Menschlichkeit hat ein einziges Wort: Friede

Antikriegstag Eugen Drewermann hielt eine eindringliche Rede in Dortmund: „Wir werden allen Politikern verübeln, dass sie uns von den einen Krieg in den nächsten hetzen"

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen der 2. Weltkrieg. Anlässlich der sogenannten „Nationalen Antikriegstage“ der Neonazis waren Dortmunder AntifaschistInnen 2007 entschlossen, sich gegen den Missbrauch des Tages zu wenden. Seitdem findet immer am 1. September im Hof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache eine Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Gegen Krieg, nie wieder Faschismus!“ statt.

Dr. Eugen Drewermann war 2007 Hauptakteur der Gedenkveranstaltung

Damals hielt der Theologe, Psychotherapeut und Schriftsteller Dr. Eugen Drewermann als Hauptakteur eine eindrucksvolle Rede. Zum diesjährigen Antikriegstag hatte der DGB Dortmund-Hellweg Drewermann abermals als Hauptredner eingeladen. Betreffs seiner Ausführungen war er gebeten, Bilanz ziehen, was in Sachen Krieg und Frieden in den vergangenen Jahren geschehen ist.

Drewermann: DGB immer auf der richtigen Seite

Zunächst merkte Eugen Drewermann lobend an, seinen Erinnerungen nach „stand der DGB schon immer auf der richtigen Seite“. Schon 1955, als „auf Druck der Amerikaner die Adenauer-Regierung die Bundeswehr“ einführte, sei es der DGB gewesen, der damals dagegen – nur zehn Jahre nach den Massenmorden des 2. Weltkrieges - Millionen Menschen auf die Straße mobilisierte.

Adenauer habe den DGB damals belehrt, er möge sich gefälligst kümmern um die Arbeiter und nicht um Politik. „Man kann aber um Arbeiter sich nur kümmern, wenn man den Krieg endlich aus der Geschichte verbannt“, so Eugen Drewermann. Dies habe der DGB immer gewusst und beibehalten. „Im Unterschied zur SPD, die schwankend war. Von 1914 bis 1963, bis 2017. Man weiß nie woran man mit ihr ist. Beim DGB einigermaßen klar“, merkte Drewermann an. Der Gewerkschaftsdachverband rede noch wie Jean Jaurés 1914, der mahnte, Arbeiter dürften sich nich für die Interessen des Kapitals aufeinander hetzen lassen.

Wir sorgen uns um die Pläne der Nato, einen kommenden Atomkrieg führbar zu machen“

Eugen Drewermann erinnerte an die 25 Millionen Sowjetbürger, die im Faschismus-Krieg von Deutschen ermordet wurden.

Drewermann kam auf die Süddeutsche Zeitung vom Freitag zurück, die getitelt habe, „Nato sorgt sich um russische Nuklearprogramme“ und entgegnete dem: „Wir sorgen uns um die Pläne der Nato, einen kommenden Atomkrieg führbar zu machen.“

Bundeskanzlerin Merkel forderte Drewermann auf sich endlich für die Beseitigung der Atomwaffen von deutschem Boden einzusetzen. Der damalige Außenminister Westerwelle habe das schon gefordert: „Frau Merkel, Sie haben es hintertrieben.“

Drewermann: „Wer bedroht da wen? Und wer muss sich Sorgen machen vor wem?“

Es sei die „Ostausdehnung der Nato, welche den Rückfall in den Kalten Krieg bewusst provoziert“.

Die Deutschen, skandalisierte der Redner, ließen sich dazu hinreißen, als „Speerspitze der Nato bis an die Grenzen Russlands vorzurücken - das alles soll angeblich dem Frieden dienen“.

Scharf kritisierte Drewermann das Aufrüstungsprogramm des Nato-Generalsekretärs Stoltenberg, alle Nato-Staaten müssten auf zwei Prozent des BIP Mehrausgaben bereitstellen. Für die Bundesrepublik bedeute das eine Steigerung von 37 Milliarden auf 75 Milliarden Euro pro Jahr. Russland gebe für die Rüstung jährlich ungefähr 80 Milliarden Euro aus, die USA planten nun 650 Milliarden aufzuwenden. Drewermann: „Wer bedroht da wen? Und wer muss sich Sorgen machen vor wem?“

Falsche Politik hat Flüchtlinge zur Folge

Und die UNO bitte darum, wenigstens vier Milliarden Dollar bereitzustellen für über 20 Millionen Flüchtlinge in Nordafrika. Die seien nicht aufzubringen? Während wir aufrüsteten und angeblich immer mehr Waffen brauchten!

