Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen?

Finanzkonzerne Spiegel-Bestsellerautor Jens Berger hat sich mit den "heimlichen Herrschern und ihren Gehilfen" beschäftigt. Schutz vor ihnen ist nicht einfach. Aber nicht unmöglich

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Machen wir uns nichts vor. Sagen wir, was ist: Der Hut brennt. Der leider verstorbene einstige Résistancekämpfer Stéphane Hessel hatte in seiner kleinen Streitschrift „Empört euch!“ – nach dem großen Erfolg im Oktober 2010 auch auf Deutsch veröffentlicht und wie in Frankreich zum Bestseller geworden – eine schlimme Geißel unserer Gesellschaften benannt: nämlich die Diktatur des Finanzkapitalismus. Stéphane Hessels „Empört euch!“. Dazu auch mein Artikel seinerzeit im Freitag.

Mit eindringlichen Worten rief Hessel – sich dabei vor allem an die Jugend wendend – im hohen Alter von 93 Jahren „zum friedlichen Widerstand gegen die Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaften auf. Gegen die Diktatur des Finanzkapitalismus, gegen die Unterdrückung von Minderheiten, gegen die Umweltzerstörung“ (Verlagsinformation Ullstein zum „Empört euch!“).

Drei Finanzkonzerne gewannen unglaublich an Einfluss nach der Finanzkrise 2008

Empörung kam zwar auf (man denke u.a. an der inzwischen längst abgestorbenen Occupy-Wallstreet-Bewegung), geändert hat sich aber an den schlimmen Zuständen nichts. Auch nicht nach der Finanzkrise 2008. Im Gegenteil: Etwa haben drei Konzerne unglaublich schwindelerregend an Einfluss und damit an Macht gewinnen können.

Die Politik ließ sich von Einflüsterern auf den neoliberalen, der Gesellschaft schadenden, Holzweg locken

Vorausschicken muss man natürlich unbedingt, dass es überhaupt zu einer derartigen Machtkonzentration der Diktatur der Finanzkapitalismus in unseren Gesellschaften kommen konnte, ist das Werk von leicht namentlich zu benennenden Politikern, die den Einflüsterern und Lobbyisten des Neoliberalismus, den wir besser Marktradikalismus nennen sollten, zu „verdanken“. Von diesen ließ sich die Politik auf den neoliberalen, der Gesellschaft schadenden, Holzweg locken.

Wo blieb die Empörung?

Warum gibt es heute noch immer so wenig Empörung gegen diese, unsere Gesellschaften mehr und mehr zerstörende Entwicklung? Eine Erklärung wird gerne hergenommen, dass unsere Welt, wie es immer so schön heißt, komplexer und unübersichtlicher geworden sei. Eigentlich müsste es heißen: gemacht worden ist. Und damit ist es auch schwerer bis nahezu unmöglich geworden, die Schuldigen dafür festzumachen, die Menschen in die Bredouille bringen und dafür verantwortlich sind, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht.

Die heutigen Verursacher an der Misere der Unterdrückten habe keine eindeutigen Adresse

In längst vergangenen Zeiten, empörten sich die kujonierten unteren Klassen, wenn sie sozusagen den Kanal voll hatten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie ihr Leben fristen sollten bei kargen Lohn. Als Schuldigen machten sie rasch die Großgrundbesitzer und Großbauern sowie die sie ausbeutenden Fabrikherren aus. Die hatten eine Adresse. Und dahin konnte man empört und wutentbrannt ziehen und seine Stimme erheben – wenn es sein musste, mit Mistforken in der Hand

Heute ist das zum Großteil ziemlich unmöglich, die Schuldigen an der Misere der Unterdrückten und deren Adressen ausfindig zu machen.

