Zweierlei Maß bei ARD und ZDF

Sommerinterviews Geht es um Interviews mit Regierungsmitgliedern ziehen ARD und ZDF Glacéhandschuhe an. Gegen DIE LINKE geht es mit dem Vorschlaghammer.

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Es ist schon viel zu lange ein Ärgernis für TV-Zuschauerinnen und Zuschauer: Die öffentlich-rechtlichen Fernsehmedien – ob im Bereich Nachrichtensendungen oder in diversen politischen Formaten – kommen einfach ihren Grundaufgaben nur mehr recht und schlecht nach. Was noch freundlich ausgedrückt ist. Immer öfters vermitteln ARD und ZDF den Eindruck, dass sie zum Staatsfernsehen mutiert sind. Zum Staatsfernsehen, dass der Regierung anscheinend nachgeschaltet ist. Zumindest mangelt es öfters Moderatoren und Interviewern an Fingerspitzengefühl und dem nötigen Biss. Von journalistischer Gleichbehandlung politischen Personals kann nicht die Rede sein. Vertreter aus dem Regierungsapparat werden zu oft gleich mit doppelten Glacéhandschuhen angefasst. Dazu machen die Interviewer verbale Bücklinge. Hartes Nachfragen, wenn ihnen etwa Bundeskanzlerin oder Bundespräsident thematisch ausbüxen, kommt da gar nicht in die Tüte. Die so genannte Opposition (SPD, Grüne) greift man mit der Flachzange an. Vorwiegend Personal der Partei DIE LINKE jedoch bearbeiten öffentlich-rechtliche Kanalarbeiter wie Rainald Beckers, Ullrich Deppendorf oder Thomas Walde nur allzu gerne und mit unüberhörbarer Inbrunst mit dem Vorschlaghammer. Gleich zwei Negativbeispielen dafür, konnte wer wollte, am vergangenen Sonntag beiwohnen. In den Sommerinterviews von ARD und ZDF.

Nun kann man zwar den Nährwert dieser Sommerinterviews ohnehin für sehr gering halten. Doch wenn dann zu Plattheit noch offene Feindseligkeit kommt, ist der Zuschauer, der die Erfüllung des Programmauftrags erwartet, verstimmt. Vierte Gewalt? Na, schönen Dank ARD und ZDF!

Negativbeispiel Nr. 1: ARD-Interview von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP)

Rösler hatte einst versprochen zu liefern. Am Sonntag lieferte er. Und zwar Griechenland sozusagen der Pleite aus. Der Austritt Griechenlands aus der Eurozone habe inzwischen seinen Schrecken verloren, behauptete da der FDP-Mann. Die ARD-Herren Becker und Deppendorf hätten doch nach dieser unglaublichen Behauptung sofort die Glacéhandschuhe ausziehen und härter nachfragen müssen. Immerhin ist für den Fall einer Pleite Griechenlands mit enormen Auswirkungen für Spanien, Portugal oder Italien und nicht zuletzt auch für die deutsche Wirtschaft zu rechnen. Deppendorf und Becker ließen es Rösler durchgehen. Dafür durfte Philipp Rösler, dabei jeglichen nationalökonomischen Sachverstand vermissen lassend, loswerden: „Röslers haben Schulden, die haben sich ein Haus gekauft, wenn ich jetzt Herrn Trittin fragen würde, ob er sich an unseren Hausschulden beteiligen würde, privat ganz persönlich, vermute ich mal, er würde es nicht tun.“ Erinnert stark an das für Volkswirtschaften untaugliche Vergleichsbeispiel von der „Schwäbischen Hausfau“. Wieder ließen die Interviewer Rösler ausflutschen. An ihnen wäre es nun gewesen, Röslers mit dessen eigenen Beispiel vom Frosch im brodelnden Kessel Feuer unterm Hintern zu machen. Schließlich wird jetzt schon – und erst recht mit dem Fiskalpakt – auf europäischer Ebene genauso verfahren wie im Rösler-Trittin-Szenario. Doch es handelt sich kaum um das Geld der Röslers noch um das der Trittins. Es ist das Geld der deutschen Steuerzahler. Röslers unverantwortliches Geplapper hat gestern für Unruhe an den Börsen gesorgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte ihn dafür eigentlich entlassen müssen. Apropos Griechenland: Man weiß ja längst, dass das Land pleite ist. Wahrscheinlich soll nur erst mal das Gros der Gläubiger befriedigt werden, bevor man das Land – das ist EU-Solidarität! – fallen lässt. Heute ist laut Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker wieder alles in Butter und keine Rede vom Rösler-Szenario.

