"Es wird gezündelt, dass es nur so kracht"

Ukraine Minsk II beginnt zart zu wirken. Doch die USA provozieren mit Soldaten und Tanks im Baltikum. Droht ein europäisches Schlachtfeld? Willi Wimmer am Telefon. Ein Kommentar

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„Trotz der diplomatischen Krise wegen des Krieges in der Ostukraine verlegen die USA 3000 Soldaten für ein Manöver ins Baltikum. Fast 750 Fahrzeuge sowie militärische Ausrüstung sind nach Angaben des Pentagon bereits per Schiff in der lettischen Hauptstadt Riga eingetroffen.

Der Kreml wird es wohl als Provokation werten“, schätzt n-tv ein. Als was sonst, frage ich?

Willy Wimmer (CDU): Es „wird gezündelt, dass es nur so kracht“

Folgender Text erreichte die KenFM-Redaktion vor ein paar Tagen: „Die USA werden Waffen liefern und wissen, dass sie damit Krieg auslösen.“ Absender dieser privaten Kurznachricht an Ken Jebsen war Willy Wimmer (CDU), Abgeordneter des Deutschen Bundestages von 1976 bis 2009 und ehemaliger Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Helmut Kohl. Darüber hinaus war Wimmer in der Zeit des Jugoslawienkriegs als Vizepräsident der OSZE tätig. Nun also wissen wir: Nicht nur Waffen und militärische Ausrüstung wurden geliefert, sondern auch 3000 Soldaten ins Baltikum. Eine Entwicklung, die einen Vorlauf hat und im Rahmen geostrategischer Interessen voranschreitet. Es „wird gezündelt, dass es nur so kracht“, so Willy Wimmer dazu. Siebzig Jahre nach Ende des Zeiten Weltkrieges herrsche offenbar „Kriegsbereitschaft“ auf Seiten der USA und Großbritanniens, gegenüber dem einstigen Alliierten im Kampf gegen Hitlerdeutschland, dem aus der Sowjetunion hervorgegangenem Russland. Das Zündeln jener westlichen Mächte richte sich diametral gegen „unsere Interessen“, so Wimmer. Er spricht auch die Sanktionen gegen Russland an und bemerkt, dass Handel und Wandel mit Russland und zu uns kommende russische Skifahrer entgegen dem Frieden dienen. Zweifellos schaden die gegen Russland verhängten Sanktionen und die das bewusste Abreißenlassen von immer mehr Gesprächsfäden zu Moskau in erster Linie Europa, nicht Washington. Willy Wimmer: „Europa fliegt uns um die Ohren.“ Jahrelang habe man eine gute Erfahrung mit demselben Putin gehabt, der jetzt vor allem seitens der „Nato-Presse“ (O-Ton Wimmer) tagtäglich dämonisiert und als Monster dargestellt wird.

Als Möglichkeit die Lage zu entspannen sieht Wimmer betrachtet die Fortsetzung der Minsk-II-Bemühungen. Man müsse den Rest europäischen Gedankenguts bewahren. Im Telefongespräch mit Willy Wimmer spricht Ken Jebsen an, was uns wirklich bestürzen muss: nämlich die nicht genug zu beklagenden Tatsache, dass binnen weniger Monate die Früchte jahrelanger hoch engagierter Ostpolitik der Regierung Willy Brandts vernichtet werden.

TTIP ein „transatlantisches Freibeuterabkommen“

Besorgt äußert sich Wimmer im Verlaufe des Telefonats auch betreffs des Falls, dass das „transatlantische Freibeuterabkommen“ zustande käme. Gemeint ist TTIP. Dem sogenannten „Freihandelsabkommen“ dass ein qua Parteibuch unter „Sozialdemokrat“ firmierender Sigmar Gabriel seinen Genossinnen und Genossen und nicht zuletzt uns Bürgern schön zu lügen versucht. (dazu Jens Berger „Will Sigmar Gabriel uns für dumm verkaufen?“; Quelle: NachDenkSeiten). Was auf immer mehr Kritik stößt. Unlängst verpasste man dem SPD-Wirtschaftsminister einen Namenszusatz: Sigmar „TTIP“ Gabriel. Zu befürchten stehe, dass wir von der „parlamentarischen Demokratie abgekoppelt werden“, um zu einer „Anwaltsherrschaft“ umgemodelt würden. Es ginge darum, „dass wir nicht zu einem europäischen Schlachtfeld“ und auch keinem „Kolonialgebiet“ würden.

Ein „deutsches Verhängnis“

Wimmers Kritik richtet sich gegen gewisse Reden und das Handeln des Bundespräsidenten Joachim Gauck und der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Tenor: Gerade Personen, die aus DDR kämen und persönlich am meisten von der Wiedervereinigung profitierten, verantworteten nun eine Politik, die gewiss nicht nur Wimmer nicht für unverantwortlich halten.

Darf in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden: Haben bestimmte Organe in Washington etwa belastende Akten aus DDR-Zeiten, respektive des Ministeriums für Staatssicherheit, mit deren Hilfe Merkel oder Gauck bei der transatlantischen Stange gehalten werden können? Ich erinnere mich an Leute wie Joschka Fischer, der einst vollmundig kritisch zum Antrittsbesuch nach Washington reiste und „entschärft“ wieder nach Berlin zurückkehrte. Oder Rudolf Scharping. Den ließ das Pentacon samt Wagen hart auflaufen. Man wird ja noch fragen dürfen.

Wobei man ja im Falle Merkels differenzieren muss: Sie sucht ja immerhin eine gewissen Verständigung mit Moskau. Doch, dass die derzeitige Bundesregierung so gefährlich von der auf Entspannung mit dem Osten orientierten Politik von Brandt, Schmidt und Kohl abgewichen sind, nannte Willy Wimmer „ein deutsches Verhängnis“.

Wir müssen uns einmischen

Wie also dem neuen Kalten Krieg als einem Vorläufer eines möglichen heißen, gar Atomkrieges, begegnen. Wimmer rät : Die Deutschen sollen sich Gedanken machen, was in den letzten hundert Jahren in Deutschland und Mitteleuropa an Verhängnis passiert ist. Und uns fragen: Was veranlasst uns nach 25 Jahren einer Politik des gegenseitigen Auskommens uns so gegen die Russen in Stellung bringen zu lassen? Des Weiteren regt der Christdemokrat an, die vielen Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Warum also nur auf die „Nato-Presse“ setzen?

Da liegt der Mann richtig, meine ich! Wir können heute nicht nur Empfänger, sondern auch Sender sein. Uns einmischen. Selbst recherchieren. Eigene Artikel verfassen. Mir fällt da spontan auch Tommy Hansens bereits gestartetes Projekt, das Magazin free21 ein. Aber es gibt unterdessen viele alternative Medien. Diese zu finden und zu nutzen ist gewiss eine gewisser zeitlichen Aufwand nötig und setzt den unbedingten Antrieb voraus, die Veröffentlichungen der Mainstream- und „Nato-Presse“ gründlich zu hinterfragen. Nicht zuletzt bedarf es dazu eines gesunden Menschenverstandes wie des Zweifels am Wahrheitsgehalt alles Gedruckten und Versendeten. Auch um von Fall zu Fall zum Differenzieren in der Lage zu sein. Willy Wimmer beklagt, dass es bei der Berichterstattung der Mainstreammedien, respektive in der „Nato-Presse“ eine große Linie gebe. Die Rezipienten müssten sich doch fragen, warum das so ist. Wimmer: „Auch den Zweifel zulassen“, müsse man. (Hören Sie das Telefongespräch von Ken Jebsen mit Willy Wimmer unbedingt auf Youtube nach!)

Dazu: „Es ist Talent nötig zum Zweifeln, aber es ist schlechterdings kein Talent nötig zum Verzweifeln.“, Søren Aabye Kierkegaard. Oder: „Der Zweifel ist wichtiger als die Überzeugung.“ (Sir Peter Ustinov)

Für Verständigung oder zum Schlachtfeld werden

Für mich stellt sich schlicht die Frage: „Wollen wir uns für uns für Verständigung, Frieden und Handel und Wandel auch im Falle Russland, eines unverzichtbaren Partners für Deutschland (übrigens seit 150 Jahren und selbst in Sowjetzeit verlässlichen Partner) einsetzen, oder hier in Europa wirklich wieder einmal zum Schlachtfeld werden?

Es geht hier nicht darum einen Alarmismus das Wort zu reden. Machen wir uns nichts vor: Die Lage ist sehr ernst. Dass die USA nun 3000 Soldaten für ein Manöver und militärisches Material ins Baltikum schickt ist nun wahrlich kein Schritt, der die Lage entspannt. Rundheraus: Das nichts anderes als eine US-amerikanische Provokation erster Güte. Möge Russland besonnen bleiben.

Was reitet uns, den Westen – erst recht Deutschland! - eigentlich diese verhängnisvolle Politik der Konfrontation mitzutragen? Verhängnisvoll ist zudem und wirkliches nur als einzigesTrauerspiel zu bezeichnen, dass uns momentan in Europa Politiker vom Schlage eines Olof Palme, Bruno Kreisky, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher und nicht zuletzt auch Helmut Kohls schmerzlich abgehen. Ihnen folgte u.a. ein Joseph Fischer, der einen Krieg mit deutscher Beteiligung wieder ermöglichte. Der derzeitige europäische Regierungspersonal lässt jedenfalls bei mir große Befürchtungen derart aufkommen, wir könnten uns wieder einmal in einen europäischen Krieg hinein schlafwandeln lassen. Hineinziehen lassen vielmehr, von unserem „Partner“ USA und deren Pudel in London.

Sind wir wirklich so blöd, dass uns die Schweine beißen?

Vor einem Jahr stellte Dirk Müller fest „Wir sind so blöd daß uns die Schweine beissen.“ (Quelle: Youtube) Wirklich?

Wie weit will es der Westen, vieler seiner ständig lauthals postulierter hehren Werte längst entkleidet, denn eigentlich noch treiben? Und wer wird dem Treiben ein Ende setzen?

Nicht zuletzt Washington will letztlich Putin Kopf. Und dann weiter gegen Peking? In der deutschen Presse kommen wenige Stimmen der Vernunft zu Worte. Das wurde mal wieder am Sonntag bei Günther Jauch deutlich. Matthias Platzek einmal ausgenommen. Sich das mit dem Sturz Putins aus dem Kopf zu Schlagen rät Ulrich Jörges vom Stern und spricht Klartext: „Holt Putin zurück!“. Denn wer weiß schon, was nach ihm kommt.

Obsiegt bald die Vernunft? Es sieht nicht danach aus. Es rollen US-Panzer. Es marschieren Soldaten. Vorerst ins Baltikum ...

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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