Vergangenes Jahr veröffentlichte ich den Beitrag „Wim Wenders – „Revolutionär“ oder „Systemfilmer“? Ein Interview mit Prof. Albrecht Goeschel“. Und schrieb:
„Wussten Sie aber, dass er (Albrecht Goeschel; Anmerkung Asansörpress35) einst mit Filmemacher Wim Wenders zusammenarbeitete?
Im Jahre 1969 trug es sich zu, dass Albrecht Goeschel das Drehbuch zu einem Kurzfilm schrieb. Und da – wie er sich ausdrückt – noch jemand gebraucht habe, „der eine Kamera richtig rum halten kann“, war man auf einen gewissen Wilhelm Ernst Wenders gekommen. Den kennen Sie nicht? Doch bestimmt! Der „Kamerahalter“ Prof. Goeschels nannte sich nämlich später Wim Wenders. Dämmert’s?“ Der Film wird geführt unter dem Titel „Polizeifilm“ und befasst sich vor dem Hintergrund der Studentendemonstrationen 1968 mit der damals berühmt-berüchtigten „Münchner Linie“ der der Polizei. Doch der Film trug ursprünglich einen ganz anderen Titel. Und: Schmückt sich Wim Wenders ein wenig mit anderen Federn? Hat er das nötig?
Inzwischen tut sich wieder etwas in dem Fall. Seitens Akademie und Institut für Sozialforschung Verona erreichte mich dieser Tage folgende
Pressemitteilung:
„Wim Wenders: Plagiats-Probleme kurz vor Venedig ?
Der deutsch-amerikanische Filmregisseur Ernst Wilhelm („Wim“) Wenders bewirbt sich bei der diesjährigen Biennale Venedig um eine Oscar-Verleihung. Allerdings sind in den zurückliegenden Monaten Filmoriginale, Dokumente etc. wieder aufgefunden worden, die Wenders in seiner Pose als nachdenklichentrückten, aber auch gesellschaftskritischen Filmregisseur in Frage stellen. Es geht um Verstöße gegen das Urheber- und Verwertungsrecht.
Wenders profiliert sich als auch politisch engagierter Filmemacher durch den geschickten Einsatz eines Kurzfilmes, der 1968 im Auftrag des Bayerischen Rundfunk gedreht worden ist. Unter dem Titel Polizeifilm wird dieser 16 mm Streifen von Wenders als Angelpunkt in seinem Frühwerk präsentiert. Er habe darin sein Miterleben der deutschen Protestbewegung verarbeitet. Mit dieser Konnotation wird Polizeifilm auch von den Filmartmuseen, in den Filmographien und auch in zahlreichen Buchveröffentlichungen zu den Arbeiten von Wenders dokumentiert und diskutiert.
Nur: Der Film wurde niemals unter diesem Titel in Auftrag gegeben, gedreht und abgeliefert. Und Wenders war auch niemals Alleinregisseur des Polizeifilm.
Der tatsächliche, auf der wieder aufgefundenen Originalkopie sichtbare, Titel des Filmes heißt:
'Die Zeit wirkt meist für die Polizei, die mit ruhiger Unerbittlichkeit – wie das Schicksal – vorgeht' Polizei-Handbuch.
Der Streifen war eine filmisch frappierende Innovation. Er wandte das gleiche Prinzip bei der Regie des Filmes an, das auch die von ihm dargestellte (Münchner) Polizei bei der Manipulation von Demonstrationen anwandte: Den gezielten Einsatz von Sozialwissenschaft.
Entstanden waren die Idee und das Konzept des Films als eine Art Nebenprodukt der damals in Westdeutschland neu gegründeten sozialwissenschaftlichen Polizeiforschung. 1967 hatte die in der Münchener Ainmillerstraße ansässige Studiengruppe für Sozialforschung das erste wissenschaftlich-kritische Projekt „Soziologie der Polizei“ gestartet und eine Reihe von Veröffentlichungen dazu vorgelegt. Im gleichen Gebäude wie das Sozialforschungsinstitut hatten auch Leitfiguren des neuen deutschen Films wie Peter Fleischmann und Alexander Kluge ihre Büros. Es verwundert nicht, dass dann Redakteure des Bayerischen Rundfunks, die ein neues Fernsehmagazin vorbereiteten, von den Polizeistudien hörten und dazu einen Beitrag für ihr neues Format haben wollten.
Ein entsprechender Filmauftrag erging unter dem Arbeitstitel „Vom Bürgerkrieg zur Sozialkosmetik“ an den Leiter des Polizeiforschungs-Projektes Albrecht Goeschel. Wim Wenders und weitere Jungfilmer aus dem Umfeld der Hochschule für Film und Fernsehen kamen dazu.
