Philipp Rösler: Der Doktor als Verkäufer

Neoliberalismus Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist für den Verkauf von Staatsbeteiligungen.

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Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bekanntlich die Chuzpe im Rededuell mit ihrem Herausforderer Peer Steinbrück im Deuschen Bundestag zu behaupten. Glaube soll ja Berge versetzen. Lassen wir Angela Merkel und ihrer so genannten Regierung diesen Glauben. Atmen wir durch. Und lassen wir das lieben Gott (frei nach Familienministerin Schröder) einen guten Mann sein. Lehnen wir uns zurück. Schließlich wissen wir durch Karl Kraus: „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen langen Schatten.“ Und wie niedrig die Kultur in diesem Lande inzwischen steht! Wir brauchen uns doch nur einmal zu vergewissern wer heutzutage alles unter dem Begriff "Promi" rubrifiziert und rotzfrech durch alle Talkshows dieser Republik geschleust wird. Huh - es läuft einen eiskalt den Rücken hinunter. Früher musste man sich zu diesem Behufe einen Horrorfilm reinziehen! Dasselbe Elend in der Politik. Wer heute nicht alles als Ministerin oder Minister durchgeht! Man möchte schreien. Aber was solls? Die eigentliche Arbeit machen ja eh die Staatssekretäre. Immer öfters angeleitet durch - angefangen unter Rot-Grün - in die Ministerien eingepflanzte Lobbyisten. Oh, du liebes Gott! Das Westerwelle ist Außenminister. Das Schröder, Familienministerin. Und so weiter und sofort. Die meiste Kompetenz traue ich in dieser unter Bundesregierung firmierenden Gurkentruppe (so titulierte man sich in der Koalition selbst) noch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu. Doch wenn das stimmt: Warum tut sich die Frau diesen Haufen eigentlich an?

Vom "liberalen Bauchredner" zum Schattenmann von Kapital und Wirtschaft

Apropos FDP! Da wäre ja noch das Rösler. Ein Politexemplar von ganz außerordentlichen Güte! Philipp Rösler trat im Jahr 1992 als Sanitätsoffizieranwärter in die Bundeswehr ein. Die stellte ihn für ein Studium der Humanmedizin frei. Schließlich absolvierte Rösler eine Facharztausbildung zum Augenarzt am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Im Jahre 2002 wurde er mit einer Arbeit über Rhythmusstörungen nach Herz-Operationen und deren medikamentöse Behandlung (Herz-Thorax-Gefäßchirurgie) zum Dr. med. promoviert. Bereits 2003 verließ Rösler vorzeitig als Stabsarzt die Bundeswehr und brach seine Facharztausbildung ab (Informationen via Wikipedia). Nicht jedoch etwa um die erworbenen Kenntnisse der medizinischen Kunst bundesdeutschen Soldaten in Afghanistan oder anderswo angedeihen zu lassen, wie es vielleicht durchaus denk- und machbar gewesen wäre. Nein, um sich auf seine Arbeit als FDP-Landespolitiker in Niedersachsen zu konzentrieren. Und da kam der gute Herr Rösler ja bekanntlich ganz schön groß heraus. Einiges schien von nun an möglich, was die Karriere dieses FDP-Mannes anbelangte. Gut, Dr. med. Rösler hätte auch als Bauchredner reüssieren, Klein und Groß fürderhin eine riesige Freude und selbst eine ordentliche Karriere machen können. Aber es kam bekanntlich ganz anders. Der "liberale Bauchredner" wie ihn einst die "taz" nannte, stieg bis in die Bundesregierung auf. Und da tuts auch der Brustton der stramm liberalen Überzeugung. Dr. med. Philipp Rösler ist - da sträuben sich die Laptop-Tasten dem Fingerdruck nachzugeben - Wirtschaftsminister! Vorgeblich. Und noch dazu Vizekanzler unter Angela Merkel. Au Backe! Um es mit Karl Kraus zu formulieren: Die Sonne der politischen Kultur hierzulande steht sehr niedrig! Da wird selbst der politische Zwerg Rösler zum Schattenmann. Zum Schattenmann von Kapitals und Wirtschaft.

Vergessen der Hypokratische Eid

Aus Dr. med. droht das rasch ein Dr. Tod zu werden. Vergessen der Hypokratische Eid, wenn die Kassen des Neoliberalismus klingeln sollen. Das angebliche Fest der Liebe - auch Weihnachten genannt - war dem Minister der Wirtschaft (so herum wird es klarsichtiger, nicht?) Rösler gerade gut genug, um verkünden zu lassen, dass die Beteiligung des Bundes an Unternehmen wie der Telekom oder der Post gerne verkaufen möchte, um den Bundeshaushalt zu entlasten. In Entlastung ist die Schwarz-Gelb ohnehin schon jetzt ganz gut. So haben wir nicht mehr so schwer an unseren Geldbeuteln zu tragen. Die Reichen, Konzerne und Banken, nach FDP-Jargon, die Leistungsträger unserer Gesellschaft, wissen sowieso Besseres mit der ihnen zugeschanzten Kohle anzufangen. Laut "Die Welt" soll Rösler nicht liberal bauchgeredet, sondern im Brustton seiner durch und durch neoliberalen Überzeugung gesagt haben: "Der Staat muss sich aus Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstituten zurückziehen." Der für 2016 geplante Ausgleich des Bundeshaushalts könne so bereits früher erreicht werden.

Die ins Auge gefassten Staatsbeteiligungen

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist der Bund an der Deutschen Telekom unmittelbar mit 14,8 Prozent und mit einem Nennkapital von 1,67 Milliarden Euro beteiligt. Über die KfW nochmals mit 16,9 Prozent und einem Nennkapital von 1,8 Milliarden Euro. An der Deutschen Bahn AG ist der Bund mit 100 Prozent und einem Nennkapital von 2,1 Milliarden Euro beteiligt.

Weitere Beteiligungen hat der Bund an der Deutschen Post AG und an den Flughäfen Berlin-Schönefeld, Köln/Bonn und München. Zu 100 Prozent gehören ihm demnach die Deutsche Flugsicherung und die TLG Immobilien GmbH.

Nebenbei fragt man sich, ob die Deutsche Bahn AG ingesamt nicht viel mehr wert ist. Soll sie als ein Schnäppchen verscherbelt werden?

Wollen wir an unseren eigenen Ästen sägen?

Aber das ist nicht der Punkt. Ein Humanmediziner entpuppt sich hier im neoliberalen Gewande des Wirtschaftsministers als Sterbehelfer, als ein Bauchredner ohne gesamtgesellschaftliches Bauchgefühl, indem er dazu aufruft auch noch die letzten schon arg gerupften Gerippe staatlichen Tafelsilbers zu verticken. Ja, der Staat ist dem strammen FDP-Mann ein Dorn im Auge. Neobliberales Einmaleins: Der Staat muss schwach sein. Privat geht ihm vor Staat. Der Markt soll's richten. Hat der nicht schon genug gerichtet mit neoliberal geschärfter Guillotine? Was ist nicht alles seit Anfang der 1990er Jahre privatisiert worden? Angeblich zum Wohle von uns allen. Schlanker sollte der Staat werden. Und viele von uns mögen Beifall geklatscht haben. Auf den Staat wird ja gern geschimpft. Ja: Nicht selten auch zu Recht. Darauf zählen die Apologeten des Neoliberalismus. Und münzens um in Kapital. Heute ist der Staat tatsächlich schlanker. Er ist sogar - siehe die Kommunen - vielerorts zum Hungerhaken geworden. Doch wer ist der Staat? Sind das nicht wir? Wollen wir an unseren eigenen Ästen sägen? Haltet ein! Was brächten denn Röslers Verkäufe von Staatsbeteiligungen? Peanuts doch letztendlich, um mit Ex-Deutsche-Bank-Chef Kopper zu sprechen. Und man bedenke: Tafelsilber kann man nur einmal verschleudern. Ein Attac-Spruch lautet: Eine andere Welt ist möglich. Auch im Kleinen? Nicht mit dieser Bundesregierung. Sie steuert Europa und das eigne Land an die Wand und in die Katastrophe. Was bleibt nach all diesen "Strukturreformen"? Was wird noch alles privatisiert werden, wenn alles nicht Niet- und Nagelfeste verschleudert, verscherbelt und am Boden zerdeppert sein wird? Das Wasser? Die Luft? Der Mensch selbst?

Am Ende des Prozesses

Bundeskanzlerin Angela Merkel schwört offenbar Stein und Bein auf diese verbale Zumutung: "Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung". Naja, es kommt eben ganz darauf an, wie man "erfolgreich" definiert. Wenn man später sagen kann, wie waren darin erfolgreich den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und die Demokratie so effizient es uns möglich war zu runieren, dann käme der Spruch der Wahrheit schon jetzt sehr nahe. Der Minister der Wirtschaft, Philipp Rösler, tut so gut er eben kann mit dabei. Vielleicht kann er am Ende diesen Prozesses dessen Opfer bauchredend mit einer Merkel-Puppe in der Hand, der er seine innere Stimme leiht, bespassen. Allein ich befürchte, dass dann kaum noch viele Spaß verstehen werden. Allenfalls noch einer: "Weinkönigin" Brüderle als Nachfolger von Philipp Rösler im Amte des FDP-Vorsitzenden nach ordentlicher Druckbetankung.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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