Was nun geschah, stand zu befürchten. Heute hat der Bundestag dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt und damit die parlamentarische Grundlage für einen Bundeswehreinsatz in Syrien geschaffen. Die Mehrheitsverhältnisse der Groko sind entsprechend. Die Opposition ist klein. Und auch sonst weitgehend zahnlos. Fraglich ist, ob eine erwogene Verfassungsklage seitens der Opposition überhaupt eine Chance hätte. Wohl eher nicht. Bis Ende 2016 sollen nun Tornado-Kampfflugzeuge, eine Fregatte und 1200 Soldaten entsendet werden. Einige Experten halten den Einsatz für völkerrechtswidrig. Denn die Bundesregierung hat sich ein äußerst fragwürdiges rechtliches Konstrukt gebastelt, um den Einsatz Legitimation zu verschaffen. Heribert Prantl hat sich vor zwei Tagen in der Süddeutschen dazu geäußert. Und als studierter Jurist weiß er worüber er da betreffs des Konstrukts schreibt:
„Beim Syrien-Einsatz kommt man damit nicht sehr weit. Die Bundesregierung versucht daher, den geplanten Einsatz nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Rechtsgrundlagen zu stützen. Juristen wissen: Wenn man so viele Anspruchsgrundlagen bemühen muss, ist jede für sich dürftig. Drei oder vier hinkende Beine ergeben zusammen kein gesundes.
445 Bundestagsabgeordnete stimmten heute für einen Bundeswehreinsatz in Syrien, 146 dagegen, sieben Parlamentarier enthielten sich. Die Fraktion der Partei DIE LINKE stimmte geschlossen gegen den Krieg.
Sind sich die mit Ja gestimmt habenden Bundestagsabgeordneten wirklich über die Konsequenzen ihres Tuns im Klaren? Im Parlament war heute die Stunde der Heuchler aus den Reihen der Großen Koalition zu erleben. Den Vogel ab schoss m.E. Norbert Röttgen (CDU). Ordentlich auf die Tränendrüsen drückend führte er als Begründung für den gewiss folgenreichen Syrien-Einsatz der Bundeswehr die Gräueltaten des IS ins Feld. Deren Verbrechen an Mädchen und Frauen hob Röttgen besonders hervor. Das müsste gestoppt werden. Da dürfe man nicht tatenlos zusehen. Hatten wir das nicht schon einmal in Bezug auf das Tun der Taliban in Afghanistan als Begründung für die Beteiligung Deutschlands am Afghanistan-Krieg (der seinerzeit noch gar nicht so genannt werden durfte) gehört? Und ja: Mädchen erhielten dort (wenn auch längst nicht überall) die Möglichkeit zur Schule zu gehen und auch Brunnen wurden gebaut. Aber im Rückblick war der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ein teures Desaster! Und die Taliban sind wieder erstarkt. Margot Käßmann hatte recht: Nichts ist gut in Afghanistan. Und bezog dafür Prügel. Röttgens Rede war an Heuchelei kaum zu übertreffen. Zwar ist ihm recht zu geben: Mädchen, Frauen und auch Alten und Jungen die vom IS malträtiert werden muss geholfen werden. Aber wo blieb das Bedauern eines Röttgen und dessen Mitleid für all die vielen Opfer der westlichen Kriege im Irak, Libyen und anderswo?
Sahra Wagenknecht indes hielt eine flammende und Anklage gegen den geplanten Bundeswehreinsatz in Syrien. Als die Kamera kurz auf die nebeneinander sitzende Angela Merkel und ihre Kriegsministerin Ursula von der Leyen blendete, sah man beide Frauen breit grinsen! Worüber? Keine Ahnung. Ich weiß nur: Im Zuge dieses falschen, gefährlichen und völkerrechtswidrigen Bundeswehr-Kriegseinsatzes dürfte noch manchem das Grinsen vergehen. So jedenfalls fürchte ich.
Am Vortag sprachen auf einer Antikriegsdemo in Berlin vorm Brandenburger Tor einige Politikerinnen und Politiker. Im Folgenden stelle ich hier die Videos von diesen Reden ein:
Sahra Wagenknecht (Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Deutschen Bundestag)
Dietmar Bartsch (Fraktionsvorsitz DIE LINKE im Deutschen Bundestag
Friedensaktivist Reiner Braun rief in seinem Statement zum Widerstand der Straße gegen diesen unverantwortlichen Kriegseinsatz der Bundeswehr auf.