Eugen Drewermann empört: „Begreifen wir nicht, dass die Flüchtlingsschwemme genau aus dieser dieser Politik datiert?“

Seit 2001 hätten es, so der Theologe, „die USA für richtig befunden, sieben arabische Staaten um und um zu bombardieren – was erwarten wir von diesem bewusst herbeigeführten Elend?!“

Wir werden allen Politikern verübeln, dass sie uns von den einen Krieg in den nächsten hetzen“, so Eugen Drewermann unmissverständlich

Von allen Politikern, auch dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, verlangte Drewermann sich von einer falschen Politik zu lösen und die Zuwendung zu einer Friedenspolitik. Er schrieb ihnen ins Stammbuch: „Wir werden allen Politikern verübeln, dass sie uns von den einen Krieg in den nächsten hetzen.“ Die Nato bezeichnete der Redner als eine „internationale Interventionsarmee“ und „kriminelle Vereinigung, weil sie den internationalen Frieden an jeder Stelle politisch mit Bewusstsein bricht für Geostrategie“. „Raus aus der Nato“, so Drewermann weiter, sei „das wahre Friedensprogramm“. Wenn Frau Merkel das für Utopie halte, so halte er das für das einzig Reale und erinnere sie an die Stalin-Note von 1952. Deutschland hätte damals entmilitarisiert und neutral wie Österreich vereinigt werden können. Adenauer habe das seinerzeit nicht einmal debattiert.

1989 habe Gorbatschow den Vorschlag gemacht nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes genauso das westliche Verteidigungsbündnis, die Nato, komplett abzurüsten. Ein Vorschlag zur Entmilitarisierung vom Ural bis zum Atlantik. „Die Konversion enormer Mittel!“

„Abgelehnt von unseren sogenannten Freunden. Bush dem Älteren und anschließend von Kohl dem Gehorsamen.“

Drewermann: „Was die Amerikaner fürchten, ist der Friede. Die Vision nämlich es könnte sich ein Wirtschaftsraum bilden ungefähr von Portugal bis Wladiwostok. Das wäre das Ende der Weltmachtstellung Amerikas. Und ein Bündnis womöglich der kommenden Großmächte Indien und China.“

Das Streben nach Weltmachtpositionen sei archaisch, steinzeitlich und verächtlich. Es komme darauf an ,“wie man Menschen hilft zu leben, aber nicht wie man die erste Geige spielt auf Erden – und das um jeden Preis, um jeden Massenmord.

Nein sagen zu Soldateska und Kriegsvorbereitung

Vor der Bundestagswahl riet Eugen Drewermann zu schauen, wer vom Frieden redet und wer eigentlich sich auf Nebenschauplätze begebe. Sehen, wer wirklich für Abrüstung steht. Oder wer im Grunde nur das Weiter-so im Sinne hat. „Ihr kennt mich ja“, zitierte Eugen Drewermann Bundeskanzlerin Merkel da und hatte dazu nur ein „Allerdings!“ übrig.

Verteidigungsministerin von der Leyen und Frau Merkel hielt er entgegen, Soldat sei eben kein Beruf wie jeder andere, sondern der Widerspruch zum Menschlichen. Helmut Schmidt habe gemeint, Soldat sei kein Beruf s, sondern eine Pflicht. Mit Immanuel Kant müsse Schmidt aber gesagt werden: Die einzige Pflicht in diesem Zusammenhang ist, nein zu sagen zu Soldateska und zu Kriegsvorbereitung.

Moral darf sich niemals der Macht der Politik und der Lüge beugen

Eugen Drewermann erinnerte sich daran, im Geiste noch Putin und Schröder 2005 vor dem Denkmal Immanuel Kants in Königsberg stehen zu sehen: „So wenig her ist die Versöhnung in Europa mal gewesen.“ Beide hätten sich damals versprochen im Namen Kants „der Abrüstung, der Verständigung, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sich verpflichtet zu geben“.

Warum, so frage sich Drewermann, denke man jetzt, genau das Gegenteil tun zu müssen?

Mit Kant gesagt dürfe sich die Moral niemals beugen der Macht der Politik und der Lüge. Wohl aber die Politik sich fügen müsse jederzeit der Moral. „Daran gemessen“, appellierte Eugen Drewermann an Frau Merkel, Frau von der Leyen und an Martin Schulz, „ist der Frieden die einzige Art unser Menschsein in die Zukunft zu retten“.

Drewermanns Bilanz: Gegenüber der Lage vor zehn Jahren hat sich die Welt nicht gebessert

In den letzten zehn Jahren, zog Dr. Drewermann Bilanz, habe sich die Welt nicht gebessert. „Ganz im Gegenteil, was Krieg, Rüstung und Gewalt angeht, enorm verschlimmert. Und der Verdacht oder die Gewissheit bleibt, dass es genau so sein soll, damit wir noch umso mehr derart weitermachen können.“

Nicht die Hoffnung verlieren: „Menschlichkeit hat ein einziges Wort: Friede. Der Krieg ist die Vergangenheit. Der Frieden unsere Zukunft“

Dennoch dürfe die Hoffnung nicht verloren werden. Wir müssten für uns gerade stehen und das, was wir für Wahrheit erkennen und entsprechend unseren Worten handeln. Der Frieden komme nicht aus der Politik der Stärke, sondern einzig durch Abrüstung und dem man sich bemühe den anderen zu verstehen. Mit den Worten „Menschlichkeit hat ein einziges Wort: Friede. Der Krieg ist die Vergangenheit. Der Frieden unsere Zukunft“, schloss Eugen Drewermann seine eindringlich und tief emotional vorgetragene Rede. Und erhielt dafür langen Applaus.

Ein bei der Veranstaltung anwesender Bundestagsabgeordneter der CDU, der auch für den neuen Bundestag wieder kandidiert, dagegen hatte die engagiert gehaltene und mit bitteren Tatsachen gespickte Rede Drewermanns mit versteinerte Mine bzw. ungläubigen Blick angehört. Oder muss man schreiben: ertragen? Der Mann rührte keine Hand zum Applaus.

Jutta Reiter (DGB-Vorsitzende Dortmund-Hellweg): Widerstand gegen den Nazisumpf in Dortmund gut aufgestellt

Die DGB-Chefin der Region Dortmund-Hellweg, Jutta Reiter, begrüßte, dass man in Dortmund inzwischen eine Kultur des Hinschauens erreicht habe: „Der Widerstand gegen den Nazisumpf in Dortmund ist breit aufgestellt.“

In der Welt, wie in Europa und Deutschland müssten endlich friedenspolitische Initiativen ergriffen werden, mahnte Reiter an. Die anwesenden Kandidaten für den Bundestag forderte die Gewerkschafterin auf, den „unsäglichen Forderungen eines Donald Trump“ bezüglich der Erhöhung der Verteidigungsausgaben nicht nachzugeben.

Sophie Niehaus vom Jugendring Dortmund skizzierte dessen wichtige Arbeit

Sophie Niehaus informierte über die vielfältigen Aktivitäten in der Friedensarbeit des Dortmunder Jugendrings, dessen Vorsitzende sie ist. Besonders hob sie das wichtige Engagement der „Botschafter des Friedens“ hervor.

Slado-Vorstand Siekmann: Die wählen, die auf Toleranz und die Chancen von Vielfältigkeit setzen

Der Vorstand von Slado e.V., Frank Siekmann, referierte über Homophobie in der Gesellschaft und die schlimmen Auswirkungen des Paragrafen 175 in früheren Zeiten. Aus eigenem Erleben sprach er davon wie sich Homosexuelle fühlten, wenn sie ihre sexuelle Orientierung ständig erklären müssten oder in bestimmte Schubladen gesteckt würden. Für die Bundestagswahl hatte auch Siekmann eine Empfehlung: Gewählt werden sollten die, welche nicht ständig von Leitkultur fabulierten oder dem Hass das Wort redeten, sondern diejenigen, welche für Toleranz eintreten. Die Gesellschaft, meinte Frank Siekmann, sollte die Chancen der Vielfältigkeit nutzen.

Kranzniederlegung zum Gedenken

Im Anschluss an die Worte Siekmanns wurde ein Kranz zum Gedenken an die Verfolgung von Lesben, Schwulen und Transidenten in der Nazizeit an der Mauer des einstigen Gestapo-Gefängnisses Steinwache abgelegt. Die Anwesenden hielten eine Schweigeminute ab.

Musikalisch einfühlsam: Ari Masto und Fred Ape

Die musikalischen Parts der Veranstaltung bestritten mit einfühlsamen Liedern – nahe an Schicksalen und am Leben – der kurdischstämmige Syrer Ari Masto (aus Aleppo) und der Dortmunder Liedermacher Fred Ape.

Hinweis: Eugen Drewermann wird am nächsten Wochenende auch bei der Aktion #StoppRamstein sprechen (zur Aktion und zur US-Airbase Ramstein hier, hier und hier mehr).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden