Für eine "Theologie des Lebens"

Kirche und Tiere Ein Kirchentag "Mensch & Tier" fand in Dortmund statt. Contra Massentierhaltung. Pro Tierschutz. Kritik: Die Kirche tut (noch) zu wenig dafür.

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Haben Tiere eine Seele? Der evangelische Pfarrer Friedrich Laker der Lydia-Gemeinde in Dortmund dürfte der festen Überzeugung sein, dass dem so ist. Das bundesdeutsche Tierschutzgesetz, heißt es zur Erklärung auf Wikipedia, sei zum Zweck erlassen worden „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen”. Um die Kirche im Dorf zu lassen: Was tut sie eigentlich dafür - für unsere Mitgeschöpfe?

Pfarrer Friedrich Laker: Die Kirche vernachlässigt die Tiere

Friedlich Laker gab es diesbezüglich bei seinem „Verein“ offenbar – und das ist wohl noch sehr euphemistisch ausgedrückt – nicht allzu viel zu entdecken. Laker wirft der Kirche vor, zu wenig für den Tierschutz zu tun.

Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte der Theologe Laker: „In der kirchlichen Lehre würden Tiere meist nur als Nutztiere für den Menschen und selten als Wesen mit eigenem Wert angesehen.“

„Die Kirche habe in den 80er Jahren zwar die Bewahrung der Schöpfung als Aufgabe entdeckt, die Tiere aber weiterhin vernachlässigt, kritisierte Laker gegenüber dem Portal „evangelisch.de“. "Es gab da keine Tradition innerhalb der Kirche."

Bewusstsein für ein neues Menschen- und Weltbild“ wächst

In seinem Kommentar für „dieKirche“ (Druckausgabe) übte Laker ebenfalls Kritik. Jedoch konzediert er auch mit einem inzwischen auch öffentlich geschärften Blick auf Tiere als Mitgeschöpfe, das „Bewusstsein für ein neues Menschen- und Weltbild“ wachse. Das geschieht gewiss auch im Wissen um die gestiegene Massentierhaltung und dem nicht artgerechten Ausbau von Schlachthofgiganten.

Für den Gottesdienst gilt: „Tiere müssen draußen bleiben!“, aber „kein Gemeindefest“ kommt „ohne Bratwurst, kein Martinsfest ohne Gans“ aus

Pfarrer Laker kritisiert, im Umgang mit Tieren sei „vielfach Überheblichkeit, Ignoranz und ein längst überholtes Menschenbild“ zu konstatieren. Was nicht zuletzt auch der Institution Kirche anzukreiden ist. Die, so Friedrich Laker, habe den Tieren schon früh die Seele abgesprochen. Wen man von menschlicher Verantwortung rede, ende die „vielfach vor Tierställen und Schlachthöfen“. Für den Gottesdienst gelte: „Tiere müssen draußen bleiben!“. Dagegen komme „kein Gemeindefest ohne Bratwurst, kein Martinsfest ohne Gans“ aus.

Längst nicht ausgemacht, dass der Mensch „Die Krone der Schöpfung“ ist

Tiere scheinen also ein blinder Fleck in der christlichen Religion und ihrer Moral zu sein. Fast singulär der „Ausnahmetheologe Albert Schweitzer“ habe ganz anders auf Tiere geblickt. Und diesen emphatischen Blick auch im Umgang mit ihnen gelebt. Schweitzer hatte sich u.a. auch mit Tieren und Tierschutz befasst.

Friedrich Laker schreibt an Schweitzer angelehnt, dass „längst nicht ausgemacht sei, ob der Mensch Die Krone der Schöpfung sei. Der Dortmunder Pfarrer gibt zu bedenken, die Schöpfung sei nicht auf den Menschen angewiesen. Benötigt werde längst eine „Theologie des Lebens“, die anstelle einer Theologie des Menschen treten müsse.

Harte Kritik an den Zuständen und ein engagiertes Plädoyer für mehr Mitgefühl mit den Tieren

Um gehört zu werden bedarf es mitunter knackiger Worte, die ungeschönt ein Bild von der Wirklichkeit zeichnen. Nur so kann es womöglich gelingen, alte Denkmuster zu hinterfragen. Und bestenfalls aufzubrechen. So nimmt denn auch Friedrich Laker in seinem Kommentar für das Kirchenzeitung kein Blatt vor den Mund. Indem er betreffs des Umgangs mit unseren im Gesetzestext als „Mitgeschöpfe“ bezeichneten Tieren gegenüber von „Vergewaltigung des Lebens“, der „Verhöhnung der Schöpfung“ und der „Ignoranz der Kirche“ gegenüber unseren „Mitgeschöpfen“, den Tieren.