Noch beherrschen Konzerne die Welt nicht. Wege dahin sind jedoch bereits erkennbar

Der Journalist und Autor Jens Berger, Redakteur der NachDenkSeiten und Autor von Sachbüchern wie beispielsweise „Der Kick des Geldes“ (2005) und „Wem gehört Deutschland?“ (2014) hat sich für sein jüngstes Buch mit den wichtigsten Finanzkonzernen und mit deren Gebaren beschäftigt. Der Titel: „Wer schützt uns von den Finanzkonzernen? Die heimlichen Herrscher und ihre Gehilfen“. Die Gehilfen sind in der Wirtschaft und der Politik zu finden.

Dass Konzerne die Welt beherrschen ist zwar noch nicht in die Tat umgesetzt, aber Wege dorthin sind durchaus erkennbar.

Was hat das nun mit uns selbst zu tun? Sehr viel!

Die drei weiter oben genannten Konzerne, die nach der letzten Finanzkrise so enorm an Macht gewonnen haben sind tragen folgende Namen: BlackRock, Vanguard und State Street. Wenn Sie ein wenig informiert sind, liebe Leser*innen, werden sie von diesen dreien vielleicht nur vom ersten Namen – BlackRock – schon einmal etwas gehört haben. Bei BlackRock ist zum Beispiel Friedrich Merz beschäftigt und gewiss gut bezahlt.

Um Ihnen die Augen darüber zu öffnen, was diese drei Finanzkonzerne mit unserem täglichen Leben zu tun haben, lesen Sie bitte einen Auszug aus dem im Westend Verlag erschienenen Buch.

Das Kapitel (ab S.7) mit dem das Buch anhebt trägt die Überschrift:

„Frühstück mit BlackRock und Co.“

Morgens, 6.30 Uhr in Deutschland, der Wecker klingelt. Erst einmal unter die Dusche. Das Duschgel der Marke Axe stammt vom niederländisch-britischen Konzern Unilever. Dessen größter Aktionär ist der Finanzkonzern BlackRock. Das Wasser kommt von den Stadtwerken, an denen mehrheitlich der französische Konzern Veolia beteiligt ist, dessen zweitgrößter Anteilseigner ebenfalls der Finanzkonzern BlackRock ist. Die Zähne geputzt. Die Zahncreme der Marke Colgate stammt vom US-Konzerne Colgate-Palmolive, dessen größte Aktionäre die Finanzkonzerne Vanguard, BlackRock und State Street sind – zusammen gehören ihnen mehr als 22 Prozent des Unternehmens. Rein in die Jeans der Marke Levis, das Poloshirt von Ralph Lauren übergezogen und in die Sneaker von Adidas geschlüpft. Größte Anteilseigner der Levi Strauss & Co. sind die Price (T.Rowe) Associates und Vanguard. Bei der Ralph Lauren Corp. sind es Vanguard und BlackRock und beim deutschen Unternehmen Adidas ist BlackRock zweitgrößter Aktionär. Und nun noch schnell eine Schale Corn Flakes. Auch bei der amerikanischen Kellogg Company zählen BlackRock, Vanguard und State Street zu den größten fünf Anteilseignern. Bei der Konkurrenz vom Schweizer Nestlé-Konzern sieht es übrigens ganz ähnlich aus.

Noch mal schnell auf dem iPhone gecheckt, was es Neues auf Facebook und Twitter gibt – bei allen drei Konzernen sind Vanguard und BlackRock die größten Anteilseigner. Nun noch den Hund füttern – das Hundefutter von Eukanuba kommt von Procter & Gamble, größte Anteilseigner sind Vanguard, BlackRock und State Street. Und bevor es ins Büro geht, wird noch schnell ein Smoothie getrunken – der Smoothie-Hersteller Innocent gehört zur Coca Cola Company, bei der die Finanzkonzerne Berkshire Hathaway, Vanguard, BlackRock und State Street die größten Anteilseigner sind.

