2014 – Das Kintsugi Jahr

Kintsugi oder Kintsukuroi nennt man in Japan die Kunst der "goldenen Reparatur"

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Im vergangenen Jahr machten mich australische Freunde auf eine alte, japanische Töpfertechnik aufmerksam: Kintsugi wurde im 15ten Jahrhundert auf der Suche nach ästhetischen Reparaturlösungen erfunden. Eine zerbrochene chinesische Teeschale – zur Reparatur nach China geschickt – war, als sie zurück kam mit groben metallenen Klammern notdürftig geflickt. Dies gab den Anlaß japanische Töpfer mit der Entwicklung eigener Reparaturtechniken zu betrauen. Kintsugi (goldene Naht) ist seither eng mit der japanischen Töpferkunst, besonders den Utensilien der Teezeremonie verbunden.

Lack und klebrige Harze dienen als Nahtstelle beim Zusammenfügen zerbrochener Tonscherben. Die entstandene Bruchstelle wird anschließend durch den Auftrag von Goldstaub veredelt. Auf diese Weise entsteht ein ästhetischer Akzent. Statt sie zu verstecken wird die Bruchstelle ganz besonders hervorgehoben.

Ähnlich der buddhistischen Philosophie des Wabi Sabi baut auch Kintsugi auf dem Prinzip des Fehlers oder Makels, kurz der Imperfektion auf. Asymmetrie, Unregelmäßigkeit und Einfachheit sind Elemente, die in ihrer Radikalität sowohl im Wabi-Sabi als auch Kintsugi immer wieder beeindrucken.

Die Idee dahinter ist so atemberaubend schön wie sie einfach ist: Die individuelle Geschichte der Objekte zu betonen, denn erst die Bruchstelle macht die wahre Schönheit eines Gegenstands aus. Erst durch den Makel entsteht unverwechselbare Einzigartigkeit.

Dies gilt nicht nur für Tonschalen. Uns allen ganz viel Kintsugi im kommenden Jahr.

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Geschrieben von

silvio spottiswoode

»Ohne Griechenland kann man Europa umbenennen, etwa in Horst.« (Nils Minkmar)

silvio spottiswoode

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