Völker hört die( Stör-) Signale!

Internet-Kabarett Kürzlich ging Störsender-TV auf Sendung. Der Start ist gelungen. Die erste Episode steht nun im Netz. Darin geht es um den Finanzkasinokapitalismus.

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Der letzte Negativ-Ausschlag auf der gewiss nach oben offenen Finanzkrisenrichterskala tickte kürzlich von der Mittelmeerinsel Zypern aus in die Höhe. Europaweit bangen seither die Menschen auch noch um ihr Erspartes. Die Krise geht also weiter. Nichts ist sicherer geworden seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Das ist empörend. Aber diese Tatsache ruft auch immer mehr Menschen auf den Plan, die nicht länger hinnehmen wollen, hinter die Fichte geführt zu werden. Wer die Kreise derjenigen stören will, die die Macht des Finanzkasinokapitalismus braucht Informationen und Mut zur kanalisierten Wut, um sich im Sinne des vor Kurzem verstorbenen Stéphane Hessel (“Empört euch!”) nicht nur zu empören, sondern auch Handwerkszeug anzueignen, um auch im Sinne einer gerechteren Gesellschaft handeln zu können.

Störsender TV und NachDenkSeiten können sich gegenseitig befruchten

Was die NachDenkSeiten seit 2003 als täglich in Internet zu lesendes aufklärendes, aufstörendes und vielseitige Hintergrund (ua. auch und gerade zu den Ursachen der Finanzkrise) sind, könnte Dieter Hildebrandts Störsender TV als Internetfernsehmedium mit bewegten und bewegenden Bildern und Texten werden. Beide Medien könnten sich im Besten aller Fälle sogar gegenseitig befruchten und nicht zuletzt auch ergänzen.

Störsignal frei!”

Störsender TV wurde via der Plattform Starnext und per von Stefan Hanitzsch organisiertem Crowdfunding finanziert (Readers Edtion begleitete diesen Prozess informativ: hier) Nachdem nun Februar die Finanzierung des Störsenders als gesichert galt, hieß es nun bereits: “Störsignal frei!”. Die erste Sendung ist im Internet abrufbar (hier und hier). Die Episode 1 behandelt den Finanzkasinokapitalismus. Zu sehen ist zunächst Dieter Hildebrandt als Capo di Stör hinter einem Schreibtisch an einem Laptop neben einer Leuchte mit schief aufliegendem Schirm sitzend. Operation “Stör” startet. Hildebrandt: “Jetzt geh’s loohooos..” Capo di Stör koordiniert die Operationen “Bimbesrepublik” und “Mattscheibe”. In seiner Kolumne untersucht er bezüglich der Zypernkrise das Sprichwort vom rollenden Rubel, der bei seiner Ankunft in Zypern etwas streng riecht und deshalb auf der Mittelmeerinsel gewaschen werden muss. Gut, an dieser Stelle hätte man sich jedoch als kritischer Zuschauer vielleicht noch einen Hinweis darauf gewünscht, dass die Vorteile der Steueroase Zypern längst nicht nur russische “Oligarchen” nutzten. Doch geschenkt!

Genosse Jörg Asmussen

Stefan Hanitzsch, ehemaliger Mitarbeiter der SPD, hat natürlich auch etwas im Programm, dass mit dieser Partei verbunden ist. Aufstörend der märchenhafte Beitrag von HG.Butzko, der so beginnt: “Es war einmal ein holder Knabe, der hieß Jörg Asmussen..” Einem SPD-Genossen, der einst die Finanzkrise mit auslöste. Heute sitzt der gute Mann im Präsidium der Europäischen Zentralbank. Ein Zufall? HG. Butzkos “Märchen” sollte aufmerken lassen.

Rechtsanwalt Hans Scharpf: “Geldhahn zu!”