Die Liste ließe sich endlos fortführen und betrifft die gesamte Wertschöpfungskette. So stammen die Cerealien für die Corn Flakes womöglich vom weltweit führenden Agrarmulti Pioneer Natural Resources (Vanguard, BlackRock und State Street), wurden mit landwirtschaftlichen Maschinen des Weltmarktführers AGCO Corporation geerntet (Vanguard und BlackRock), mit der weltweit führenden Reederei A.P. Moeller – Maersk (Vanguard und BlackRock) in einem Containerfrachter von Hyundai Heavy (Vanguard und BlackRock) zur Fabrik transportiert, in einem Karton des Papiergiganten Stora Enso (Vanguard und BlackRock) verpackt und in einem Supermarkt der Metro AG (Vanguard und BlackRock) gekauft.

Oft umfasst dieses Besitzoligopol sogar eine gesamte Branche. Ob Ihnen nun die Deutsche Post, DHL, Fedex oder UPS das Paket bringen – bei all diesen Unternehmen zählen BlackRock und Vanguard zu den größten Anteilseignern. Ob sie mit ihrem Smartphone über D1, D2 oder O2 telefonieren – auch bei der Deutschen Telekom, Vodafone und Telefónica gehören diese Finanzkonzerne zu den größten Anteilseignern. Von Aareal Bank (BlackRock) bis zum Veterinärmedizinhersteller Zoetis (BlackRock und Vanguard) sind die deutschen Aktiengesellschaften fest in der Hand der Finanzkonzerne. Niemand besitzt mehr Anteile an deutschen Unternehmen als BlackRock. In Frankreich, Italien und Großbritannien sieht es genauso aus. In den USA ist BlackRock allerdings „nur“ die Nummer Zwei hinter Vanguard.
In der Sprache der Finanzmärkte werden Finanzkonzerne wie BlackRock oder Vanguard als institutionelle Investoren bezeichnet. Investmentfonds, Hedgefonds, Banken und Versicherungen komplettieren diese Gruppe. Zusammengenommen gehören ihnen nach einer aktuellen Studie des Harvard Business Review 80 Prozent aller Aktien der im S&P 500 Index gelisteten größten Aktiengesellschaften der USA. Bei 88 Prozent der S&P-500-Unternehmen heißt der größte Anteilseigner entweder BlackRock, State Street oder Vanguard.

Allein BlackRock hält mehr Aktien an Alphabet (Google) als Sergey Brin. Zusammen mit seinem Konkurrenten Vanguard hält BlackRock auch mehr Aktien an Amazon als Jeff Bezos und rund fünfundzwanzigmal so viele Aktien von Apple, wie der komplette Apple-Vorstand zusammen. BlackRock, Vanguard und State Street halten auch mehr Aktien an Facebook als Mark Zuckerberg. Auch bei den großen Rüstungskonzernen, den Banken und Big Oil sind die Finanzkonzerne die größten Anteilseigner und damit tonangebend. Nicht die ständig in den Medien präsenten Unternehmensspitzen sind die Lenker der größten und mächtigsten Konzerne der Welt, sondern mächtige Finanzkonzerne. Gemessen an dieser Machtfülle und Machtkonzentration ist es erstaunlich, wie wenig über BlackRock, State Street und Vanguard berichtet wird und wie wenig über die Interessen und Ziele dieses Giganten bekannt ist. Wer sind diese Konzerne und welche Ziele verfolgen diese Giganten?

