Von wegen! Die Griechen werden nicht gerettet

Griechenlandrettung Abermals soll im Deutschen Bundestag über ein "Griechenlandrettungspaket" abgestimmt werden. Der Begriff ist irreführend und eine Frechheit zugleich.

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Sage niemand er kenne den deutschen Michel nicht! Er ist überall. Im privaten Bereich und Arbeitsplatz. Und er springt einen auch via Glotze zuhauf an. Natürlich: Pardon, Frau Schwarzer, ess gibt freilich auch die deutsche Micheline. Gleichberechtigung schützt vor Dummheit nicht. Keine Frage: Wenn vom "Deutschen Michel" die Rede ist, dann ist darunter niemals eine charmante Umschreibung für den Deutschen/die Deutsche schlechthin zu verstehen. Ist ist eben frei nach redensarten-index.de wohl eher "eine als Karikatur gebrauchte Verkörperung des Deutschen gemeint: fleißig, gutmütig, naiv, gemütlich, bieder, schwerfällig, engstirnig und tölpelhaft." Aber Vorsicht mit Pauschalisierungen! Der "Deutsche Michel" hat über die vielen Jahre seiner Existenz hinweg und den zuweilen nötig gewordenen mangifaltigen Wiedergeburten seinerselbst im Volke (sogar in der DDR kam er vor und überlebte sie) durchaus hinzugelernt: Zuweilen spricht er durchaus Fremdsprachen und ist auch sonst verschiedenartig bewandert. Dennoch - und diese Tatsache betrübt - ist er tief in sich drin vom negativen Kern her der "Deutsche Michel" geblieben.

Sterben für die Quote?

Es mampfte und blödelte aus sich öffnenden und wieder schließenden Mündern der "Mannschaft". Zwischendurch raschelten fettige Finger durch Werbepospekte. Und kundgetan wurde, was mal wieder bei Dieter Bohlen und Co. vorgefallen, wer von den Kandidaten wieder einmal öffentlich vorgeführt worden war,. Weil diese Produktion eben dies zulässt, und es stattdessen unterlässt manche Kandidaten vor sich selber zu schützen. Was für diese besser wäre. Aber die Quote. Ja, die ist wichtig. Scheiß was drauf, auf den einzelnen Menschen. Was will man auch noch erwarten in diesen menschenverachtenden neoliberalen Zeiten? Täte es einen heute noch wundern, wenn demnächst der Kandidat einer dieser Dummdideldei-Fernsehsender-Formate öffentlich zu Tode gebracht würde? Eher nicht, oder? Die Beerdigungskosten übernimmt selbstverständlich die TV-Produktion. Die dann vielleicht Post-Produktion genannten Aufnahmen vom Begräbnis gibt's dann gratis auf DVD mit...

"Die sollen erst mal richtig sparen!"

Was die Nachrichten brachten, war wie gesagt, nicht zu verstehen. Aber ich konnte sie mir irgendwie zusammenreimen. Und innerlich dazu tun, was die ARD- oder ZDF-Nachrichtenredakteure wieder einmal weggelassen oder an halben Lügen hinzugemischt hatten. Plötzlich tönte in all das unsägliche Gequatsche und matschende Gemampfe ein inzwischen allzu bekannte Wort: "Griechenlandrettung". Augenblicklich kehrte beinahe Stille ein. Nur in irgendeinem Mund eines Teils der "Mannschaft" schnorpsten noch ein paar der dem Grillschinkenbrötchen beigelegten Krautstreifen. "Griechenlandrettung?", spuckte jemand Dönerstückchen. Und ein anderer, dem soeben noch eine Asia-Nudel durch die Lippen geflutscht war, empörte sich puterrot werdenden Kopfes: "Griechenlandrettung! Schon wieder? Einmal muss damit Schluss sein! Die haben doch schon genug bekommen? Die sollen erst einmal ordentlich sparen! Wir haben denen doch schon soviel in den Hintern geblasen."

Man kann gar nicht so viel fressen...

Mir jedoch kam bei dem unsäglichen, weil vernebelnden, deshalb eben nicht zutreffenden Begriff "Griechenlandrettung" das nicht Gegessene hoch. Und mir fiel dazu passend die Äußerung Max Liebermanns "Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte!" ein. Da war er wieder, dieser "Deutsche Michel"! Da saß er, mampfte und blökte nach, was ihm die Nachrichten vorblökten!

Zorn und Vernunft

Wut? Nein, Zorn stieg in mir auf. Ich war empört im Sinne Stéphane Hessels Streitschrift "Empört euch!" Schnappatmung. Ein paar Sekunden nur. Bis mir glücklicherweise die Worte des Kabarettisten Georg Schramm einfielen. Der hat bei Papst Gregor dem Großen "Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht" gelesen und zitiert diesen klugen Satz eines offenbar klugen Papstes (Gott gebe, dass der gegenwärtige Papst so Kluges sagte!) gern bei seinen Auftritten. Die Vernunft gebot mir in jenem Augenblick, vom Zorn dienstbar befeuert, die wütende "Mannschaft" zu wiederholtem Male darauf hinzuweisen, dass durch die sogenannte "Griechenlandrettung" wieder Griechenland noch "die Griechen" gerettet, sondern das Land wie die Menschen nur dem Abgrund näher gerückt werden würden. Doch die Nachrichten waren längst bei einem anderen Thema. Es ging um die zunehmende Spaltung in Deutschland zwischen Arm und Reich. Ungläubige Blicke. Es wurde weiter gemampft...

