Systemkrise. Ungeheuerlich!? Aber der Medien-Hype fiel aus

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Das exorbitant Ungeheuerliche sprang mir kürzlich via einer kurzen, in der Zeitung abgedruckten AFP-Meldung, ins Auge. Aber es sprang! Immerhin. Nirgendwo sonst begegnete mir diese Kurznachricht. Nicht im Fernsehen. Auch über den Rundfunk kam sie mir nicht zu Ohren. So wird die Kernaussage dieser winzigen Meldung wohl auch den meisten Menschen nicht bekannt geworden sein. Obgleich ich mich darüber wundere. Ansonsten kommt doch in derlei "Fällen" der übliche Medien-Hype übergangslos in Gang und wird sofort fächendeckend übers Land mit immer neuen Futter versorgt, auf das sich entsprechend viel stinkende Jauche verbreite. Über etwas Bestimmtes. Etwas zum Abschuss Freigebenes.

Aber der Hype der Medien befaßte sich gerade mit etwas, das doch seit Jahren eigentlich jedem, der es denn hätte wissen wollte, als Tatsache hinlänglich bekannt gewesen sein müsste: mit dem "Skandal" nämlich, dass "jede Menge" ehemalige Stasi-Mitarbeiter auch heute noch immer in Bundes- oder Landespolizeibehörden in Lohn und Brot sind. Ohne sich dabei freilich die Mühe gemacht zu machen, differenziert auszuweisen, in welchen Abteilungen der Stasi diese Mitarbeiter zu DDR-Zeiten beschäftigt waren. Für die einschlägig bekannten Medien im Namen der "Veröffentlichten Meinung" ist eben Stasi gleich Stasi. Nun: so gut bzw.: so schlecht. Das hat nunmal Methode. Differenzieren ist halt die Sache so mancher Medien (meistens) nicht. Auch in anderen Fällen. Pardon: Es ist vielleicht auch im Sinne ihre jeweiligen Leserinnen und Leser: die es womöglich ungern sehr kompliziert haben wollen. Besonders derjenigen Leserinnen und Leser (Ausnahmen bestätigen auch hier sicher die Regel), welche im Westteil unseres Deutsch-Landes geboren und sozialisiert worden sind. Wer sich um differenzierte Berichterstattung bemüht, der muss wohl auch viel zuviel erklären. Und wir wissen: den meisten Menschen verlangt es eben gerade nicht danach, sondern eher nach fertigen, passenden Lösungen, die möglichst schnell zu fressen sind. Auch hier also, geht es zuweilen zu wie im Supermarkt: gefragt ist Fastfood, möglichst preiswert, um nicht billig zu sagen...

Man verzeihe mir meine Abschweifung. Dem Hype-Medien ist da jedenfalls echt etwas durch die blutriefenden Lappen gegangen. Schließlich hat der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maiziére (früher wie heute CDU), die internationale Wirtschaftskrise mit dem Ende der DDR verglichen! Für viele Westdeutsche handle es ich um eine Krise im System, viele Ostdeutsche empfänden die Finanzkrise dagegen als Krise des Systems, sagte de Maiziére vor kurzem in München, wo der 69-Jährige in seiner Funktion als Vorsitzender des deutschen Lenkungsausschusses der Gesprächsreihe zwischen Russland und Deutschland, dem "Petersburger Dialog", weilte.

Wie schön hätten sich die üblichen Verdächtigen unter den Medien darob nicht ereifern können! Was für ein gefundenes Fressen! Aber sie fanden dieses Fressen nicht. Oder: wollten es nicht finden. Vielleicht weil de Maiziére in der falschen Partei ist? Wenn sein Berliner Rechtsanwaltskollege Gregor Gysi von der Partei der LINKEN aber die selben Worte gebraucht hätte... Auwei! Da wären aber ganz sicher die medialen Hackebeilchen nicht nur geschärft, sondern auch auch benutzt worden, wetten das?

Dabei trifft die von de Maiziére getroffene Aussage den Nagel höchstwahrscheinlich genau auf den Kopf. Man muss sie sich halt nur einmal in aller Ruhe - und vor allem vorurteilsfrei - durch den Kopf gehen lassen! Viele Westdeutsche haben die Krise nämlich nicht nur nicht herbeikommen sehen (was ja immer möglich war), sondern empfinden sie auch jetzt eben nur als" eine Krise im System", die wieder vorbeigeht, wie andere Krisen vor ihr auch. Sie tun das, nicht etwa, weil sie im Gegensatz zu vielen Ostdeutschen - die die Krise nach de Maiziére ganz anders als "Krise des Systems" empfinden - dümmer als die einstigen DDR-Bürger wären. Viele Westdeutsche mögen eher begriffstutzig sein. Wahrscheinlich weil sie gelernte BRD-Bürger sind. Es ging ja immer aufwärts. Dazu hat man ihnen nach dem Ende der DDR vor zwanzig Jahren auch noch weisgemacht hat, sie - und mit ihnen ihr System, der Kapitalismus, seien die Sieger der Geschichte. Sogar vom "Ende der Geschichte" war u.a. einigermaßen überheblich und nicht zutreffend, wie ich meine, die Rede gewesen.

Wie auch immer: Wir stecken inmitten einer der elementarsten Krisen. Auch wenn die schlimmeren Folgen dieser Krise erst Ende des Jahres und richtig erst im nächsten Jahr voll "zuschlagen" werden. Dazu kommt die Malaise, die sich im Zusammenhang mit der Tatsache aufbaut, dass wir vor den Bundestagswahlen stehen. Die sich im krassen Gegensatz zur leidigen, täglich immer mehr sichtbar werdenden, traurigen Wahrheit, fälschlicherweise noch immer Volksparteien (namentlich CDU, CSU und SPD) Nennenden, lügen vor dem bevorstehenden Urnengang das Blaue vom Himmel herunter, dass sich alle Balken gefährlich biegen. Machen Versprechungen, die gar nicht zu halten sind. Und die auf dem Sprunge in die Regierung sitzende FDP fordert gar gebetsmühlenartig Steuersenkungen! Davon mal ab: Wen vertreten denn diese sogenannten Volksparteien?

Immer mehr Menschen hierzulande beschleicht ein bedrückendes Gefühl der Verunsicherung. Ebenso wächst Wut: Schließlich vertreten diese Parteien inzwischen nahezu unverblümt in erster Linie wohl nur noch sich selbst und ihre Pfründe (Positiv auffallende Einzelpersönlichkeiten seien von Kritik ausgenommen) und die finanzstarken Lobbys (die doch längst die wahren Regierenden hinter den Regierung spielenden Darstellern sind), für die sie doch jahrelang (auch mit dabei die Grünen zusammen mit der Schröder-SPD), die politischen Rahmenbedingungen schufen, die uns doch erst (mit) in die schwerste Weltwirtschaftskrise seit achzig Jahren führte! Deren Folgen sie nun aber tränenreich beklagen, während sie (die große schwarz-rote Koalition) gleichzeitig dabei sind, die Grundlagen für die nächsten Krisen zu schaffen. Im Grunde genommen wissen wir doch sehr genau, wer diese Krise bezahlt: die Masse der Steuerzahler. Wieder funktioniert die Geldverteilung von Unten nach Oben. Nicht auszudenken, wenn die Milliardengarantien der Regierung gegenüber den Banken noch zusätzlich fällig werden!Das ist nämlich gar nicht einmal so unwahrscheinlich. Gute Jahre dürften uns jedenfalls nicht bevorstehen.

Wenn wir de Maiziéres Feststellung "Wir haben das Gefühl, das fühlt sich ganz ähnlich an wie das, was wir schon einmal erlebt haben" (das Ende der DDR, d. A.) einmal verinnerlichen, und dabei bei ruhiger Betrachtung zu dem Schluss kommen sollten, bei der derzeitigen Krise handele es sich um eine Krise des Systems, wird es ernst: Dann ist fraglos auch unsere Demokratie in großer Gefahr. Beschädigt ist sie ohnehin schon längst. Von manchem vorpreschenden Beschluß einiger Parteien und durch Regierungen, in denen deren führenden Köpfe Verantwortung trugen. Regierungen, die meinen zu "unser aller Sicherheit", ständig am Grundgesetz "herumschnippeln" zu müssen bzw. zu können, ohne dabei zu erkennen (oder erkennen zu wollen), dass sie damit unseren demokratischen Rechtsstaat per se einen gewaltigen Bärendienst erweisen. Indem sie letztlich so Resultate herbeiführen, die den einen oder den anderen von uns im ungünstigstem Fall der Fälle sogar den Kopf kosten könnten.

Zweifelsohne ist die, einem im Rückblick manchmal wie eine Friede-Freude- Eierkuchen-Demokratie (bei der zugegebenermaßen zuweilen auch einiges anbrannte) "Bonner Republik" ein für alle Mal zu Ende. Sie, so muss man sie wohl im Nachhinein auch verstehen, funktionierte immer auch in der Spiegelung mit dem Ossteil, der sich sozialistisch nennenden DDR und der so entstandene Wechselwirkungen. Und die Menschen, besonders die Arbeiter, im Westen profitierten (die Gewerkschaften wissen dies nur zu gut) von dem unsichtbaren Verhandlungspartner DDR, der immer irgendwo mit am Verhandlungstisch saß, nicht wenig. Diese "Bonner Republik" mit all ihren negativen, aber gleichwohl auch mit ihren guten Seiten und Grundlagen ist Geschichte.

Die Handelnden der so genannte "Berliner Republik" jedoch haben bis dato kein vergleichbares Ruhmesblatt beschreiben können. Im Gegenteil: Wir konstatieren Sozialabbau im großen Stile, das faktische Ende der sozialen Marktwirtschaft, bei gleichzeitigem Übergang zum Raubtierkapitalismus mit all seinen nur inzwischen allzugut bekannten, mehrheitlich negativen, Folgen (steigende Armut - bei gleichzeitigen sprunghaftem Anstieg des Reichtums ; sowie die zunehmende Beteiligung unseres Landes an militärischen (meist als humanitär verbrämten), Bundeswehreinsätzen im Ausland oder sogar regulären Kriegseinsätzen wie in Afghanistan, die halt nur nicht Krieg genannten werden dürfen. Und nun haben wir die Krise gekriegt...

Wir sollten wachsam sein. Und aufpassen, was uns die Parteien so vor der Wahl an "Bären" aufbinden. Es wird in jedem Falle ganz anders kommen. Wie, das hängt auch ein wenig von jedem selbst ab. So manche Partei hat sich vom Volk, dass sie vertreten soll - nunmehr jedoch immer öfters nur noch vorgibt zu vertreten - und stattdessen zur Marionette der Wirtschafts- und Finanzwelt verkam -, schon kilometerweit entfernt. WIR aber sind das Volk. Erinnern Sie sich? Das ist allerdings leichter dahin gesagt, wie es sich in die Tat umsetzen läßt! Ohne eine funktionierende Demokratie aber, ist alles nichts. Das steht nun einmal fest. Das System ist in der Krise. Es fühlt sich unangenehm an. Was, fragt sich mancheiner aber schon jetzt vor dem großen Knall (was immer das dann ist), bange: kommt danach?

Ungeheuerlich, was der de Maiziére da über die Krise gesagt hat, finden sich nicht?

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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