Konstantin Wecker sehr wohl identifizierbar

Totschlagargumente Konstantin Wecker singt seit Jahrzehnten gegen Unrecht, Faschismus und Krieg an. Jedem gefällt das nicht. Aber ihm mit Fallschirmjägern zu drohen, das geht zu weit.

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Der Liedermacher Konstantin Wecker hält nichts von Waffen aller Art. Nun las Wecker kürzlich – so schrieb er seinen Facebook-Freunden -, “von Waffenfans aller Art” und “dass es doch die Menschen seien, die Mensch töten und nicht die Waffen”. Man kennt derlei Herausredungen. Es sind – wie passend – Totschlagargumente naiver Art. Ein anderes lautet (und dürfte sogar Befürworter unter Gewerkschaften der betreffenden Branche finden): Wenn wir diese Rüstungsprodukte nicht herstellen, dann bauen sie eben andere. Schnell wird dann meist noch ein weiteres Totschlagargument nachgeschoben: Arbeitsplätze! Wecker las weiter: “Wenn es keine Gewehre gäbe, gingen die Menschen eben mit Knüppeln aufeinander los.” Mancheiner dürfte an dieser Stelle erschöpfte oder auch ein wenig beschämt aufgeben. Sich den Totschlagargumenten ergeben. Welch “vernünftiger” Mensch könnte schon wollen, dass Arbeitsplätze vernichtet werden? Und wäre es den Toten nicht egal, durch was sie vom Leben zum Tode befördert wurden? Und so ein Knüppelschlag könnte womöglich nicht richtig sitzen. Dann vielleicht schon lieber…

Apropos Knüppel

Auf einer Kundgebung zur Rettung eines Wuppertaler Theaters vor einiger Zeit sagte der Schauspieler Armin Rohde sinngemäß: Wenn der Sozial- und Kulturkahlschlag, zu dem die deutschen Kommunen wegen Einnahmeproblemen und neoliberaler Politik seitens der Bundesregierung mangels entsprechender Finanzmittel quasi gezwungen seien, könnte es in den Städten dazu kommen, dass das absoltute Chaos ausbricht. Dass wütende Horden von hoffungslos gemachten Menschen marodierende und brandschatzend durch die Straßen zögen und sich gegenseitig mit Knüppeln erschlügen. Verständlich: Welcher Hartz-IVler kann sich schon ein Schießprügel einer bekannten Maschinengewehrschmiede leisten? Die Polizei dürfte auf derlei indessen eingerichtet und besser ausgestattet sein wie die von der Finanzdiktatur zu Habenichtsen gemachten Menschen im Abgrund unserer Gesellschaft. Das walte Hugo! Und wenn nicht, dann gibt es ja noch die Bundeswehr. – Möge der Krug an uns vorbeigehen!

Konstantin Wecker meint, das Folgende könnte in einem Werbeprospekt einer bekannten deutschen Waffenschmiede stehen:

“Ja glaubt ihr denn allen Ernstes, dass Hitler und seine Schergen es geschafft hätten, mit Holzknüppeln 80 Millionen Menschen im zweiten Weltkrieg umzubringen???
Millionen Tote im Vietnamkrieg, darunter 2 Millionen Zivilisten – mit Holzknüppeln und Fäusten?
Und wieviel leichter ist es doch einen Menschen aus der Ferne oder aus der Luft zu töten, als ihm gegenüber zu stehen.
Heckler & Koch sind immer wieder ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Zuletzt im März 2012, als das Unternehmen im Verdacht stand, Beamte in Mexiko bestochen zu haben.(TAZ)
Millionen von Toten sind zu beklagen – zu Tode gekommen durch Waffen dieses Unternehmens. Einzig zur Verteidigung Deutschlands und der Demokratie?”

Das Fallschirmjägerbataillion 313 werde sich um Konstantin Wecker “kümmern”

Konstantin Wecker ist pazifistisch eingestellt. Man weiß das. Und nicht jedem gefällt diese Einstellung. Muss sie auch nicht. Zumal in einer Demokratie. Auch Wecker muss damit leben. Auch wenn ihm das nicht gefallen kann. Seit Jahrzehnten singt der Liedermacher gegen Unrecht, Dummheit, Krieg und Faschismus an. Und weiß: Ändern kann er wenig bis nichts. Mit Reaktionen auf sein Wirken muss er rechnen. Auch mit Ablehnung und sogar Hass. Aber ihm drohen, wie er weiter ausführt, dass sich das Fallschirmjägerbataillion 313 um ihn “kümmern werde”? Dass geht eindeutig zu weit!

Wecker kannte “den Verein” nicht und hat sich “mal schlau gemacht”. Ich tat es dem Liedermacher nach. Auf der Webseite vom Fallschirmjägerbataillon 313 werden dessen Aufgaben u.a. so beschrieben: “Operationen gegen irreguläre Kräfte, der Schwerpunkt im Aufgabenspektrum des Bataillons, meint den Einsatz gegen einen nicht klar identifizierbaren Gegner. Oftmals werden diese Kräfte aus als Terroristen, Guerillas oder Partisanen bezeichnet. Diese kämpfen verdeckt und halten sich regelmäßig nicht an das Völkerrecht. Einsätze gegen diese Kräfte erfordern eine Vielzahl militärischen Fähigkeiten, die weit über den rein infanteristischen Einsatz hinausgehen. Dem eigentlichen Einsatz geht eine oft monatelange Aufklärungsoperation voraus.
Operationen gegen irreguläre Kräfte werden mit der Zielsetzung geführt, dem Gegner die mögliche Unterstützung durch sein Umfeld zu entzeihen, ihn zu isolieren und so künftige Handlungen zu unterbinden.”

Aha, ach so! Wecker dazu:

“Also wie es scheint bin ich ein nicht klar identifizierbarer Gegner?
Ich mach es meinen Gegnern einfacher: ich bin bekennender Pazifist, Utopist und Poet und versuche alles mir mögliche zu tun um diese Welt weniger mörderisch und gewalttätig zu machen. Mit den mir zu Verfügung stehenden Mitteln.
Hoffentlich bin ich nun nun ein identifizierbarer Gegner und das Fallschirmjägerbataillion 313 beendet seine Operationen vor meiner Haustür.
Nach wie vor ist unser kleines Land in der Ranking-Liste der cleversten und gierigsten Waffenverkäufer auf Platz 3.
Und das alles – ich wiederhole mich – nur zur Verteidigung des Vaterlandes.
So ein Vaterland muss eben schon auch mal in Mexiko verteidigt werden….”

“Soldaten sind Mörder”

Konstantin Wecker schickt noch das Zitat eines anderen Pazifisten, nämlich des Publizisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky, hinterher. Das vielleicht Viele nur in der verkürzten Form “Soldaten sind Mörder” kennen werden. Es entstammt der Glosse “Der bewachte Kriegsschauplatz”. Sie wurde von Tucholsky 1931 in der Zeitschrift “Die Weltbühne” veröffentlicht. Und zwar unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel. Darin heisst es:

„Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.” Kurt Tucholsky starb 1935 im schwedischen Exil an einer Überdosis Schlaftabletten. Er litt unter zunehmender Schlaflosigkeit.

Schlag-Worte

Ja, als Pazifist wurde und wird man mehr oder weniger auch heute noch hasserfüllt mit Schmutz beworfen. Oder als Feind des Vaterlands beschimpft. Als potentieller Verräter gar benamt. Auswüchse dieser Un-Art sprossen in allen bisherigen “Deutschlands”. Und sie sind offensichtlich nicht auszurotten. Ob die geistig wohl wenig belichteten Finsterlinge, die nun dem Liedermacher Konstantin Wecker ankündigten, das Fallschirmjägerbataillion 313 werde sich um ihn kümmern, nun in selbigen dienen oder dienten, oder als Außenstehnde “nur” damit drohten, weiß niemand. Wären es jedoch tatsächlich “Insider”, also Angehörige oder Ex-Kameraden des Batallions – was sich meiner Kenntnis entzieht – müsste sich die Bundeswehr einmal mehr fragen lassen, welcher Geist in manchem ihrer Truppenteile zuweilen weht und wie dem zu begegnen wäre. Mir fallen da gewisse, etwas zurückliegende Vorgänge des im Geheimen und quasi ohne parlamententarische Kontrolle operierenden Kommandos Spezialkräfte (KSK) ein. Etwa die mutmaßliche Misshandlung des einstigen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz (hier ) durch KSK-Soldaten im afghanischen Bagram ein. Über einen weiterer KSK- Skandal wird hier berichtet. Da wurde der kritische Offizier Jürgen Rose attackiert.

Anomyme Drohungen, wie sie Konstantin Wecker offenbar erhalten hat, sind m.E. kein Kavalliersdelikt. Eine demokratische Gesellschaft sollte derlei nicht ohne Widerspruch hinnehmen und sich um die Schmierfinken kümmern. Von ihnen anonym gegen Wecker oder wen auch sonst noch geschleuderte Drohungen sind als feige Schläge missbrauchte Worte: Schlag-Worte. Sie sollen im Wortsinne denjenigen schlagen, an die sie gerichtet wurden. Gefährlich. Denn daraus können Schläge ganz anderer Sorte werden. Kurt Tucholsky hat die daraus erwachsene Stimmungs- und Scharfmacherei gegen Demokraten, Sozialisten und Pazifisten in der Weimarer Republik erlebt. Worin das gipfelte, davon singt die Geschichte ein bitter Lied…

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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