Irak-Tribunal von einsamem Rufer aus der Wüste gefordert

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Der frühere Bundestagsabgeordnete der CDU Jürgen Todenhöfer ist soetwas wie ein einsamer Rufer in der Wüste. Jeweils höchstpersönlich hat er sich mehrmals nach Afghanistan und in den Irak begeben. In Länder, in welche sich die USA- später unter Hineinziehung westlicher Verbündeter - "begeben" hatten, um vorgeblich Frieden und Demokratie dorthin zu bringen. Inzwischen wissen wir: Der Afghanistan-Krieg ist längst gescheitert. Das Land selbst weiter dennje von einem Frieden entfernt. Von wirklicher Demokratie sowieso. Dieser Tage erinnerte Michail Gorbatschow daran, dasses für die USA und ihre Alliierten eigentlich nur eine Alternative geben können, um dem Desaster zu entfliehen: Raus aus Afghanistan. Gorbatschow schöpft bei diesem gut gemeinten Ratschlag reichlich aus eigener Erfahrung. Russische Militärs warnten die US-Amerikaner bereits zu Beginn von deren afghanischem "Abenteuer" vor der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens...

Im Irak ist die Lage nicht viel besser. Zudem hat es dort wie eben auch im Afghanistan schwere Menschenrechtsverletzungen gegeben. Die von Wikileaks ins Netz gestellten Dokumente belegen es. Verwundern kann das Ausmaß der dort begangenen Verbrechen kaum. Jedenfalls diejenigen unter uns werden darüber nicht überrascht gewesen sein, welche sich die vergangenen Jahr immer auch jenseits der Mainstream-Medien über die Geschehnisse im Irak informierten.

Jürgen Todenhöfer war mehrfach im Irak und hat eigene Recherchen betrieben. Dessen Ergebnissen zufolge könnte die Zahl der im Irak zu Tode gekommenen Zivilisten - darunter Frauen, Kinder und Alte - über die Hunderttausend hinaus gehen. Die Hinterbliebenen können darüber Auskunft geben. Doch oftmals schwiegen sie, so Todenhöfer diese Woche im Gespräch mit Funkhaus Europa. Kein Wunder: müssen die Menschen doch befürchten, später von US-Todesschwadronen oder irakischen Milizen ermordet zu werden.

Das CDU-Mitglied Todenhöfer ist alles andere als ein Verschwörungstheoretiker. Er hat ernstzunehmende Hinweise auf diese Schreckenstaten. Die westlichen Botschaften in Bagdat haben wenig bis gar keine Informationen über die eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Irak, die entweder mit Duldung der US-Army bzw. sogar unter deren eigenen Beteiligung geschähen. Die Diplomaten verschanzten sich, so Todenhöfer, in der Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt hinter dicken und hohen Mauern, geschützt von Schiess- und Wachtürmen. Auch der westliche Presse gelänge es nicht in genügendem Maße, eigne gründliche Recherchen durchzuführen: denn es ist ihnen in vielen Fällen oft gar nicht erlaubt in bestimmte Zonen ins Innere des Iraks zu reisen. Beziehungsweise sei das Risiko - so Todenhöfer im Radio-Gespräch - dabei ohnehin sehr groß, dabei schwer verletzt zu werden oder ga sein Leben dabei zu verlieren.

Jürgen Todenhöfer selbst hatte seiner Auskunft nach ein irakisches Kamerateam angeheuert und beauftragt, Opfer bzw. Hinterbliebene von Menschenrechtsverletzungen zu befragen. Das Team kam zwar zurück. Es war jedoch brutal zusammengeschlagen worden. Die Kameraausrüstung wurde zerstört.

Der Westen hat in Afghanistan wie im Irak längst sein Gesicht verloren. Angeblich wollte man diesen Ländern Frieden und Demokratie bringen. Dass dabei dermaßen viele Menschenrechtsverletzungen geschehen sind, macht den Westen auf lange Zeit hinaus unglaubwürdig. Eine jedwede Vorbildfunktion geht so zum Teufel. Jedenfalls solange der Westen die von ihm selbst aufgestellten und mühevoll erkämpften Werte in puncto Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten selbst erheblich mit Füssen tritt.

Jürgen Todenhöfer fordert jetzt betreffs des Irak, die dort begangenen Menschenrechtsverletzungen genaustens aufzuarbeiten. Und er hat recht: Dies ist der einzige mögliche Weg, dem Westen wieder zu einer einst auf internationalem Parkett innegehabten Glaubwürdigkeit zurück zu verhelfen. Deshalb und in diesem Sinn ist auch Todenhöfers Aufruf zur Einrichtung eines Internationalen Irak-Tribunals vollauf beizupflichten.

Indes: Es steht zu befürchten, dass Todenhöfer weiterhin ein einsamer Rufer in der Wüste bleiben und dessen richtige Forderung nicht viel mehr als ein frommer Wunsch sein dürfte. Die Medien berichteten nur spärlich über Todenhöfers Aufruf zur Schaffung eines Internationalen Irak-Tribunals.

Von den USA selbst dürfen wir wohl ebenfalls kaum Interesse an der Aufklärung der eignen Untaten bzw. über die stille Duldung der Gewalt von irakischen Milizen bzw. des Militäs oder der Polizei seitens US-amerikanischer Stellen erwarten. In den USA selbst hat Präsident Obama bekanntlich momentan ganz andere elementare Probleme. Übrigens ist uns allen gründlich bekannt, dass die USA ohnehin immer schon rasch einen Riegel vorzuschieben wusste, wenn es um die Ahndung von US-Amerikaner im Ausland begangenen Kriegs- und anderen Verbrechen ging. Deshalb bleiben dessen Täter oder stille Mittäter auch juristisch nahezu unangreifbar. Man wird in Washington seine "guten" Gründe dafür haben...

Nichtsdestotrotz ist und bleibt Jürgen Todenhöfers Forderung nach Einrichtung eines Internationen Irak-Tribunals richtig. Eigentlich müsste die Europäische Union zusammen mit den Vereinten Nationen nun mit gutem Beispiel vorangehen und alles dafür tun, dass es zur Installierung des Tribunals kommt. Doch zu glauben, dass dies tatsächlich auch geschehen wird, hieße wohl auch fest an den Weihnachtsmann zu glauben. Und aus dem Alter sind die meisten von uns sicherlich längst heraus...

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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