Das wieder aufgefundene Originaldrehbuch und die detaillierten Regievorgaben dazu legen den regiegeschichtlich interessanten Schluss nahe, dass die später von Wenders zu einem Stilmittel ausgebauten „Langen Einstellungen“ vom damaligen Partner-Regisseur Prof. Goeschel gefordert worden waren.Ihm ging es darum, die „Schlagrituale“ (Klaus Horn), deren Exerzierung die klassischen Polizeieinsatzformen dienen, angemessen abzubilden. Wenders hatte ursprünglich aktionistische Prügel- szenen vorgeschlagen.
Prof. Goeschel, später Berater von deutschen und ausländischen Ministerien, Verbänden und Firmen, hat sich mit dem seinerzeitigen „Nebenprodukt“ nicht mehr beschäftigt. Die in seinem Archiv wieder aufgefundenen Akten zeigen, dass sich Wim Wenders sehr wohl bewusst war und ist, dass er den Polizeifilm unter einem ungenehmigten Titel und mit unzutreffenden Angaben zu Regie, Screen, Crew etc. verwertet bzw. durch die Wim Wenders Stiftung verwerten lässt. Er hat 1999 ohne Erfolg versucht, hierfür nachträglich von Prof. Goeschel eine vertragliche Einwilligung zu erhalten. Die Wim Wenders Stiftung hat Herrn Professor Goeschel mittlerweile versichert, dass sie den Film bis zur Klärung der erhobenen Vorwürfe nicht mehr präsentieren oder lizenzieren wird.
Herr Prof. Goeschel der Mitglied unserer Einrichtung ist, hat uns mit den erforderlichen Richtigstellungen beauftragt. Beigefügt ist eine Kopie des Deckblattes des Originaldrehbuches des Filmes von Albrecht Goeschel und Wim Wenders und des u.a. inkriminierten Pressetextes der Wim Wenders Stiftung.“
Scans beider Dokumente finden Sie hier.
Wird Wim Wenders nun vor der Biennale Venedig von Plagiats-Problemen eingeholt?
Kommentare 3
da kann man ja nur hoffen, dass der durchgeknallte "Proffessore" eine gehörige Bauchlandung erfährt.
Und alle seien gewarnt, sich mit solchen Fanatikern auf ein "Projekt" einzulassen.
PresseSheet
Neues von der "Causa Wenders".
Ein Brief von der Akademie:
Pressemitteilung
Plagiatsvorwurf gegen Wenders:Staatsanwaltschaft Berlin?
Gegen den deutsch-amerikanischen Filmregisseur Ernst Wilhelm („Wim“) Wenders werden Vorwürfe wegen mehrfacher Verstöße gegen das Urheber-
und Verwertungsrecht erhoben. Er habe jahrzehntelang einen Film unter
eigenmächtig geändertem Titel und mit teilweise falschen Angaben zu Regie,
Script, Crew etc. als allein eigenes Werk ausgegeben und verwertet. Bei
der Staatsanwaltschaft Berlin wurde nun Strafanzeige wegen § 106 UrhG
gegen Wim Wenders erstattet.
Der Vorgang wurde entdeckt, als Arte TV im August 2015 anlässlich des 70igsten
Geburtstags von Wenders auch diesen Kurzfilm wieder aufführte. Die sich daran
anschließenden Recherchen ergaben, dass Wenders diesen von ihm unter dem
unzulässigen Titel „Polizeifilm“ vermarkteten Kurzfilm geschickt benutzt, um sei-
nem Image auch einen Hauch „68er“ hinzu zu fügen. Er bezeichnet diesen Film
als seinen einzigen „politischen Film“.
Der tatsächliche Konzeptmacher des fraglichen Filmes ist Prof. Albrecht Goeschel (71) – ein durch zahlreiche Veröffentlichungen ausgewiesener Experte für Polizeifragen. Wenders war Mit-Regisseur von Prof. Goeschel und hat am Drehbuch mitgearbeitet.
Prof. Goeschel hat die Wim Wenders Stiftung, die mittlerweile den Film lizenziert,
schon im August 2015 darauf aufmerksam gemacht, dass weder sie noch Herr
Wenders berechtigt seien, diesen Film zu verwerten, mit diesem Titel zu führen
und als allein eigenes Werk von Herrn Wenders auszugeben.
Mehrere Vorschläge von Herrn Prof. Goeschel zu einer einvernehmlichen Lösung des Problems sind ohne Reaktion der Stiftung geblieben. Herr Prof. Goeschel
hat sich daher entschlossen, bei der Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsver-
fahren gegen Herrn Wenders wegen „unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke (§ 106 UrhG)“ zu beantragen.
gez.: Rückfragen bitte an:
Lothar Merkle