Banner zeigt. Medienberichten zufolge, war Page Mitglied einer Neonazi-Punk-Band. Vertreter der Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center sagte gegenüber der „New York Times“, sie hätten Page schon seit rund zehn Jahren wegen Verbindungen zur rassistischen Szene auf dem Schirm gehabt.

Unterdessen bestätigte die Polizei, dass Page früher Soldat war und dann 1998 - offenbar nach einer Reihe von Verstößen - entlassen wurde. Dennoch - so informierte heute Funkhaus Europa – war es für Page überhaupt kein Problem kurz vor der Tat Waffe und Munition (seine Hosentaschen sollen voller Munition gewesen sein) in einem offiziellen Waffengeschäft zu erwerben. So weit, so schlecht.

Wir im „Alten Europa“ schütteln einmal mehr mit dem Kopf. Aber, werden die meisten von uns womöglich bestürzt aber resigniert sagen: Die Amis mit ihren bescheuerten Waffentick! Was bei uns – nicht weniger dämlich – unser Autotick ist („freie Fahrt für freie Bürger!“) sind eben dem Ami seine Waffen. In Wisconsin, hört man, sind die Waffengesetze besonders lax. Meine Mutter – Gott hab sie selig! - sagte immer: So was kommt von sowas.

US-Präsident Barack Obama - immerhin Friedensnobelpreisträger, der inzwischen auf feige Drohnenkriege setzt und das Gefangenenlager Guantanamo noch immer nicht geschlossen hat - rief die US-Bürger indessen dazu auf, in sich zu gehen und nach Möglichkeiten zur Gewalteindämmung im Land zu suchen. Tatsächlich, das hat er gesagt, der gute Obama! In sich gehen, sollen die Menschen einmal. Auf was werden sie da wohl stoßen? Abgründe müsste sie dort eigentlich vorfinden. Verdammt tiefe. Obama selbst will Vertreter der Strafverfolgungsbehörden, Gemeinde- und religiöse Führer sowie Politiker auf allen Ebenen zusammenbringen, „um zu sehen, wie wir weitere Fortschritte machen können“. „Schreckliche, tragische Vorfälle“, wie es Obama nannte, wie der im US-Staat Wisconsin passierten zu oft. Weshalb man nach zusätzlichen Wegen zur Verringerung von Gewalt suchen müssen.

Gut gebrüllt, Salon-Löwe Obama! Man nimmt es dem Manne durchaus ab, es ehrlich damit zu meinen. Allein Barack Obama ist dem Druck der mächtige US-Waffenlobby und dem der unverbesserlichen Waffennarren der Nation Rifle Association ausgeliefert. Wetten, dass das nächste Massaker nicht lange auf sich warten lässt? Und die mehr oder weniger laxen US-Waffengesetze werden auch bleiben. Gegen die mächtige Nation, bzw. mit derem Segen Rifle Association ist bisher noch kein US-Amerikaner Präsident geworden.

Barack Obamas Aufruf an seine Landsleute, in sich zu gehen und nach Möglichkeiten zur Gewalteindämmung im Land zu suchen, würde ich ihm sogar noch empfehlen um eine „Kleinigkeit“ zu erweitern. Nämlich würde es dann heißen: ...nach Möglichkeiten zur Gewalteindämmung im Land und der Welt zu suchen. Kluge US-Bürger könnten womöglich nach reiflichem Nachdenken bemerken, dass zwischen Gewalttaten im Land und der Welt gewisse Zusammenhänge bestehen. Wenn man selbst nun einmal in sich geht, sucht und nachdenkt, fallen einem ab dem Jahr 1945 einige „Gewalttaten“ der USA ein, die vermeidbar gewesen wären. Gewalttaten, die den Frieden in der Welt nicht gerade stabilisierten – um es euphemistisch ausdrücken. Demokratie brachten diese Gewalttaten auch nicht. Allerdings laufen nach jeder dieser US-Taten immer mehr kaputte US-Veteranen herum, die entweder körperlich und geistlich zer- bzw. gestört sind, oder aber – schlimmer: so schwer traumatisiert sind, dass sie als frei herumlaufende tickende Zeitbomben anzusehen sind.

Als geht mal schön in euch, liebe US-Amerikaner! Eigentlich – das meine ich nicht böse – ist die ganze US-Nation ein Fall für den Psychiater. Übrigens gibt es Psychiater, die Länder ähnlich einzelen Personen zu analysieren vermögen. Es gilt ja in den USA ohnehin als schick, sich auf die Couch zu legen. Also warum nicht? Die Therapie – sage ich als Küchenpsychologe – wird Zeit brauchen. Viel Zeit. Ein Beispiel – auch das ist nicht böse gemeint – ist die Türkei. Mehr oder weniger leiden viele Menschen dort unbewusst am Trauma, das der Untergang des Osmanischen Reiches in der Seele der Türken hinterlassen hat. Von Phantomschmerzen betreffs der verlorenen Glieder zu sprechen, ist bestimmt nicht falsch. Also zu beneiden sind die US-Amerikaner nicht. Auch ihr Imperium dürfte in wenigen Jahrzehnten hinüber sein. Aber jetzt schon mal anfangen in sich zu gehen, kann nicht schaden. Da hat Obama recht.

Übrigens: Nicht einmal beim Abkommen über den internationalen Waffenhandel konnte man sich in Washington einigen. Also, Mr. President, ist das doch alles Wahlkampf? Wer eine Mail an Obama richtet, mit dem Wunsche, den Waffenhandel einzuschränken, erhielt einen lieben Brief:

July 31, 2012

Dear Friend:

Thank you for writing. As President, it is my privilege to hear from Americans like you who take time to offer their perspective on the serious issues facing our Nation. I appreciate your message and value your input.

From putting Americans back to work to expanding access to medical care, my Administration continues to take bold action to do what is right for our Nation. We have enacted the most comprehensive financial reforms in decades, rescued and helped retool our auto industry, expanded student aid to millions of young people, helped level the playing field for working women, and made the largest investment in clean energy in our history. Because of the courageous acts of our service members, we have been able to end the war in Iraq and take down Osama bin Laden. We have also made historic commitments to provide for our troops as they return home. Securing our country’s future will take time, but I will not stop working to rebuild the kind of America where everyone gets a fair shot, everyone does their fair share, and everyone plays by the same rules.

I am always eager to hear ideas that will help our country adapt to changing times and lead us toward a brighter day. The enduring American spirit is revealed in the letters I receive, and I remain dedicated to ensuring it is reflected in our efforts to improve the lives of all Americans.

Thank you, again, for sharing your views. I encourage you to explore www.WhiteHouse.gov to learn more about the ways we are moving America forward.

Sincerely,

Barack Obama


Noch Fragen? Vorwärts und nicht Vergessen! Und schön in euch gehen!

Sincerely,

ansansörpress35


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden