Maischberger mal anders

Eurokrise Ist es schon ein Lob wert, wenn es in einer Talkshow mal ums Wesentliche geht? Erlebt bei "Menschen bei Maischberger". Nach viel Kritik von mir nun einmal ein "Löbchen".

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Ich habe Sandra Maischberger in den vergangenen Jahren nicht zu knapp kritisiert. Zu einseitig waren mir ihre Fragen. Zu unkritisch. Manches Mal erschienen die mir einfach zu naiv formuliert. Gar ablenkend vom Kern der Problematik, von den zu besprechenden Ursachen etwa der Krise und den dafür Verantwortlichen. Obgleich vielleicht nicht alles Zufall gewesen sein mochte, oder dem Unvermögen der Moderatorin zugeschrieben werden konnte. Zu tendenziös regierungsfreundlich, zu sehr ins neoliberalen Schema (qui bono?) passten die Fragen. Die dementsprechenden „richtigen“ Antworten wurden von dazu passenden Lobbyisten und Politikern entsprechender Färbung gegeben. Sowieso: Maischbergers Fragen waren mir nicht bohrend genug, da, wo es dringend notwendig gewesen wäre. Mein Blutdruck stieg deshalb oft an. Ich stellte auf Schnappatmung um. Das ein oder andere Mal schaltete ich auch angesäuert ab. Nicht selten wünschte ich mir, dass Sandra Maischberger und die anderen Verweser diverser deutscher Talkshows, ihre Gäste aus Politik und Wirtschaft wenigstens mindenstens so hart und unnachgiebig befragten, wie das etwa Armin Wolf in der österreichischen ZIB2 mit seinen Studiogästen tut. Doch, um es mit den Worten des grandiosen Kabarettisten Georg Schramm auszudrücken blieben Wünsche dieser Art weitgehend unerfüllt: „Diese Politfiguren dürfen dann in den öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren. Und wenn bei der intellektuellen Notdurft noch was nachtröpfelt, dann können sie sich bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unter das Volk mischen." Was natürlich auch für „Menschen bei Maischberger“ gilt. Auch dort tröpfelte es manches Mal, dass es einem zuweilen stank.

Euroland abgebrannt?

Nun komme ich jedoch nicht darum herum, die gestrige Sendung von Sandra Maischberger mit einem Lob zu versehen. „Euroland ist abgebrannt: Comeback der Nationen?“ war deren Titel. Und zu Gast bei Sandra Maischberger waren der Unternehmer Frank Stronach, der ehemaligen Linken-Parteichef und jetztige Linksfraktionschef im Saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine, Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin, FDP-Europaabgeordneter Jorgo Chatzimarkakis sowie Grünen-Europaabgeordnete Franziska Brantner.

Nun ja: Ein wenig zog ich zunächst die am Vormittag noch vom Friseur gestutzten Augenbrauen hoch und setzte im Geiste ein Fragezeichen und gleich vorsichtshalber noch ein gleich darauf folgendes Ausrufezeichen hinter den Namen Thilo Sarrazin, den bekannt-berüchtigten Hobby-“Genetiker“. Jedoch bestätigten sich die schlimmsten Befürchtungen betreffs dieses verkniffenen Herrn nicht. Nun gut: Sehen wir einmal von dessen merkwürdigen Nord-Süd-Theorie ab. Wonach die Menschen im Norden Europas der Kälte im Winter wegen fleißiger vorsorgen und diese deshalb auch sonst die fleißigeren Europäer sind. Während die Menschen in den Südländern halt eher einen auf Dolce Vita machen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Sarrazin sprach im Wesentlichen als Ökonom. Und wenngleich er den Euro auch für gescheitert hält, sagte der Mann doch einige vernünftige Sachen im Sinne volkswirtschaftlichen Handelns. Und stimmte diesbezüglich darin manches Mal sogar mit seinem Nachbarn in der Runde, Oskar Lafontaine, überein.

Diesem blieben sonst dies sonst üblichen Störsignale und Wortabschneidungen durch Moderatorin Sandra Maischberger erspart. Es wurde in der Sendung sogar erwähnt und nicht einmal verhöhnt, wie früher sooft, dass Oskar Lafontaine mehrfach nun längst in praxi zu besichtigende Mallaisen, herrührend aus falschen politschen Entscheidungen und Entwicklungen vorausgesagt hatte. Was die Kosten der Deutschen Einheit oder die Fehlkonstruktion des Euro (Stichwort: wirtschaftliche und soziale Ungleichgewichte) anbelangt.

Der österreichische Milliardär Frank Stronach, welcher erst jüngst in Österreich eine neue Partei namens „Team Stronach“ gegründet hat, konnte einige interessante Aspekte in die Diskussion einbringen. Aber auch diesbezüglich ist Oskar Lafontaine betreffs Stronachs Gedankenkonstrukten Recht zu geben. Stronach sprach und spricht immer aus der Sicht der Wirtschaft, respektive: der Betriebswirtschaft. Doch ein Staat ist nun einmal kein Wirtschaftsunternehmen. Er kann auch nie so geführt werden. Auch kann und wird kein Staat je wie ein Privathaushalt („Schwäbische Hausfrau“) oder wie ein Wirtschaftsbetrieb funktionieren. Demnach wird ein Staat auch nie vollkommen ohne Schulden zu machen seine Aufgaben erfüllen können. Vielmehr kommt es das rechte Maß dabei an. Im Übrigen, darauf wies die Grünen-Europaabgeordnete Franziska Brantner richtig hin, sind durchaus auch Betriebe in der Wirtschaft darauf angewiesen, Schulden zu machen. Etwa um neue Investitionen in innovative neue Produkte vorzufinanzieren. Stronach hatte zuvor den Eindruck entstehen lassen, die Wirtschaft komme stets ohne Schulden aus. Frei nach dem alten Kapitalistenvorurteil: Der Staat verteile das den Bürgern über Steuern abgenommene Geld immer nur. Stronach: Bevor man Geld ausgibt, muss es erst einmal verdient sein. Stimmt irgendwie auch. Aber eben nicht so platt, wie es oft herüberkommt.

Völlig abwegig erscheint indes Stronachs Idee, wonach der Euro bleiben könne, aber sozusagen jedem Euroland ein eigner Euro gegeben werden solle. Dann könnte man ja gleich die früheren Landeswährungen wieder einführen! Der eurokritische Stronach tat in der gestrigen Sendung so, als wolle er den Euro behalten. Dr. Armin Wolf (ZIB2-Nachrichten, ORF) erinnerte unmittelbar im Anschluß an Stronachs Worte via Twitter daran, dass dieser früher die Rückkehr zum Schilling durchaus in Erwägung gezogen habe.

Und das ist belegt. Armin Wolf@ArminWolf

Stronach in der ZiB2: "Von meiner Seite aus sollte Ö. zurück zum Schilling kommen." - http://youtu.be/11xK-GK3VBI

Oder hier: Armin Wolf@ArminWolf

@TeamStronach_at Aktueller TREND, S. 43: "Sollte das nicht gehen [mit den verschied. Euros], bin ich für die Rückkehr zum Schilling."

Der FDP-Europaabgeordneter Jorge Chatzimarkakis hält ein Europas der unterschiedlichen Euros für absurd. Und das ist es auch. Vielmehr liegt Oskar Lafontaine auch hier abermals richtig, indem er volkswirtschaftlich untermauern kann: Dass Deutschland, das unter seinen Verhältnissen gelebt hat , etwa mit höheren Löhnen und Renten, gegensteuern muss (Ankurbelung d. Binnenkonjunktur). Die Euro-Südländer jedoch, welche (getrieben auch vom Exportweltmeister Deutschland) über ihre Verhältnisse gelebt haben - und sich verschuldet haben, um unsere Waren zu kaufen -, demzufolge den Fuß etwas vom Gas nehmen und abbremsen müssen. Jedoch keinesfalls so abrupt wie das z.B. in Griechenland geschehen ist. Dessen Wirtschaft so zunehmend zusammenbricht. Und auch nicht über eine bloße Austeritätspolitik ohne Flankierung durch ein wirtschaftliches Aufbauprogramm. Lafontaine weiß: Der Staat muss antizyklisch handeln. Ganz nach Maynard Keynes. In der Krise muss der Staat über Verschuldung in Vorleistung gehen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ist die Krise vorbei, müssen die Staatshaushalte konsolidiert werden.

Die Talkshow kann weiter via ARD-Mediathek angesehen werden

Es lohnte sich m.E. diese Sendung anzusehen. Wer es gestern nicht getan hat, kann es via ARD-Mediathek, gerne noch nachträglich tun. Sie werden sehen wie wohltuend diese Sendung im Vergleich zu früheren „Maischbergers“, bei denen es um ähnliche Themen ging, anzusehen ist. Ungeachtet der verschiedenen parteipolitischen Verortung der gestrigen Talkshowgäste und abgesehen von einigen abwegigen, aber vielleicht gut gemeinten, jedoch letztlich zu naiv gedachten Ideen (Stronachers), die bei Maischberger geäußerte wurden, fand ich, diese Talkshow bot reichlich Stoff, um selbst Gedanken in Sachen Krise und dem möglichen Ausweg daraus zu entwickeln. Ebenfalls klar wurde: Einfache Lösungen gibt es nicht. Dass sagt zwar auch Merkel, doch hat die – auch damit dürfte wahrscheinlich Lafontaine rechthaben – nicht genügend Ahnung von der Finanzmaterie. Und überdies erliegt sie ständig Einflüsterern von Kapital- und Wirtschaftsseite, die eher für die Entstehung der Krise und deren weitere Hinausdehnung verantwortlich sind. Als dass ausgerechnet sie die Richtigen wären, die vernünftige,, greifende, Lösungen vorschlügen, wie die Krise am Wirkungsvollsten bekämpft werden kann.

Doch Vorsicht

Maischberger also mal anders. Traurig, dass man das hervorheben und loben muss. Eigentlich müsste das selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Es ging endlich einmal um die Sache. Im Wesentlichen jedenfalls. Dass ist ja schon mal was. Doch Vorsicht: Dass macht einen ein Hobby-"Genforscher" wie Thilo Sarrazin noch um keinen Deut sympathischer. Auch lässt es einen ein wenig erschauern, denkt darüber nach, was eine ungelöste, weiter schwelende, Krise unter Umständen noch alles so für politische Quereinsteiger hervorbringen könnte. Zwar ist der in kleinen Verhältnissen geborene Milliardär Frank Stronach kein Jörg Haider. Doch: scheinbar einfache Lösungen bietet auch der Unternehmer an. Die aber gibt es nicht. Wer es aber dennoch behauptet ist ein Rattenfänger. Und je schlimmer die Auswirkungen der Krise (auch hier bei uns) werden, desto eher könnten die Verunsicherten und Prekarisierten da wahlmäßig versucht sein, bei den großen Vereinfachern zuzuschnappen...

Oft habe ich Sandra Maischberger in den letzten Jahren scharf kritisiert. Ihr Agieren in der gestrigen Sendung fand ich immerhin den schwierigen Zeiten, in welchen wir uns fraglos befinden, angemessen. Deshalb heute ein Lob. Naja: Ein "Löbchen". Weiter so!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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