Aus der zunächst hart tönenden Kirchen-Kritik, spricht ein engagiertes Plädoyer für mehr Mitgefühl mit den Tieren, ergeben sich mindestens diese Fragen: „Kann man mit Tieren machen was man will? Haben sie eine Würde oder eine Seele?“

Zweiter „Kirchentag für Mensch und Tier“ in Dortmund

Pfarrer Lakers Handeln kann man getrost mit dem Satz „Tiere haben eine Seele“ überschreiben. Erstmals 2010 unternahm es Friedrich Laker einen Kirchentag „Mensch und Tier“ ins Werk zu setzen. Staub wirbelte dabei ein Gottesdienst unter Einbeziehung von Tieren auf. Hunde, Katzen, Vögel, Mäuse und auch eine Ratte kamen – wie Friedrich Laker kürzlich im WDR-Lokalfernsehen erzählte - mit den Menschen, die sie als Gefährten erkoren hatten, ins Kirchenschiff. Ein weibliches Gemeindemitglied erinnerte daran, dass damals aus dem Kirchenvorstand nicht nur Kritik sondern zunächst auch Ablehnung geäußert wurde. Doch der Kirchentag fand statt. Stieß auf Zustimmung.

Ambitioniertes Kirchentagsprogramm

Vom 22. bis zum 24. August fand nun der zweiter Kirchentag „Mensch und Tier“ in und um die Dortmunder Pauluskirche auf der Schützenstraße statt. Mit einem ambitionierten Programm. Nämlich einer Kulturveranstaltung mit Konzerten (Auftaktkonzert mit der Band EXTRABREIT), Kunst rund um das Tier und die Beziehung von Mensch und Tier (Kunstausstellungvon und mit den Künstlerinnen Heike Fischer und Verena Schuh) sowie eine Podiumsdiskussion über industrielle (Massen-)Tierhaltung und mögliche Alternativen mit Vertretern aus Politik, Tierschutz, Kirche und Wirtschaft. Im Kirchgarten informierten Tierschützer über ihre Arbeit. Es wurden vegane und vegetarische Erzeugnisse angeboten. Ein Stand bot vegetarische Speisen, Kuchen und Torten an.

Nina Hagen wegen Peta-Unterstützung ausgeladen

Für Kritik im Vorfeld des Kirchentages für „Mensch und Tier“ hatte die Absage des geplanten Auftritts der Musikerin Nina Hagen seitens der Veranstalter „wegen Hagens Unterstützung der Tierschutzorganisation Peta“ gesorgt: "Peta ist innerhalb der Tierschutzszene umstritten, weil sie den Fokus auf provokante Aktionen legen", erklärte Pfarrer Laker.

Der prominente Kirchenkritiker, Psychoanalytiker und Schriftsteller Eugen Drewermann als ein Höhepunkt

Als ein Höhepunkt gab es am Freitagabend ein Vortrag des prominenten Kirchenkritikers, Psychoanalytikers und Schriftstellers Eugen Drewermann zum Thema "Ich bin Leben inmitten von Leben, das leben will" (Albert Schweitzer). Mein Bericht darüber hier in Kürze.

Gottesdienst für Mensch und Tier

Für den Sonntag war abermals ein „Gottesdienst für Mensch & Tier“ geplant.

Der kleine, aber feine Kirchentag drehte sich ausschließlich rund um den Tierschutz.

Er war nicht nur eine Protestveranstaltung gegen die industrielle (Massen)-Tierhaltung, sondern auch ein Fest des Tierschutzes in Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein Dortmund und anderen Initiativen und Organisationen. Und last but not least ein weiterer kultureller Höhepunkt an diesem Wochenausgang nicht nur in der Paulus-Kulturkirche, sondern darüber hinaus auch der Stadt Dortmund. Haben Tiere ein Seele? Diese Frage dürften viele Besucher des Kirchentages in Dortmund für sich wohl mit einem Ja beantwortet haben.



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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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