Nicht nur Finanzhoheit der Kommunen in Gefahr

TTIP/CETA Tausende gingen heute gegen TTIP und CETA auf die Straße oder sammelten Unterschriften dagegen. In Dortmund fand eine aufschlußreiche Informationsveranstaltung statt.

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Am heutigen Sonnabend fanden an zahlreichen Orten in Deutschland Unterschriftensammel- und Protestaktionen gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA statt. Proteste fanden auch in vielen westeuropäischen Nachbarländern statt. Allein in Deutschland waren Aktionen an ungefähr 150 Orten angekündigt.

Roland Süß vom Attac-Koordinierungskreis gegenüber der Presse: „Die Macht und die Einflussmöglichkeiten von Konzernen und Investoren würden sich drastisch erhöhen - auf Kosten von Demokratie, Mensch und Umwelt.“

Kritikpunkte der Gegner sind besonders die auf dem Tisch liegenden Vorschläge zur Reduzierung der nicht-tarifären Handelshemmnisse und die Verankerung von Investorenschutzrechten. Letztere wurden inzwischen aus den Verhandlungen ausgeklammert, sind aber im bereits fertigen CETA-Vertragswerk verankert, das als Blaupause für das weitaus größere Abkommen mit den USA gilt.

Als fraglich gilt es momentan noch, ob nur das Europäische Parlament oder auch die 28 nationalen Parlamente CETA zustimmen müssen.

Nicht wenige Menschen hierzulande geben an, noch nichts von TTIP oder CETA gehört zu haben. Oder meinen ganz und gar: Diese Abkommen betreffen mich nicht. Sie irren sich schwer.

Dortmunder Stadtratsfraktion DIE LINKE/Piraten luden zu Informations- und Diskussionsveranstaltung

Für den gestrigen Freitag hatte die Dortmunder Stadtratsfraktion DIE LINKE/Piraten zu einer interessanten Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Freihandelsabkommen EU und USA. TTIP & Kommune – wo ist da das Problem?“ ins Rathaus der Ruhrgebietsmetropole eingeladen. Sechzig Interessenten waren gekommen, um die Referate von Wolf Stammnitz (DIE LINKE), Frank Cleve (Attac) und Martin Nees (ver.di NRW) zu hören. Hervorragend moderiert wurde die Veranstaltung von Manfred Koch.

Unverschämter Tweet der US-Botschaft

Manfred Koch verlas zunächst einen Tweet der US-Botschaft in Deutschland, der in den sozialen Netzwerken auf Protest gestoßen war: „"Du bist für TTIP und ärgerst dich über negative Berichterstattung? Sende uns deine Idee und wir unterstützen dich!" Darin versprach die Botschaft 20.000 US-Dollar für jedes Projekt, dass das Freihandelsabkommen unterstützt.

Das berühmte Chlorhühnchen ist noch das Wenigste

Manfred Koch unternahm es auch einleitend TTIP zu erklären und die Probleme zusammenfassend zu skizzieren, die das Abkommen bei Umsetzung höchstwahrscheinlich zur Folge haben dürfte. Viele in der Bevölkerung dürften die Gefahr von TTIP gar nicht kennen. Schon der die Bezeichnung „Freihandelsabkommen“ führt ja da in die Irre bzw. lässt dahinter sogar etwas Positives vermuten. Eher schon bekannt ist da, dass nach Abschluss dieses Abkommens das berühmte US-amerikanische Chlorhühnchen in deutschen Supermärkten auftauchen könnte. Dagegen kommt schon einmal Murren im Volke oder via Bildzeitung auf. Doch so unappetitlich einen allein in der bloßen Vorstellung schon ein solches Chlorhühnchen auch aufstoßen mag – TTIP birgt viel Schlimmeres an Gefahren. Deshalb, so Manfred Koch, sei man sich bei Attac, ver.di und DIE LINKE in dem Entschluss einig gewesen unbedingt eine solche Veranstaltung zur Problematik TTIP, CETA und Tisa im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Kommunen durchzuführen zu müssen.

Manfred Koch: „Die Auswirkungen sind bemerkenswert“

Obwohl die einen auf den ersten Blick überhaupt nicht auffallen dürften Koch: „Die Auswirkungen auf unseren engeren Lebenszusammenhang, auf unsere Städte und Gemeinden“ werden aber spürbar werden. „Die Auswirkungen sind bemerkenswert.“

Frank Cleve (Attac): Beim Freihandel kann der Schwächere nur Verlierer sein

Das erste Referat hielt Frank Cleve von Attac. Cleve ging sogleich auf den Begriff „Freihandel“ ein, er ja eben geradezu nach einer positiven Ideologie klinge. Nur gab der Attac-Mann müsse „man sich klarmachen, dass die Leute die heute glühendsten Vertreter des Freihandels sind, dass das vorher die größten Protektionisten waren.“ Freihandel habe bei denen „erst gegriffen, als sie sich auf der internationalen Konkurrenz auf den Märkten gewachsen fühlten. Vorher waren sie in ihrer eignen Stärke aufgebaut mit Protektion.“ Der Schwächere könne beim Freihandel nur der Verlierer sein, so Cleve.