Bei einer derart dünnen Berichterstattung ist es nicht weiter verwunderlich, dass es auch zahlreiche Gerüchte gibt, die sich hartnäckig halten. So werden BlackRock und Co. oft fälschlicherweise als Hedgefonds oder als Heuschrecken bezeichnet. Die Eigenbezeichnung dieser Konzerne ist schlicht Vermögensverwalter oder auf Englisch Asset Manager, was wiederum eine starke Untertreibung ist. Gerade so, als würde man den Handelsgiganten Amazon einen Einzelhändler nennen. In der Tat ist die Vermögensverwaltung das Kerngeschäft dieser Konzerne. Die Summen, um dies es dabei geht, entziehen sich jedoch jeder Vorstellungskraft. BlackRock verwaltet zurzeit 6,85 Billionen US-Dollar, Vanguard 5,6 Billionen US-Dollar und State Street 2,51 Billionen US-Dollar. Zusammen sind dies rund 15 Billionen US-Dollar, ausgeschrieben 15.000.000.000.000. Das sind rund 2.000 US-Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung – vom Neugeborenen in Ruanda bis zur Greisin in Japan. Würde man diese Summe zu gleichen Teilen unter Deutschlands Einwohnern aufteilen, bekäme jeder Bürger stolze 180.000 US-Dollar.

Freilich gehört dieses Geld nicht BlackRock und Co. Es handelt sich hierbei vielmehr um Kundeneinlagen. Das Geld kommt von Pensionsfonds, die beispielsweise die Altersrücklagen für New Yorker Lehrer oder kalifornische Polizisten verwalten. Es kommt von Staatsfonds, mit denen unter anderem die ölexportierenden Länder des Nahen und Mittleren Ostens ihre Deviseneinnahmen am Kapitalmarkt anlegen und für die Zeit nach dem Öl vorsorgen. Und es kommt von Einzelpersonen, die mal über weniger aber oft auch über sehr große Vermögen verfügen. Der Teufel scheißt halt doch immer auf den größten Haufen.

Befeuert werden die nimmer enden wollenden Kapitalzuflüsse dieser Unternehmen dabei durch ein Wirtschaftssystem, das umgangssprachlich meist als Neoliberalismus bezeichnet wird. Der Staat zieht sich global zunehmend aus der Daseinsvorsorge zurück und überlässt es seinen Bürgern, privat für das Alter vorzusorgen. Man spart auch für die Studiengebühren der Kinder und Enkel, die nicht mehr vom Staat getragen werden. Private Krankenversicherungen arbeiten nach dem Prinzip, dass die Beiträge, die die Versicherten in den jüngeren Jahren einzahlen, an den Kapitalmärkten Zinsen „erwirtschaften“ und die höheren Gesundheitskosten im Alter dann von dem gebildeten Kapitalstock finanziert werden können. Bis dahin müssen die Gelder jedoch angelegt werden. Zurzeit fließen jedes Jahr global 3,6 Billionen Euro an Beiträgen in Sach- und Lebensversicherungen, 2027 sollen es Prognosen der Versicherer zufolge 6,8 Billionen Euro sein. Das ist der Treibstoff mit dem der Motor der gigantischen Vermögensverwalter am Laufen gehalten wird und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.

So unbekannt die gigantischen Finanzkonzerne in der öffentlichen Wahrnehmung sind, so unterschiedlich sind ihre Geschäftsmodelle. Die Nummer Zwei, Vanguard, beschränkt sich weitestgehend auf die Vermögensverwaltung und ist dabei sogar genossenschaftlich organisiert; wie eine Volks- oder Raiffeisenbank gehört der Riese seinen eigenen Kunden und ist nicht primär darauf ausgerichtet, Gewinne zu erwirtschaften, sondern arbeitet nach dem Kostendeckungsprinzip. Und wenn doch einmal Gewinne erzielt werden, werden sie über eine Senkung der Verwaltungskosten an die eigenen Kunden weitergegeben. BlackRock und State Street sind hingegen selbst Aktiengesellschaften, die bestrebt sind, Gewinne zu erwirtschaften und Dividenden an ihre Aktionäre und Boni an das Management auszuschütten. Die meisten Anteile sind jedoch im Besitz von BlackRock und State Street selbst – Entscheidungsmacht und Kontrolle verbleiben also in ihren Händen.
Während bei Vanguard die Definition eines – wenn auch absurd großen – Vermögensverwalters noch greift, trifft dies auf BlackRock nicht mehr zu. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen einem Vermögensverwalter und einem Hedgefonds immer mehr. Das Kerngeschäft von BlackRock ist nach wie vor die treuhänderische Vermögensverwaltung für seine Kunden. Doch um dieses Ziel zu erreichen, betreibt BlackRock selbst ein ganzes Heer an aktiv gemangten Investmentfonds, die nicht nur mit Aktien oder Anleihen, sondern auch mit Finanzprodukten aller Art handeln. Die ohnehin schwammigen Grenzen zwischen einem Investment- und einem Hedgefonds sind hier fließend und werden oft überschritten. Treffender könnte man BlackRock daher wohl am ehesten als Schattenbank bezeichnen – das sind nach Definition der Bundesbank „diejenigen Akteure und Aktivitäten auf den Finanzmärkten […], die bankähnliche Funktionen (insbesondere im Kreditvergabeprozess) wahrnehmen, aber keine Banken sind und somit nicht der Regulierung für Kreditinstitute unterliegen“. Das trifft alles auf BlackRock zu. Ist das größte Finanzunternehmen der Welt also gleichzeitig die größte Schattenbank der Welt? Dazu später mehr.

