Hoffest auf dem Dortmunder Schultenhof

Inklusion Der Dortmunder Schultenhof, betrieben von der Arbeiterwohlfahrt, gibt behinderten Menschen sinnvolle Arbeit. Die Bio-Produkte finden großen Anklang bei den Menschen

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Seit Frühjahr 1999 wird auf einem ehemaligen Bauernhof in Dortmund-Renninghausen nach biologischen Kriterien mit behinderten Menschen Getreide, Kartoffeln und Freilandgemüse angebaut.

Darüber hinaus unterhält man dort Stallungen für Mastschweine. Zum Hof gehört eine Freiland-Hühnerhaltung, sowie ein Gewächshaus für den Anbau von Feingemüse. Es gibt eine Hofmetzgerei, ein Bio-Bistro und einen Hofladen, der u.a. Produkte aus eigener Hofproduktion zum Verkauf anbietet. Der einst vom Verfall bedrohte Schultenhof wurde von der Stadt Dortmund gekauft, die vorhandenen Gebäude restauriert und um Stallungen ergänzt. Eine Photovoltaikanlage sorgt für die nötige Elektroenergie. Für Menschen mit Behinderungen wurde auf dem Schultenhof ein Wohnheim errichtet. Der Schultenhof wird von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betrieben. Seine Lage könnte besser nicht gewählt sein: Die Einrichtung liegt nämlich gewissermaßen inmitten der Stadt und zugleich in Nachbarschaft des Naturschutzgebietes Bolmke. Der Schultenhof ist verkehrstechnisch gut zu erreichen. Spaziergänger und Radfahrer kommen tagtäglich vorbei. Schulkinder machen gemeinsam mit ihren Lehrern Exkursionen dorthin und erfahren als Stadtkinder viel über biologische Landwirtschaft, Ackerbau und Viehzucht, sowie zu Themen des Umweltschutzes. Gestern hatte der Schultenhof zum obligatorischen Hoffest eingeladen.

Ferkel im Schlamm und große Kinderaugen

Bei noch einmal herrlichen, fast sommerlich zu nennenden Wetter, strömten in der Zeit von 11 bis 18 Uhr tausenden Besucher zum Hoffest des Schultenhofes. Zu erleben gab es jede Menge. Großes Interesse, natürlich vor allem bei den jüngsten Besuchern des Festes, erweckten sicherlich auch diesmal wieder deren Besuch bei den landwirtschaftlichen Nutztieres des Schultenhofes. Alt und jung drängte sich vor dem Außenbereich der Schweinezucht, wo sich etliche Ferkel im Schlamm herumtollten oder gerade mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt waren. Nicht wenige Kinder standen an, um die braunen Kühe zu streicheln. Oder machten große Augen als sie die wegen der von ihnen benötigten Ruhe etwas vom Trubel entfernt vom festlichen Treiben auf einer Grasfläche hinter den Ställen untergebrachten, neugierig schnuppernd übers Gatter äugenden Pferde gewahrten.

Bio-Produkte und Spaß an der Pumpe

An diversen Verkaufsständen konnten die Besucher Bio-Produkte, wie italienisches Olivenöl, italienische und einheimische Weiß- und Rotweine, Bio-Honig probieren und auch käuflich erwerben. Andere Hofbesucher stärkten sich zur Mittagszeit mit Bratwurst und Kartoffelsalat und anderen Produkten direkt aus der Schultenhof-Produktion. Im Bio-Bistro hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mühe die zahlreichen Gäste mit Speis und Trank zu versorgen. Draußen vergnügten sich derweil viele Kinder beim Spiel im Sand, auf der Rutsche, oder an der nahezu unablässig betätigten Wasserpumpe, deren Schwengel von Kinderhand zu Kinderhand weitergeben wurde. Damit es dabei gerecht zuging, bedurfte es nur wenig Schlichtung seitens der Erwachsenen. Viele Eltern suchten und fanden derweil bei Kuchen, Bratwurst, Bio-Getränken oder einem Bio-Bier einer bekannten Brauerei aus Münster verdiente Entspannung von der Arbeitswoche.

Unter den Mitmachaktionen war diesmal das Kuhfladenbingo originellster Höhepunkt

Weitere Besuchermagnete waren auch dieses Jahr wieder die beliebten Mitmachaktionen. Sie fanden unweit der Hofgärtnerei und auf dem Ackerflächen statt. Hoch her ging es den ganzen Tag über beim Ponyreiten, Treckerfahren, Stockbrotbacken, auf der Strohkletterburg, beim Pflügen wie in alten Zeiten, dem Hufeisenwerfen und auch beim Torwandschießen zu. Die wohl dieses Jahr originellste Idee war das Kuhfladenbingo. Die Teilnehmer mussten sich beim Loserwerb entscheiden, auf welches Feld wohl die dann später hinzu getriebene Kuh ihren Fladen setzen würde.