"Schwabenkrawall" spricht mir heute aus der Seele:

"Wenn ich dieser Tage noch einmal das Wort 'Griechenlandrettung' höre, dann raste ich aus. Es wird nicht Griechenland gerettet!! Gerettet werden Gläubiger , die Banken und die superreichen Griechen, denen diese Banken zum Teil gehören. Die einfachen Griechen haben einen Scheißdreck von diesen Milliarden. Die gehen vor die Hunde. Sagt doch EINMAL die Wahrheit und nennt es "Kapitalistenrettung", ihr Lügner. (Text/Grafik via Facebook-Seite Andrej Hunko/Quelle: www.schwabenkrawall.wordpress.com)

Mikis Theodorakis zur Misere seines Landes

Angesichts der allgemeinen Vernebelungen und Verschwafelungen des Themas Griechenland-Misere ist es ratsam, sich noch einmal zu Gemüte zu führen, wie alles anfing. Ich empfehle dazu auch einen kritischen Text des großen griechischen Künstlers Mikis Theodorakis zu lesen. Auch wenn dieser in Teilen als Verschwörungstheorie missverstanden werden könnte: hier.

Was die vermeintliche Rettung Griechenlands bringt

Bald soll im Bundestag das nun schon dritte sogenannte Griechenland-Rettungspaket beschlossen werden. Die Zustimmung einer Mehrheit von Bundestagsabgeordneten aus CDU/CSU, FDP und SPD (wahrscheinlich mit gespieltem oder auch echtem "Magengrimmen") gilt als sicher. Die GRÜNEN mahnen mehr Zeit an, um zu prüfen, werden aber wohl auch wieder umfallen. Man will ja wieder regieren und deshalb nicht gegen die Räson handeln. Einzig DIE LINKE wird nicht für den Antrag von Schwarz-Gelb dafür stimmen, dagegen aber einen eignen in den Bundestag einbringen.

Sicher und bitter zugleich ist, dass Griechenland auch durch das neue Rettungspaket nicht auf die schon arg durchlöcherten Strümpfe kommen wird. Das Schuldenproblem wird nur abermals verschoben. Vielleicht bis 2020. Oder gar bis ins Jahr 2040!

The same procedure as last year, Miss Angela? The same procedure as every year, Wolfgang

Dazu schreibt Jens Berger von den NachDenkSeiten: "Frei nach Sepp Herberger müsste das Fazit des heute Nacht beschlossenen Griechenland-Hilfspaktes „Nach dem Rettungsgipfel ist vor dem Rettungsgipfel“ lauten. Auch wenn sich die Troika bereits ein kleines Stück in die richtige Richtung bewegte, hat sich letzten Endes einmal mehr die deutsche Regierung durchgesetzt. Die ausweglose Situation Griechenlands hat sich damit um kein Jota geändert. Nach wie vor basiert das Entschuldungskonzept auf komplett realitätsfernen Annahmen; nach wie vor sind die Ziele viel zu ehrgeizig; nach wie vor lässt man Griechen keine Luft zum Atmen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass wir bereits in wenigen Monaten den nächsten Gipfel erleben werden und die griechischen Probleme bis dahin nicht kleiner, sondern größer werden." Und Berger schließt seinen Beitrag folgendermaßen: "Und wenn das neue „Rettungspaket“ im März 2013 ausläuft, wird sich die Troika wieder einmal wundern, warum Griechenland die Vorgaben nicht eingehalten hat. Wieder einmal wird man den Griechen vorhalten, nicht richtig haushalten zu können. Wieder einmal werden die kritischen Stimmen nicht gehört werden. Wieder einmal wird man laut über einen zweiten Schuldenschnitt nachdenken und wieder einmal wird man Athen neue, noch unrealistischere, Vorgaben machen, die ohnehin nicht eingehalten werden können. The same procedure as last year, Miss Angela? The same procedure as every year, Wolfgang."

Darauf einen Ouzo!

Ist das Ganze nur noch im Suff zu ertragen? Darauf einen Ouzo! Doch: Alkohol ist ein schlechter Berater. Und einige Griechen müssten ihn auf bereits immer öfters nüchternen Magen trinken. Das schadet der Gesundheit. Die muss man sich irgendwie versuchen zu bewahren im kaputtgesparten Griechenland. Auch die paar Euros, die vielen Griechen nur noch verbleiben. Eine Krankheit kommt einem teuer zu stehen. Mancher Grieche könnte eine Krankheit bald mit dem Tod bezahlen, wenn für Doktor und Medizin kein Geld mehr da ist. - Europa im Jahre 2012. Der "Deutsche Michel" bleibt noch ruhig.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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