Neben der Vermögensverwaltung hat sich BlackRock auch auf andere Tätigkeitsfelder im Finanzsystem spezialisiert. So gehört die von einem Konsortium rund um BlackRock betriebene Handelsplattform Luminex zu den größten und wichtigsten „Dark Pools“ des Finanzsystems – ein interner Umschlagplatz für Wertpapiere jeder Art, die sich der öffentlichen Regulierung entziehen und nur einem ausgesuchten Kundenkreis offenstehen. Über seinen Geschäftsbereich Private Credit vermittelt BlackRock zwischen privaten Kreditnehmern und Kreditgebern. Andere Unternehmensbereiche haben sich auf Beratertätigkeiten spezialisiert. Die Sparte BlackRock Solutions berät Staaten und Zentralbanken in Fragen, die ganz maßgeblichen Einfluss auf die von BlackRock selbst betriebenen Fonds haben. Über BlackRocks Analysesystem Aladdin werden von BlackRock und anderen Finanzkonzernen Vermögenswerte in Höhe von rund 20 Billionen US-Dollar auf mögliche Risiken geprüft. Auf Basis selbstentwickelter Algorithmen soll Aladdin den optimalen Mix zwischen Risiko und Ertragschancen ermitteln und stellt dabei womöglich selbst das größte Risiko für die Stabilität der Finanzmärkte dar.

Beherrscht wird das ganze System von einer kleinen Gruppe von Managern, die bei allen Unterschiedlichkeiten die Ideologie des Shareholder-Value eint – was gut für den Aktienbesitzer ist, ist gut für das Unternehmen und am Ende auch gut für die Allgemeinheit. So kann es dann sein, dass der Stahlarbeiter seine private Altersvorsorge einem Finanzkonzern überträgt, der auf der nächsten Jahreshauptversammlung seines Arbeitgebers einen Personalabbau durchsetzt, der den Stahlarbeiter am Ende selbst seinen Job kostet. Die Klasseninteressen werden dabei auf den Kopf gestellt. Der US-Milliardär Warren Buffet sagte vor wenigen Jahren : „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“. Das System der Vermögensverwaltung ist Teil dieses Kriegs.

Besitz bedeutet Macht. Wenn die großen Finanzkonzerne die größten Anteilseigner bei fast allen großen Konzernen sind, die die Geschicke unserer Welt bestimmen, kontrollieren sie diese Konzerne auch und bestimmen schlussendlich selbst die Geschicke unserer Welt. Und da macht es keinen Unterschied, ob das Kapital, mit dem sie operieren, ihnen selbst gehört oder ob sie es nur treuhänderisch für ihre Kunden verwalten. Nicht der Stahlarbeiter und noch nicht einmal der viele Milliarden US-Dollar schwere Pensionsfonds bestimmen, wie BlackRock, State Street und Co. auf den Hauptversammlungen der Unternehmen, an denen man beteiligt ist, abstimmen und welche Einflüsse sie auf die Unternehmensführung ausüben. Die mit dem Besitz einhergehende Macht üben diese Finanzkonzerne ganz allein aus. Noch nie waren die Entscheidungsprozesse derart undemokratisch. Noch nie war so viel Macht in den Händen so weniger.