Auch Uli Gellermann (Rationalgalerie) unterstützt diese Forderung in mit seinem Beitrag „Auf die Strasse: Nein zum Syrien-Krieg! Gegen deutsche Soldaten und Waffen im Ausland!“: „Wir treffen uns: Auf den Straßen und Plätzen der Republik, gegen den Krieg in Syrien. Gegen den Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Zeigt dieser Regierung wer das Volk ist. Sagt dieser Regierung klar und deutlich, dass sie wahnsinnig ist. Dass sie für diesen Kriegseinsatz kein Mandat hat. Dass wir solidarisch sind mit den Menschen in Syrien.“ Unter eben diesem Beitrag informiert Uli Gellermann Antikriegsdemonstrationen und Kundgebung gegen den Kriegseinsatz. Er hat versprochen die Liste ständig zu aktualisieren.
Hier eingeschoben sei noch die Presseerklärung vom Darmstädter Signal zum Bundeswehreinsatz in Syrien.
Der erneute Eintritt Deutschlands in einen unübersichtlichen Krieg könnte verhängnisvolle Folgen haben. Hat Deutschland, haben die uns regierenden deutschen Politiker nichts aus der Geschichte gelernt? Man muss es ernsthaft befürchten. Erinnern wir uns: schon einmal schlafwandelten Politiker in den Weltkrieg Nummer eins. Der australische Historiker Christopher Clark schrieb dazu „Die Schlafwandler“. Wachen wir noch rechtzeitig auf?
Kommentare 7
Die Geschichte lehrt, dass die Geschichte den Menschen nichts lehrt. (Gandhi)
Und? Ist Nichtstun besser? Soll der IS noch mehr Köpfe abschneiden? Unbehelligt? Wo sind die Aussicht auf Erfolg versprechenden Vorschläge dafür, wie man dem IS beikommen kann ohne ihn zu bekriegen?
Und: Ja, der Westen ist schuld daran, dass es soweit kam. Soll man den IS deshalb weiter Köpfe abschneiden lassen?
Hört doch mit der Besserwisserei auf. Ihr habt doch selbst nichts auf der Pfanne.
In aller Klarheit: die Deutsche Bundesregierung plant ein Verbrechen und der Bundestag hilft dabei! https://wipokuli.wordpress.com/2015/12/04/in-aller-klarheit-die-deutsche-bundesregierung-plant-ein-verbrechen-und-der-bundestag-hilft/
Und es erstaunlich, wie geschichtsvergessen viele Menschen sind!
„Geschichtsstunde: Wer nicht aus der Geschichte lernen will, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!“ http://wipokuli.wordpress.com/2014/03/09/20141914-das-grose-erschrecken/
Andreas Schlüter
Soziologe
Berlin
Ergo: gemäß § 138 StGB Anzeige erstatten!
Ich habe schon hier kommentiert. Es ist eine schwierige Kiste. Wenn Deutschland sich diesmal "raushält", wäre es noch isolierter als es ohnehin ist. Es braucht die Unterstützung Frankreichs und auch anderer Länder z. B. in der Flüchtlingsfrage. Mein Gefühl ist, diese Entscheidung, sich zu beteiligen erfolgt aus Schwäche. Es war Angela Merkel, die auf der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr noch konstatiert hat, dass Waffen und Krieg nichts bringen. Da ging es um die Ukraine-Krise.
Die Empörung darüber ist wohlfeil. Was ich mich allerdings die ganze Zeit frage, ist, wie die Protestler wohl reagierten, wenn es gelänge, eine breite Allianz gegen IS - mit Einbeziehung der Russischen Föderaton, also Putin - auf die Beine zu stellen. Die Russen kämpfen dort schon geraume Zeit....ich höre nichts an Protest.
Danke für diesen sehr wichtigen Artikel in dieser mit Rufen-nach-Krieg-geschwängerten-Luft. Man glaubt, gleich ersticken zu müssen vor der eigenen Ohnmacht! Angst macht sich breit- um die eigene Familie, um den Mann, der vielleicht eines Tages eingezogen werden könnte, um den Sohn.... Was geht denn nur in den Köpfen dieser unheimlichen Allianz der Politiker vor sich? OK, die Kriegs- und Chaos-Kanzlerin hat keine Kinder und anscheinend auch keine Familie, die ihr mal ins "Gewissen" redet. Aber die immer beherrschte von der Leyen-Ministerin hat doch eine stattliche Anzahl von Kindern, ist ihr deren Schicksal völlig egal?? Aber dieser als "Sprachpanscherin" des Jahres 2014 Ausgezeichneten fällt ja immer etwas Witziges ein, um das Wort KRIEG nicht so bedrohlich wirken zu lassen: „Wo auch immer gespielt wird: Deutschland schickt schießendes Personal.“
Mir kommt bei diesen täglichen Horrornachrichten (Armutsmigranten, Kriegsflüchtlinge, Terror, Krieg) irgendwie der Film "Elysium" in den Sinn (auch der Bezug zu Orson Welles "1984"wurde ja schon oft bemüht). Dem Regisseur Neill Blomkamp kam die Idee zu diesem Film, (als er mit einen Freund von der mexikanischen "Polizei" vor den Toren der Stadt Tijuana ausgesetzt wurde) folgendermaßen:" Da standen wir mitten in der Nacht in den Slums von Tijuana und mussten zwei Stunden durch diese recht ungemütliche Gegend zurück in die Stadt laufen.
Vor den Hütten brannten überall Feuer, Hunde streunten herum, die Leute starrten uns an und im Hintergrund dieser ganzen Armutsszenerie erhob sich von einer Flutlichtanlage angestrahlt die riesige US-Grenzmauer, an der Hubschrauber entlang patrouillierten. Das sah aus wie in einem Science-Fiction-Film.“ Und: "Dieses Bild von den mexikanischen Slums und dem Schutzwall der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft hat mich nicht mehr losgelassen“.(nachzulesen in "Zeit online, 15. August 2013). Und wir?- Wir können doch nicht alle nach Neuseeland auswandern, wie es die Eliten seit Anfang des Jahres hastig und überstürzt vorbereiten? Bunker bauen? Survivals- Equipments horten? Selbstverteidigungskurse besuchen?
Und, werter Herr Stiller, Sie erinnern sehr richtig (im Zusammenhang mit der fadenscheinigen Begründung über die alternativlose Beteiligung Deutschlands an einem Kriegseinsatz) an die Lügen im Fall Afghanistan. Nach 13 Jahren Krieg in Afghanistan hat die US-Regierung keinen "Sieg" zu verzeichnen. (Dazu eine interessante These: http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP10115_220515.pdf)
Das völlig zerstörte Land befindet sich, schlimmer als je zuvor, im Chaos und würde ohne Dollarspritzen vollständig zusammenbrechen. Das kann man auch weiterführen im Jugoslawienkonflikt- wo, um das "Morden im Kosovo zu beenden und kein 2. Auschwitz zuzulassen", erst mal 78 Tage alles gebombt wurde, denn "niemand dürfe wegsehen, wenn im Kosovo ein ganzes Volk ausgerottet würde". Der Begriff "befriedet" drängt sich mir auf.
Der Fall Irak ist auch jedem bekannt, Tony Blair versucht ja heute, sich dafür mehr oder weniger zu rechtfertigen, aber die US-Regierung und England wurden doch mehrfach vom Chefwaffeninspektor Blix darauf hingewiesen, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen mehr besaß. Trotzdem log Powell dreist: http://www.anstageslicht.de/fileadmin/user_upload/POWELL_Slideshow060203.pdf
Die französische Tageszeitung Le Monde schreibt 2003 : "Die Wahrheit, die die Amerikaner kannten, wird heute offensichtlich: Der Krieg wurde nicht geführt, um diese Waffen zu zerstören, sondern um das Regime in Bagdad auszuwechseln und den Nahen Osten neu zu ordnen. Die Waffen haben nur als Vorwand gedient." Irgendwie vorherseherisch auf das heutige Desaster und das Lügen geht weiter...
Entschuldigung, natürlich meinte ich Herr Stille, nicht Herr StilleR:-).