Hier das ARD-Sommerinterview mit Philipp Rösler via ARD-Mediathek.

Negativbeispiel Nr. 2: ZDF-Sommerinterview mit der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Katja Kipping

Katja Kipping konnte keine Glacéhandschuhe erwarten. Für Linke und DIE LINKE gelten hierzulande andere, härtere, Maßstäbe. ZDF-Interviewer Thomas Walde hatten von Anfang an den Vorschlaghammer gezückt. Und er schlug erbarmungslos damit zu. Katja Kipping bewunderte ich. An ihrer Stelle hätte ich das Studio stante pede verlassen. Man muss DIE LINKE nun nicht lieben, noch deren Wähler dieser jedoch zweifellos in Deutschland notwendigen Partei sein. Aber es war schon mehr als ärgerlich am Sonntagabend mitzuerleben, wie Thomals Walde grimmig-verbissen mit den üblichen Klischees betreffs der Partei DIE LINKE hantierte. Meinungsmache übelster Sorte. Kipping wurde unterbrochen, was das Zeug hielt. Und die Politikerin wurde „gestellt“, dass es nur so krachte. Klar: es musste (sollte?) ja wieder einmal herauskommen, dass DIE LINKE ein einziges Übel für das Land uns seine Menschen ist. Dass sie zerstritten ist, etwas gegen Reiche hat und nicht als Regierungspartei taugt. Meinungsmache. Katja Kipping bewahrte die Ruhe. Sie blieb freundlich und setzte – so Walde sie nicht im Ansatz unterbrach – abermals zur Antwort an. Dann schließlich freute sich Walde offensichtlich das Thema gefunden zu haben. Der Vorschlaghammer sauste endlich auf Kipping nieder. Die LINKEN-Chefin wurde nämlich gefragt, ob sie denn für humanitäre Hilfseinsätze betreffs Syriens sei. Ehrlich erklärte Katja Kipping, sie sei Pazifistin. Das blieb hängen. Obgleich Kipping auch daraufhin wies, dass es in ihrer Partei natürlich auch andere Meinungen zu solchen Hilfs- oder gar robusteren Einsätzen gibt und bei einem Regierungseinsatz ja über so etwas verhandelt werden müsse. Walde war’s zufrieden. Die Redaktion verpasste dem Interview die Überschrift „Ich bin Pazifistin.“. So würde DIE LINKE wieder einmal desavouiert sein, dachte sich das ZDF da wohl. Mit so einer Partei ist kein Staat zu machen. Hätte allerdings Katja Kipping am Sonntag doch nur den Fischer, Joschka gemacht und ein deutschen Kriegseinsatz in Syrien gefordert! Dann hätte das Staatsfernsehen ZDF und Kanalarbeiter Walde rasch den dicken Vorschlaghammer aus der Hand gelegt. Und die Linke wäre mit Glacéhandschuhen fein gestreichelt worden. Eines wurde im ZDF-Sommerinterview wieder einmal klar: Die politische Linke insgesamt wird nie eine Chance erhalten in Deutschland. Journalistische Meinungsmache über elektronischen Medien und Presse wird dafür sorgen.

Aber machen Sie sich selbst ein Bild. Hier in der ZDF-Mediathek ist das Sommerinterview mit Katja Kipping abrufbar.

Diese beiden Negativbeispiele belegen: Es ist etwas faul bei den Öffentlich-Rechtlichen. Politiker sind vor ARD und ZDF nicht gleich. Ob sie mit Bücklingen bedacht oder mit dem Vorschlaghammer niedergemacht werden, entscheiden die offenbar bis in die Senderzentralen hineinregierenden Mächtigen dieser Republik. ARD und ZDF kommen ihren auf das Grundgesetz zurückgehenden Programmaufträgen längst nur mehr recht und schlecht nach. Da müsste einmal frischer journalistischer Wind herein! Aber da – wie in der hohen Politik – stinkt der Fisch vom Kopfe her. Demokratischer Aufbruch ist angebracht. Er müsste die gesamte Gesellschaft umfassen.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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