Dieses Buch soll aufzeigen, wie es zum sagenhaften Erfolg der Vermögensverwalter und Schattenbanken kommen konnte und welche Geschäfte sie genau betreiben. Getreu dem Motto „Man sollte verstehen, was man kritisiert“ soll versucht werden, diese Entwicklungen nicht nur aufzuzeigen, sondern auch einzuordnen und dabei die grundlegenden Mechanismen zu erklären. Das ist auch deshalb so wichtig, weil diese Entwicklungen nicht haltmachen werden, wenn man sich ihnen nicht aktiv entgegenstellt und der Einfluss der Finanzkonzerne in den letzten Jahren dank massiver Lobbyarbeit merklich zugenommen hat. Zurzeit ist nicht einmal ausschließen, dass mit Friedrich Merz der Chef-Lobbyist von BlackRock Deutschland der nächste Bundeskanzler wird.

Die drei Finanzkonzerne BlackRock, Vanguard und State Street verwalten zusammen 15 Billionen US-Dollar

Hätten Sie das gewusst? Vielleicht gehen Sie beim nächsten Einkauf mit anderen Gedanken einkaufen. Oder hernach mit der Frage schwanger: Wie kann ich diesen Finanzkonzernen entrinnen?

Das Gefährliche an diesen Finanzkonzernen, so Jens Berger, ist die Tatsache, dass sie – am ehesten sicher BlackRock – an vielen verschieden Unternehmen beteiligt sind und sie so großen Einfluss nehmen können. Dabei geriert sich BlackRock als Vermögensverwalter, die Geld treuhänderisch verwalten und es meist in Aktien und Anleihen anlegen. Darüber, so Berger, bekämen ein gigantische Macht bei den großen Aktiengesellschaften. Allein in Deutschland sei BlackRock bei jedem zweiten DAX30-Unternehmen der größte Aktionär! Jens Berger lässt die Alarmglocken betreffend der enormen Machtkonzentration durch die hohen Unternehmensanteile der Finanzkonzerne läuten: Noch nie sei habe sich so viel Macht in den Händen so weniger befunden.

Wir erfahren: Nur BlackRock alleine verwaltet 7 Billionen US-Dollar! Mit den Konzernen Vanguard und State Street seien das zusammen 15 Billionen US-Dollar. Was 2.000 Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung bedeuteten!

Gefahr für die eh schon rissig gemachte gesetzliche Rente

Nicht von schlechten Eltern auch die Tatsache, dass diese sich harmlos klingend Vermögensverwalter nennenden Finanzkonzerne ihren Honig hauptsächlich aus Produkten der privaten Altersvorsorge ziehen, die von ihnen verwaltet werden. Daher hätten sie also ein großes Interesse daran, die Politik (wir kennen das: via Lobbyismus) davon zu überzeugen, die private Altersvorsorge zu stärken und die bereits angegriffene gesetzliche weiter zu schwächen. Wird also die Finanzlobby unser bereits rissig gemachtes Rentensystem auf Dauer betrachtet den Todesstoß versetzen? Man wird betreffs dessen das Agieren von BlackRock-Gründer Larry Fink (der sich in Sachen Rente bereits bedenklich eindeutig geäußert hat) und seines deutschen Chef-Lobbyisten Friedrich Merz ganz genau verfolgen müssen.

Autor recherchierte akribisch die Strukturen der großen Finanzkonzerne

Vieles was wir zu diesem offensichtlich akribisch recherchierten Thema in dem uns vorliegenden neuen Buch von Jens Berger lesen, ist nicht unbedingt neu. Zumindest, wenn man sich etwas näher mit dem Thema beschäftigt hat oder man ein regelmäßiger Leser der NachDenkSeiten ist.

Zu loben ist an dem Sachbuch, dass von dessen Autor ziemlich genau in die Strukturen der drei großen Finanzkonzerne hineingeleuchtet wurde und wir so besser verstehen, wie diese ticken und welche Auswirkungen deren Tun im Einzelnen haben.

Das Einfache, das schwer zu machen, aber nicht unmöglich ist: Den Finanzkonzernen entgegenwirken

Ab Seite 275 unter „Wie schützen wir uns vor den Finanzkonzernen?“, dass BlackRock und Co. „weder moralisch, noch unmoralisch, sondern amoralisch“, „ein technokratisches System“, „undemokratisch“ sind und weder „Gerechtigkeit noch Solidarität“ kennen, „Triebfedern der Umverteilung von unten nach oben“, sowie ein logische Folge der Deregulierung, der Privatisierung und der Globalisierung“, „ein Ergebnis jahrelanger Lobbyarbeit“ und „die globalisierte Version des Glaubens an die Märkte“, „selbsterhaltend, selbstregulierend“ sind und „die Regeln des Kapitalismus“ neu definieren und „eine Machtkonzentration“, „die historisch einmalig ist“, aber „dennoch nur Symptome eines tieferliegenden viel größeren Problems“ sind.

Dem Finanzkonzernen wirkungsvoll entgegenzutreten – Jens Berger verspricht sich und uns da gewiss nicht eine rasche weder einfache Lösung – doch immerhin sechs Punkte auf, durchaus infrage kämen. Fragt dann aber im Anschluss (S.280): „Wie realistisch sind diese Vorschläge?“ Und gibt darauf sogleich die Antwort: „Leider nicht sonderlich.“ Weil es auf nationaler Ebene keinen erkennbaren politischen Willen gebe und die nationalstaatlichen Einflussmöglichkeiten ohnehin meist durch internationale Abkommen und Handelsverträge ausgehebelt seien.

Kleine Schritte seien aber machbar, jedoch ohne „nennenswerte Stoppwirkung“. Jens Berger: „All diese Maßnahmen – so wichtig und richtig sie auch sein mögen – sind im Grunde“, räumt der Autor ein, „nichts anderes als ein Herumdoktern an den Symptomen.“ Und weiter: „Wer das System der Finanzkonzerne ernsthaft eingrenzen will, der muss eine Ebene tiefer gehen und ihnen die Luft nehmen“, spricht Berger sozusagen Tacheles, „die sie zum Atmen brauchen“.

Etwas Hoffnung lässt der Spiegel-Bestsellerautor dennoch im Kapitel „Nichts ist unmöglich“ (ab S.281) eingedenk eines bekannten Werbesolagans aufglühen. Letztlich – und das ist einleuchtend das Einfache, das schwer zu machen ist – sei es notwendig, diese Finanzkonzerne überflüssig zu machen. Was freilich bedingt, dass wir uns vom neoliberalen Holzweg auf den sich Politiker durch einflussreiche Einflüsterer und Lobbyisten haben locken lassen, verlassen, ein für alles Male, und hinter uns abbrechen, um fürderhin Wege zu beschreiben, die einer menschlichen Gesellschaft förderlich sind. Jens Berger endet, wieder Anleihe bei dem bekannten Werbespruch nehmend: „Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.“

Losgehen sollte es gleich nach der Lektüre dieses empfehlenswerten Buches. Denn der Hut brennt …

Jens Berger

Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen?

Die heimlichen Herrscher und ihre Gehilfen

Erscheinungstermin: 13.01.2020
Ausstattung:Klappenbroschur
Artikelnummer:9783864892608

Preis: 22,00 Euro

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden