Die Zeiten da angeblich noch Wunder geschahen sind schon lange dahin. Heute ist uns nur noch das Wundern geblieben. Und aus dem Wundern kommt man kaum noch heraus. Längst sind auch die Zeiten Geschichte da Gewerkschaften noch große Räder zu drehen vermochten. Beziehungsweise selbige, wenn denn deren starke Arme es wollten, auch stillstehen lassen konnten. Die große Masse der Arbeiterklasse gibt es nicht mehr. Der letzte Rest vom Schützenfest läßt sich nur noch schwer mobilisieren. Die einst starken Arme der Gewerkschaften sind inzwischen zu sehr dünnen Ärmchen verkümmert. Sie können nur noch wenig reißen.
Ihnen das vorzuwerfen wäre nicht gerecht. Auch müssen wir uns als Mitglieder von Gewerkschaften fragen, ob wir - ermannten sich die Gewerkschaften einmal einen heißen Herbst nicht nur auszurufen, sondern auch in Szene zu setzen - ihnen auf die Straße zum Kampfe gegen soziale Ungerechtigkeiten zu folgen bereit wären. Ich bin da einigermaßen skeptisch. Selbst für den Fall, wenn hierzulande das Recht auf Generalstreik existent wäre.
Eine Frage jedoch müssen sich unsere Gewerkschaften schon gefallen lassen: Warum haben sie in Zeiten der rot-grünen Bundesregierung Sozialabbau und anderen Ungerechtigkeiten nicht wenigstens versucht entgegenzuwirken? Getreu dem Motto: Wer nicht kämpft hat schon verloren?
Offener Brief ohne Antworten
Die sachsen-anhaltinische Ex-Landtagsabgeordnete Heidelinde Penndorf stellte Fragen. Und zwar an die Bosse mehrere Gewerkschaften. Das war im April 2012:
„Offener Brief an die Vorstände der Gewerkschaften“
Penndorf, die von 2006 bis 2011 Mitglied des Landtags Sachsen-Anhalt (für die Linkspartei) war, hat darin im Wesentlichen die wichtigsten sozialen Missstände hierzulande thematisiert. Und kritisiert, dass die deutschen Gewerkschaften die Anzeichen des Beginns von Sozialabbau nicht früh genug als Alarmsignal zum Handeln begriffen hätten.
Heidelinde Penndorf ging hart mit den Gewerkschaften ins Gericht
In ihrem Offenen Brief notierte sie, die deutschen Gewerkschaften hätten es ihrer Meinung nach zugelassen, dass Deutschlands Menschen auseinanderdividiert werden konnten. Die Gewerkschaften hätten versäumt ihren originären Pflichten nachzukommen, in dem sie soziale Grausamkeit nicht nur verschliefen, sondern letztlich auch ohne nennenswerte Gegenwehr zuließen. (Weiterlesen)
Soweit mir bekannt ist, hat Heidelinde Penndorf keine Antworten aus den Gewerkschaftszentralen bekommen.
Die Gewerkschaften im Bundestagswahljahr 2013
Unterdessen schreiben wir das Jahr 2013. Die Bundestagswahlen liegen hinter uns. Es gibt einen Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD.
Vollmundig forderte der DGB noch im Bundestagswahkampf "Gute Arbeit, Sichere Rente, ein soziales Europa und einen aktiven Staat." Zu jedem einzelnen Punkt hinzugesetzt steht noch heute auf der DGB-Internetseite zu lesen: Für uns alle.
Jetzt ist der Koalitionsvertrag ausgehandelt. Die Große Koalition steht uns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevor. Wenn nicht noch eine Mehrheit der per Mitgliederentscheid aufgeforderten SPD-Mitglieder mit Nein zum Koalitionsvertrag abstimmt. Was eigentlich kaum zu erwarten ist.
Heiße Luft statt heißen Herbst
DGB-Boss Michael Sommer, der - erinnert ihr euch? - einst einen "Heißen Herbst" ankündigte, hat vor Kurzem verkündet, er hätte beim SPD-Mitglieder-Votum mit Ja gestimmt. Sein habe er an die Berliner SPD-Zentrale abgesendet. Sommer lobt den den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Gemessen am Wahlergebnis sei eine ganze Menge durchgesetzt worden, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Sommer meinte u.a. "die Interessen der kleinen Leute, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, finden sich in diesem Koalitionsvertrag wieder". Kleine Leute? So spricht ein Arbeitervertreter?! Welche Interessen? Spricht Sommer vom Kleingedrucktem oder vom Weggelassenem? (mehr dazu via DGB) Nochmal zu Erinnerung: Der DGB forderte vor der Bundestagwahl "Gute Arbeit, Sichere Rente, ein soziales Europa und einen aktiven Staat." Werden wir das mit der Großen Koalition bekommen? Heiße Luft statt heißen Herbst.
Der Wandel des Ver.di-Chefs
Was mich allerdings am meisten überraschte, war die plötzlich so positiv tönende Reaktion des vor der Wahl noch bissig und entschlossen-kämpferisch auftretenden ver.di-Chefs Frank Bsirske betreffs des Koalitionsvertrages. (hier nachzulesen) Bsirske ist vor der Bundestagswahl als die Krallen ausfahrender brüllender Gewerkschafts-Löwe auf diverse Bühnen und in die Bütt gesprungen. Nun landete er als schnurrendes Katerchen, als harmloser Bettvorleger, vor dem Bett in welchem vielleicht schon bald Sigmar Gabriel ein bisschen mit Angela Merkel koalieren darf.
Klaus Ernst: Gewerkschaften zu eng mit SPD verzahnt
Es gibt Erklärungen dafür. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst, kritisierte die Gewerkschaften für ihre unkritische Haltung gegenüber der SPD und der Regierungsbildung mit der Union: "Nur um die Große Koalition nicht zu gefährden", hätten die Gewerkschaften während der Verhandlungen still gehalten. So Ernst gegenüber der "Welt".
Die Spitzen der Beschäftigtenorganisationen haben seiner Meinung nach "zu schnell" auf das Bündnis von SPD und Union gesetzt. Die so entstandes Regierungsvereinbarung bezeichnete Klaus Ernst als "Mogelpackung" und "Etikettenschwindel." Grund für die "unkritische Haltung" des DGB sei eine "zu enge Verzahnung" zwischen den Führungen der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie. Der frühere IG-Metallfunktionär fühle sich "fatal an die Zeiten der Agenda 2010" erinnert, auch damals hätten die Gewerkschaften es versäumt, den Kurs der SPD zu verhindern. An dieser Stelle sei wieder an den bis dato nicht beantwortete "Offene Brief an die Gewerkschaftsvorstände" von Heidelinde Penndorf erinnert.
Michael Sommers Haltung ist erklärbar. Nachvollziehbar nicht. Jedenfalls nicht für jemanden, der als Gewerkschafter für die Interessen von Mitgliedern eintritt. Bei Bsirske sieht das anders aus: Der ist Grünen-Mitglied. Was hat ihn zum Bettvorleger mutieren lassen?
Ja, so schaut es aus. Die Zeiten da Wunder geschahen sind lange vorbei. Heute ist uns nur noch das Wundern geblieben. Sollen wir es dabei belassen?
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