Deshalb träten auch die Verhandlungen bei der WTO (Welthandelsorganisation) auch auf der Stelle. Weil bestimmte Länder gemerkt hätten, dass da Interessen dahinter stünden, die ihnen eher schadeten als nutzten. Die Antwort der etablierten Länder auf diesen Stillstand im Rahmen der WTO seien solche Abkommen wie TTIP oder CETA. Die Taktik bestehen darin, „zunächst einmal in den einzelnen Wirtschaftsräumen diesen Freihandel durchzusetzen, dem sich dann die Anderen mehr oder weniger gezwungenermaßen anschließen.“

Zu befürchten ist eine enorme Machtverschiebung zugunsten der ökonomisch Mächtigen

Es gehe darum über den nationalstaatlichen Rahmen hinaus Gewinne zu machen, da die Produktionseinheiten transnationaler Konzerne zwar größer werden, sich im nationalen Rahmen kaum rentierten. Um 1990 waren es ungefähr 35.000, im Jahre 2009 82.100 transnationale Unternehmen, die über nationale Grenzen hinaus tätig waren. Diese Unternehmen haben wiederum Tochterunternehmen. „Das waren einmal 150.000 im Jahre 1990 und sind 807.000 im Jahr 2008 geworden.“ Stichwort: Globalisierung. Diese Unternehmen versuchten nun vermehrt vereinheitlichte Wirtschaftsräume (hauptsächlich Abbau von Zöllen, Vereinheitlichung von Regulierungen) zu schaffen. In Verträgen vereinbarte Regelungen sollen dann gegen jeglichen Einfluss z. B. des Staates geschützt bzw. festgeschrieben werden. Als Druckmittel zur Durchsetzung sollen Schiedsgerichte (besetzt von Anwälten internationaler Kanzleien, die mit großen Konzerne verbandelt sind), die vorbei an regulären Gerichten „Recht“ sprechen eingesetzt werden. Vorbei an einem lange erkämpften und eben nicht vom Himmel gefallenem staatlichen Rechtssystem! Dank eben diesem System könne „der Staat den wirtschaftlich Mächtigen Grenzen setzen“. Was freilich eine Frage des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses sei. Ausgehebelt werde unser Rechtssystem im Rahmen des TTIP durch Investor-state dispute settlement (ISDS). Cleve warnte, wenn ISDS Eingang in TTIP fände, habe dies „eine enorme Machtverschiebung zugunsten der ökonomische Mächtigen“ zufolge.

Wobei noch bedacht werden müsse, dass diese Schiedsgerichte keinerlei demokratische Legitimation hätten. Dabei gingen diese ihrerseits gegen demokratisch legitimierte Staaten vor! Was sei das denn anderes, „wie Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung geschrieben habe, „als ein Anschlag auf die Parlamentarische Demokratie“?

Deutsche Bank frohlockt: „Milliardenmaschine“

Um darzulegen, was eigentlich die Kommunen für transnationale Konzerne so interessant machte, verlas Frank Cleve ein Zitat aus dem „Managermagazin“:

Wer Geld von Anlegern einsammeln will, braucht eine Story. Wer viel Geld einsammeln will, braucht ein Megatrend. Nach Asien, Klimawandel und Demographie könnte das Schlüsselwort Infrastruktur zur nächsten Milliardenmaschine werden. Auf jeweils 4 bis 5 Billionen Euro schätzt die Deutsche Bank die Infrastrukturmärkte in Europa und Nordamerika. Bei anhaltendem Wachstum. Weil der Staat nicht mehr genug Geld für Straßen, Schienen-, Strom- und Wassernetze ausgibt, muss beim Ausbau und der Instandhaltung von Infrastruktur weltweit in wachsendem Umfang privates Kapital eingesetzt werden. (…) Dank einer stetig wachsenden Nachfrage, meist langfristigen Verträgen, staatlich regulierten Preisen und geringem Wettbewerb können die Betreiber von Infrastrukturprojekten mit stabilen Erträgen rechnen. Wer sich an diesen Geschäften der öffentlichen Daseinsvorsorge beteiligt, habe sein Geld also fast so sicher angelegt wie in einer Anleihe. Nur mit weitaus höheren Aussichten auf Gewinn.“