Schulband „JUMP“ und Musical „König der Löwen“

Wie jedes Jahr stand auf dem an Facetten reichen Hoffestprogramm auch jede Menge Live-Musik . Heuer wartete der Veranstalter auch mit einem integrativen Theaterprojekt der Lebenshilfe Gelsenkirchen auf. Das kleine Musical basierte auf dem Inhalt von „König der Löwen“. Die Beteiligten hatte sich dazu eine ganz eigene Fassung ausgedacht und mithilfe von rührigen Ehrenamtlichen eingeübt und gestern mit Erfolg auf dem Schultenhof aufgeführt (siehe Foto). Bemerkenswert ob ihrer musikalisch-sängerischen Qualität auch der Auftritt von „JUMP“, einer äußerst engagiert von Lehrern betreuten, altbewährten Schulband der nahegelegenen Gesamtschule Brünninghausen.

ALL INKLUSIVE“, Sirtaki inbegriffen

Auch der Act des Bandprojekts der Constantin-Werkstätten in Bochum, „ALL INKLUSIVE“, sorgte für ausufernde Stimmung. Dass die Laien-Band, wie dessen Sänger unumwunden zugab, bei Vertragsabschluss für zweimal eine halbe Stunde Spielzeit gar nicht genügend Songs drauf hatte, man deshalb rasch noch welche einüben musste, deren Texte nun zuweilen vom Blatt abgelesen und Gedächtnislücken manches Mal durch ein La-la-la gefüllt werden mussten, tat dem Genuss dieses Programmteils keinen Abbruch. Im Gegenteil: Als „Dimi“, ein griechisch-stämmiger Musiker vom „ALL INKLUSIVE“-Sänger auf die Bühne geholt wurde, ging die Post erst richtig ab. Auf die Frage was er denn spielen sollte, antwortete man ihm: „Sirtaki oder so was.“ Und das tat Dimi dann auch. Nachdem schon zuvor der Bandleader von

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Schultenhof-Mitarbeiterinnen singen begeistert mit dem Sänger von ALL INKLUSIVE.

„ALL INKLUSIVE“ vor der Bühne zusammen mit begeisterten Schultenhof-Mitarbeiterinnen zusammen „Marmor, Stein und Eisen bricht…“ gesungen hatte, bildete sich nun auch spontan – von Dimi ordentlich auf Trab gebracht – aus ihnen und einigen Zuschauern sogleich eine von der Musik angesteckte Sirtaki-Formation (siehe Foto). Wirklich gelebte Inklusion! Sonst betreffs der täglichen Arbeit, am vergangenen Sonntag bei Spiel und Spaß. Inklusion, wie sie für den Schultenhof sowieso – und zwar voom Anfang seines Bestehens an – ganz normal ist. Dimi variierte den Stil immer wieder. Begeisterte sogar mit einer deutsch tönende Variante des griechischen Volkstanzes. Der Sänger rief entschlossen in die Menge: „Tanzen wir die Krise einfach weg!“ Tosender, zustimmender, Applaus.

Fazit

Das diesjährige Schultenhof-Fest gelang auch dieses Jahr grandios. Dank vieler Freiwilliger, ehrenamtlichen und natürlich bei der Dortmunder AWO angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem spielte das Wetter mit. Tausende Dortmunder und Besucher auch von außerhalb hatten einen schönen Tag und jede Menge Spaß. Das Schultenhof-Fest machten ein weiteres Mal deutlich, welch wichtige gesellschaftliche Bedeutung Einrichtungen wie z.B. die AWO nicht nur für die Integration von behinderten Mitmenschen hat. Auf dem Schultenhof leisten sie im Rahmen ihrer ganz persönlichen Möglichkeiten eine wichtige und vor allem: nützliche Arbeit, jenseits von irgendwelchen bloßen Beschäftigungstherapien, für die Gesellschaft. Sie erfahren, dass sie gebraucht und geliebt werden. Auch dafür erfuhren sie gestern Dank und Anerkennung. Institutionen wie der Dortmunder Schultenhof stellen für die Gesellschaft das dar, was heute in „neudeutsch“ gern als Win-Win-Situation bezeichnet wird. Für die Stadt Dortmund ist der Schultenhof wahrlich ein Pfund mit dem in der Öffentlichkeit ohne dabei rot zu werden gewuchert werden darf.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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