Der m. E. gut aus den Startlöchern gekommene Störsender ist in komprimierter Form eine interessante Mischung aus Informations- und scharfzüngigen Kabarettprogramm. Wenn man so will: ein Mix aus “Monitor” und “Scheibenwischer”. Zum Part Information in der Episode 1 ist die Stelle in der Sendung zu rechnen, wo der “Zinsrebell” und Rechtsanwalt Hans Scharpf erklärt, warum und wie er den Banken Paroli bieten will. Er uns dessen Mitstreiter rufen auf der Plattform Geldhahn zu! (Stichwort: “Entmachtet das Geld!”) zum Zinswarnstreik auf. Eine interessante und des Nachdenkens werte Geschichte! Scharpf nämlich streitet mit den Banken um die Höhe der Zinsen. Er hält diese für “wucherisch”. Zumal, wie Scharpf im Störsender darlegt, Geld sozusagen aus dem Nichts schöpfen, oder das von anderen Sparern bzw. der EZB stamme. Nirgendwo sei das rechtlich geregelt. Es handels sich quasi um ein Gewohnheitsrecht der Banken. Während hingegen das Herstellen von Falschgeld eindeutig als strafbar gilt. Sie veredelten mit dem Schild “Bank” über die der Tür, so Hans Scharpf, “bits und bytes” zu Geld. Sie verschafften zwecks Ausgabe eines Kredits nur eine Forderung nach Auszahlung von Bargeld. Die sei jedoch kaum gedeckt. Hans Scharpf: Die Banken sollen ihm mal gefälligt Auskunft über die sogenannten “Refinanzierungskosten” erteilen. Schapf: “Der Laden muss dichtgemacht werden!” Scharpf sucht übrigens Mitstreiter für sein Vorhaben.

Ein “post-autistischer” Ökonom

Ein zweiter Informationsblock bietet dem “post-autistischen” Ökonomen Professor Helge Peukert ein Podium. Der kritisiert die Zunft der Ökonomen. Die, so Peukert, fast nur noch mit mathematischen Modellen hantieren lernten und auch (Stichwort: Bachelor) aus Zeitmangel nicht mehr erführen, was um sie herum passiere. Was auch mit den den derzeit lehrenden Professoren der ökonomischen Zunft zusammenhänge. Anders (umfassender) als die heute ökonomisch neoliberal denkend Wissen vermitteltenden Professoren, fehlten – da sie mehr und mehr aus dem Lehrbetrieb ausschieden – Lehrende, die ein Denken sozusagen über den Gartenzaun hinaus an die Ökonomik-Studenten weitergäben. Die momentan herrschende Lehre möchte uns Professor Peukert wohl damit sagen, vermittelten quasi eine autistische (die Wirklichkeit weitgehend ausschließend) Wirtschaftslehre. Also – und da ist Peukert zuzustimmen – brauchte man wieder mehr anders, eben: heterodox, denkende Ökonomen (Lesen Sie dazu auch eine Empfehlung auf Readers Edition “Be heterodox…”).

Viele weitere Höhepunkte der Sendung

Vielmehr sei hier nicht verraten. Nur so viel: In der ersten Sendung sind außerdem im Programm vertreten: Ecco Meineke und die Jazz Big Band Association, Konstantin Wecker (“Das Lächeln meiner Kanzlerin”; gezeichnet von Karrikaturist Dieter Hanitzsch) und der als Wutbürger “zugeschaltete” Sigi Zimmerschied. Sehen Sie sich’s selber einfach an! Die Sendung dauert 40 Minuten.

Aufklärend auf-störend

Als Einstieg, finde ich, ist die Störsender TV-Premiere gelungen. Die erste Episode ist sowohl informativ als auch intelligent unterhaltend. Was will man mehr für den Anfang? Es wird Lust auf mehr gemacht. Unbedingt! Der 85-jährige, Grandseignor des deutschen Kabaretts fügt dem politischen Kabarett mit dem Web-Format “Stoersender.tv” eine neue zweifelsohne interessante – auch dank seiner hochkarätigen Mitstreiter – Facette hinzu. Vielleicht gelingt es darüber auch neue Kabarettfans zu genieren. Womöglich werden durch das Internetfernsehmedium auch Mit-Störer gefunden? Störsender TV betreibt kein Querulantentum. Das Medium möchte im aufklärendem Sinne auf-stören. Und das ist in diesen (Krisen-)Zeiten mehr als nötig. Also nichts wie ins Netz, Leute: Völker hört die (Stör-)Signale!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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