Frank Cleve: Der Bereich der öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge solle also für die Kapitalanlagen erschlossen werden. Öffentliche Dienstleistungen wolle man privatisieren und diesen Schritt unumkehrbar machen. „Dies muss dazu führen, dass die kommunale Daseinsvorsorge unter das Diktat der Gewinnmaximierung gestellt wird“, resümiert Cleve. „Dies ist aber mit einer am Gemeinwohl orientierten demokratisch organisierten Daseinsvorsorge nicht vereinbar. Sollten hier die marktradikalen Kräfte sich durchsetzen, wäre der politische und demokratische Gestaltungsspielraum des Staates, der Länder und der Kommunen erheblich eingeschränkt.“

Weshalb sich auch der Deutsche Städtetag sich Sorge mache. (Positionspapier siehe hier.)

Martin Nees (ver.di NRW) findet Klagen wegen entgangenen Gewinn perfide. Die bloße Behauptung kann schon schlagend sein

Martin Nees vom ver.di-Landesbezirk NRW, zuständig für die Kommunalpolitik und alles was damit im Zusammenhang steht, nahm im Wesentlichen Bezug auf das Freihandels-Abkommen mit Kanada (CETA), das das am weitesten fortgeschritten ist. Obgleich auch das geheim und auf Englisch ist und 500 Seiten mit tausenden Anhängen beinhaltet. Dieses Abkommen kann sehr wohl auch deutsche Firmen angewendet werden, die ihren Sitz in Kanada haben.

Es umfasst die Wasserver- und Entsorgung, die Energieversorgung, die Abfallbeseitigung, der Nahverkehr, öffentliche Krankenhäuser, Alters- und Pflegeheime, Volks- und Musikhochschulen, Schulen, Kultur – Theater, Museen - Kindergärten und Sparkassen, Bibliotheken, Sportstätten und Bäder. Aber auch bewährte Regularien wie Flächennutzungspläne, Baugenehmigungen könnten von TTIP betroffen sein.

Nees wies darauf hin, dass die aus drei Personen zusammengesetzen Schiedsgerichte (eine von denen muss als Vorsitzender bestimmt werden) aus Rechtsanwälten bestehen, welche bei großen, meist US-amerikanische Großkanzleien (mit oft 1000 und mehr Anwälten) angestellt sind. Die nach Beratung in irgendwelchen Hotelzimmern großer Luxushotels gefällten Urteile – hört, hört! - können nicht mehr angefochten werden. Durchschnittlich koste so ein Verfahren 8 Millionen Dollar. Ein neuer Markt also. Verklagt werde dann im Falle des Falles immer die Bundesrepublik Deutschland. Die Kosten würden dann heruntergebrochen auf die Länder bzw. die Kommunen. Einen bekannten Fall nannte Martin Nees.

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat die Stadt Hamburg aufgrund erteilter Umweltauflagen wegen entgangenen Gewinns verklagt. Das Schiedsverfahren ginge so aus, „dass die Stadt Hamburg diese Umweltauflagen wieder zurückgenommen hat“. Ansonsten wären 1,4 Milliarden Euro fällig gewesen.

Das Perfideste, so Nees, sei die Klage auf „entgangenen Gewinn“. Schon die bloße Behauptung dessen könne schlagend werden.

Betroffen könnten u.a. vor allem Sparkassen und Volksbanken sein, die bis auf geringe Ausnahmen problemlos durch die Finanzkrise gekommen sind. Weil sie zum großen Teil „kein Unsinn“ getrieben hätten. Andere Banken könnten sich (über den Umweg Kanada) Sparkassen (mit Stammkapital) „unter den Nagel reißen“. Problematisch sei das Prinzip der „billigen und gerechten Behandlung“. Jede Entscheidung der öffentlichen Hand muss billig und gerecht sein. Ein unbestimmter Rechtsbegriff, wie Martin Nees meint, mit der quasi jede staatliche Entscheidung angegriffen werden könne.

Es werde ein „Liberalisierungsdruck“ gegenüber der öffentlichen Daseinsvorsorge aufgebaut.

Stets werde dabei jeweils das höchste „Liberalisierungsniveau“ angestrebt. Es gälte, ein einmal erreichtes Privatisierungsniveau kann nicht mehr zurückgenommen werden. Deutsche Tariflöhne könnten auf Dauer über Konstrukte mit US-amerikanische Firmen (die sich den Vereinbarungen der ILO nicht unterwerfen) unterlaufen – indem sie deutsche Arbeitnehmer anheuern, das Tarifsystem beschädigt und schließlich vielleicht gar zerstört werden. Sogar der nun vereinbarte Mindestlohn könne so gewissermaßen künftig obsolet werden.

Ver.di und auch der DGB stünden CETA und TTIP ablehnend gegenüber. Irritationen, gab Nees zu, hätten aber die Vereinbarungen des DGB mit dem Wirtschaftsministerium hervorgerufen. Allerdings, beteuerte ver.di-Mann Nees, auch der DGB habe gefordert, dass das CETA-Abkommen so nicht beschlossen werden darf. Die Industrie wie jeder Arbeitnehmer müsse gleichermaßen Chancen dabei haben. (Dazu der DGB hier.)

Wolf Stammnitz früherer Ratsherr von DIE LINKE in Dortmund: Finanzhoheit der Kommunen droht durch TTIP und CETA ad absurdum geführt zu werden

Ver.di-Gewerkschafter Martin Nees, der noch zu einer Veranstaltung nach Unna und deshalb eher wegmusste, folgte der frühere Dortmunder LINKE-Ratsherr und zweitweilige Fraktionsvorsitzende Wolf Stammnitz mit seinen Referat an. Stammnitz brach die durch CETA und TTIP zu erwartenden Gefahren auf die Ebene der Kommune herunter. Stammnitz erinnerte daran, dass es die Selbstverwaltung der Kommunen „ein ganz zentraler Punkt“ sei. Diese Selbstverwaltung räume „den Bürgern auf der untersten Stufe der staatlichen Ebene eine weitgehende Entscheidungsfreiheit“ ein, „wie sie ihre gemeinsame Daseinsvorsorge organisieren wollen und welche öffentliche Güter sie sich über die gesetzlichen Mindeststandarts hinaus leisten wollen, so sie denn das Geld dafür haben.“

All das basiere auf der „Finanzhoheit der Kommunen“. Diese Finanzhoheit drohe „durch TTIP und CETA ad absurdum geführt zu werden“.

Diese Freihandelsjünger erkennen grundsätzlich nicht, dass die öffentliche Daseinsvorsorge“ (…) „eine besondere Aufgabe ist, die staatliche organisiert gehört, sondern sie erklären das rundheraus zu Märkten.“

Es ginge nicht um Peanuts. „Eine Großstadt wie Dortmund bewegt im Jahr ein Finanzvolumen von knapp zwei Milliarden Euro. Und ein Viertel dieses Haushaltes – also knapp 500 Millionen Euro - gibt die Stadt jedes Jahr für Waren und Dienstleistungen aus, die sie von Außen zukaufen muss im Wege des Vergabeverfahrens von Gütern am Markt. Diese 500 Millionen sind natürlich für US-Konzerne ein leckeres Schnäppchen. Allein in einer Stadt wie Dortmund.“

Man sei stolz auf das NRW-Tariftreue- und Vergabegesetz. Leistungen würden dadurch nicht mehr nur nach dem Preis (dem billigsten) vergeben, sondern wären an soziale und ökologische Kriterien gebunden. Stammnitz: „Das alles ist bekanntlich US- und kanadischen Konzernen ein Dorn im Auge.“

Es „stehe zu befürchten, dass sie mit CETA und TTIP als Knüppel in der Hand die Stadt Dortmund zwingen können, bei künftigen Aufträgen, die dann auch in den USA und in Kanada ausgeschrieben werden müssen.“ Und das NRW-Tariftreue- und Vergabegesetz wäre perdu.

Und weitere schlagende Beispiele für Privatisierungsdruck per TTIP nannte Wolf Stammnitz. Benannte die Gefahr etwa für das Städtische Klinikum, welches bereits jetzt zu einer gemeinnützigen GmbH umgewandelt ist.

Auch die Kultur sei bedroht. Der LINKE-Politiker nannte das Theater Dortmund als Beispie. Das bekommt 30 Millionen Euro im Jahr. Äußerungen, wonach TTIP die Kultur außen vor lasse, beruhten auf Falschmeldungen. Bisher sei das lediglich den Franzosen gelungen, die sich ausbedungen haben, den Schutz ihrer eigenen Filmindustrie und audiovisuelle Dienstleistungen aus TTIP herauszuhalten.

Andere Kultureinrichtungen seien nicht in dieser „Negativliste“.

Jeder US-Investor, jeder Broadway-Unternehmer könne nun daherkommen und zum Beispiel auf der Industriebrache Phoenix-West in Dortmund in einer großen Halle eine Musical-Bühne aufziehen oder eine neue Event-Halle bauen. Von der Stadt Dortmund könne er nach TTIP dann verlangen: „Ich will die selben Zuschüsse wie das Theater. Wenn die Stadt das nicht kann oder will, dann wird sie ihr Theater entweder zumachen oder privatisieren“, so erklärt Stammnitz.

Die schlimmste Schweinerei sei, „dass einmal vollzogene Privatisierungen oder Liberalisierungen nie mehr rückgängig gemacht werden dürfen. Man stelle sich das mal vor, diese Hybris! Glauben diese Leute wirklich an eine Ende der Geschichte in ihrem Sinn?“

Offener Verfassungsbruch

Mit dem Steuerkapitel, wobei sich Firmen gegen ihrer Meinung nach zu hohe Steuern wehren könnten, ginge die Europäische Kommission voll in einen offenen Verfassungsbruch rein. Weil nämlich auch nach den EU-Verträgen die EU-Kommission überhaupt keine Hoheit über die Steuern ihrer Mitgliedsländer zu befinden hat.“ Stammnitz fasste zusammen:

„Auf rechtlicher Ebene macht sich die EU-Kommission, maßt sich die EU-Kommission an, wesentliche Teile unseres Grundgesetzes auszuhebeln, wie die kommunale Selbstverwaltung oder auch die Steuerhoheit des Nationalstaats. Und verstößt damit sogar auch gegen EU-Recht. Ohne, dass sie es für nötig hält, die nationalen Parlamente oder gar die Betroffenen Bürger auch nur um ihre Zustimmung zu fragen. Und auf finanzieller Seite soll und würde TTIP die öffentliche Daseinsvorsorge, die hauptsächlich von den Kommunen erbracht wird in der Bundesrepublik Schritt für Schritt abwürgen. Und unsere städtischen Einrichtungen an private Geschäftemacher ausliefern. Wie es heute übrigens in den USA weitgehend der Fall ist. Eine Stadt wie Detroit, die durchaus vergleichbar mit Dortmund ist, ist heute schon zahlungsunfähig.“

Nur reiche Menschen könnten sich arme Städte leisten, gab Wolf Stammnitz zu bedenken. Deshalb, schloss der Linksparteipolitiker, müssten wir TTIP unbedingt verhindern.

Eine aufschlussreiche Veranstaltung. Den drei informativen und aufrüttelnden Referaten folgte eine lebhafte Diskussion.

TTIP und CETA gehen uns nichts an? Wie man sich doch täuschen (lassen) kann.

Appell und Forderungen der TTIP/CETA-Gegner:

TTIP: Verkauft nicht unsere Zukunft!

Das geplante Freihandels-Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA dient den Interessen der Konzerne und nicht uns Bürger/innen:

- TTIP höhlt Demokratie und Rechtsstaat aus: Ausländische Konzerne können Staaten künftig vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn sie Gesetze verabschieden, die ihre Gewinne schmälern.

- TTIP öffnet Privatisierungen Tür und Tor: Das Abkommen soll es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung zu machen.

- TTIP gefährdet unsere Gesundheit: Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei für Fracking, Gen-Essen und Hormonfleisch. Die bäuerliche Landwirtschaft wird geschwächt und die Agrarindustrie erhält noch mehr Macht.

- TTIP untergräbt die Freiheit: Es droht noch umfassendere Überwachung und Gängelung von Internetnutzern. Exzessive Urheberrechte erschweren den Zugang zu Kultur, Bildung und Wissenschaft.

- TTIP ist praktisch unumkehrbar: Einmal beschlossen, sind die Verträge für gewählte Politiker nicht mehr zu ändern. Denn bei jeder Änderung müssen alle Vertragspartner zustimmen. Deutschland allein könnte aus dem Vertrag auch nicht aussteigen, da die EU den Vertrag abschließt

Gegenstand

Wir fordern die Institutionen der Europäischen Union und ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, die Verhandlungen mit den USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zu stoppen, sowie das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada nicht zu ratifizieren.

Wichtigste Ziele

Wir wollen TTIP und CETA verhindern, da sie diverse kritische Punkte wie Investor-Staat-Schiedsverfahren und Regelungen zur regulatorischen Kooperation enthalten, die Demokratie und Rechtsstaat aushöhlen. Wir wollen verhindern, dass in intransparenten Verhandlungen Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Datenschutz- und Verbraucherschutzstandards gesenkt sowie öffentliche Dienstleistungen (z. B. Wasserversorgung) und Kulturgüter dereguliert werden. Die selbstorganisierte EBI unterstützt eine alternative Handels- und Investitionspolitik der EU.

Das Kampagne-Netzwerk Campact ruft zu Unterschriften gegen TTIP auf.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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