Euro im Eimer?

Eurokrise Heiner Flassbeck, Chefökonom der UNCTAD, empfiehlt die Trennung der Euro-Partner. Begründung: Falsche politischen Reaktion auf die Krise. Besonders seitens der BRD.

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Die Euro-Krise scheint sich immer mehr zu verschärfen. Richtiger: Sie wird sehenden Auges verschärft. Politiker wie der betreffs seines Ressorts völlig ahnungslos wirkende oder nur von Klientelinteressen geleitete Wirtschaftsminister Philipp Rösler betreiben die Beschädigung der Eurozone, ja im Grunde des Projektes Europa, in einer Form, die Demokraten und wahre Europäer nur mit Abscheu erfüllen kann. Dabei ist besonders das Griechenbashing erschreckend. Rösler hätte dafür eigentlich längst aus dem Amte entlassen werden müssen. Den durch dessen Schwadronieren vom möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro schadet er dem gesamten Projekt EU.

Von “rechtskonservativen Dummköpfen”

Albrecht Müller, einer der Herausgeber der NachDenkSeiten, nannte noch noch andere Kandidaten von Stamme Rösler. Müller, wie viele von uns kennen ja unsere Pappenheimer: „Die rechtskonservativen Dummköpfe vom Schlage Söder, Dobrindt, Carsten Schneider usw. und auch Schäuble und Merkel und ihre publizistischen Helfer werden dann erst recht Aggressionen schüren, um die Schuldigen weiter im Ausland zu suchen und innenpolitisch bei der nächsten Wahl zu überleben.“

Heiner Flassbeck hat Hoffnung auf wirtschaftspolitische Vernunft auf der deutschen Seite verloren

Müller ging gestern auf einen Text von Heiner Flassbeck (früherer Finanzstaatssekretär Oskar Lafontaines unter Rot-Grün, Chefökonom der UNCTAD) ein. Darin erläutert Heiner Flassbeck, warum er die Hoffnung auf die wirtschaftspolitische Vernunft der deutschen Seite verloren und deshalb die Scheidung der Euro-Partner empfiehlt. Das verschreckt zunächst. Schließlich ist Flassbeck kein Antieuropäer und auch kein Gegner des Euro. Allerdings predigt er schon lange, warum er in der jetzigen Form nicht auf Dauer funktionieren kann. Nun ist Flassbeck angesichts ewig falscher politischer Konzepte wohl gewissermaßen die Hutschnur geplatzt. Er hat die Hoffnung verloren, dass das von der deutschen Regierung durchgesetzte und weiter geforderte „irrsinnige wirtschaftspolitische Programm“ noch korrigiert werden könnte.

Albrecht Müller: Hält Folgen der Trennung für schlimm

Albrecht Müller sieht offenbar nicht ganz so schwarz wie Heiner Flassbeck, doch gibt zu, „dass Flassbecks Einschätzung wahrscheinlich die realistischere ist“. Müller hält die Folgen der Trennung ich für so schlimm, dass er „anders als Heiner Flassbeck darauf setze, dass die Vernunft doch noch einmal zurückkommt. Möge sie zurückkommen, die Vernunft!

Eingangs seines Textes „Trennt euch! (Wirtschaft und Markt, September 2012; via NachDenkSeiten) schreibt Heiner Flassbeck:

„Kennen Sie das auch? Man trifft auf Paare, wo man schon nach fünf Minuten weiß, dass sich da zwei Menschen miteinander quälen, die sich nichts mehr zu sagen haben und auch sonst geistig längst getrennte Wege gehen. Dennoch schaffen sie es nicht, sich und dem anderen genau das einzugestehen. Würden Sie es tun, hätten vielleicht beide noch einmal eine neue Chance auf ein bisschen Glück. Auch könnten sie bis an ihr Lebensende gute Freunde bleiben und die Jahre des Gegeneinanderlebens vergessen. Aber nein, allzu oft gelingt das nicht, weil das Ende mit Schrecken doch so schrecklich erscheint, dass der Schrecken ohne Ende vorgezogen wird.

So ist das mit dem Euro. Stellen wir uns vor, eines Freitags würde eine europäische Gipfelkonferenz einberufen und am Sonntag Abend verkündete man der überraschten Weltöffentlichkeit, dass man sich darauf geeinigt hat, in Zukunft in aller Freundschaft getrennte Wege zu gehen. Man werde am Montag die Grenzen für alle größeren Geldüberweisungen so lange schließen und die Warenströme einschränken bis es allen Ländern gelungen sei, die Einführung einer nationalen Währung technisch sauber vorzubereiten, auch wenn das mehrere Monate dauern könne. Man habe sich auch schon auf neue Wechselkurse und andere Umstellungsmodalitäten geeinigt und auf diese Weise dafür gesorgt, dass nach der Rückeinführung nationaler Währungen alle Länder gleiche Chancen auf dem Weltmarkt hätten, was natürlich bedeutete, dass die neue D-Mark gegenüber den anderen Währungen kräftig aufwerten müsse. Alle Politiker hätten sich in die Hand versprochen, die Hetz- und Hämeattacken gegen Nachbarländer sofort einzustellen und zu prüfen, wie weit eine Zusammenarbeit in Zukunft im Rahmen der EU noch möglich und sinnvoll sei, ohne dass es zu neuen Ausschreitungen dieser Art kommt.

Machen wir uns nichts vor. Es hat nicht sein sollen. Der Euro war eigentlich eine gute Idee, nur zu wenige haben es verstanden. Normale nationale Wirtschaftspolitiker können einfach nicht internationale Währungsunion und die europäischen Verantwortlichen sind an ihrer eigenen Wirtschaftsideologie gescheitert. Im Kern aber ist dieser Versuch, ein solch anspruchsvolles System in Europa aufzubauen, an der Unfähigkeit der Ökonomen gescheitert, ihr eigenes Fach zu verstehen. Bis in die höchste Spitze der Europäischen Zentralbank hinein – die ersten beiden Chefvolkswirte, Otmar Issing und Jürgen Stark, verantwortlich immerhin von den ersten Tagen bis 2011, waren zudem Deutsche – haben Ökonomen gesessen, die nie verstanden haben, wozu eine Währungsunion gut ist und welche Art von Politik sie von den Einzelstaaten verlangt.“

Bitte, sehr geehrte Leserinnen und Leser nehmen Sie Heiner Flassbecks Beitrag in Gänze zur Kenntnis. Es lohnt sich. Wenngleich es einen dabei auch zuweilen bitter ankommt. Aber beschreibt Flassbeck nicht die Realität? Und wo wäre Besserung in Sicht? Hier geht es zum Text.

Der Glaube an die Rückkehr der Vernunft wird schwächer

Nur glaube niemand, dass die von Flassbeck vorgeschlagene Trennung mit einem Schlage alle Probleme lösen würde. Erhöhte Arbeitslosigkeit und vermehrte Armut träfe gewiss auch Deutschland. Deutschland, das EU-Land, welches aufgrund einer bornierten Politik nicht wenig Schuld an der Misere trägt. Deutschland, das unter seinen Verhältnissen gelebt hat, während die Südländer über ihre Verhältnisse lebten und sich verschulden musste, um dem stolzen Exportweltmeister Deutschland dessen im Niedriglohnsektor produzierten Waren abkaufen zu können. Harten Zeiten brächen an. Heiner Flassbeck: „Wenn der Exportjunkie von der Spritze genommen wird, bleibt zunächst kein Stein auf dem anderen. Die gesamte politische Elite wird abtreten müssen, um dahin zu kommen.“

Euro – Alles im Eimer, also? Hoffen wir mit Albrecht Müller, dass die Vernunft doch noch zurückkehrt und Flassbecks Szenario nicht notwendig würde. Aber der Glaube daran, das fürchte ich als überzeugter Europäer zu, wird täglich schwächer.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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