Das entgrenzte Museum

Italien Sommer, Sonne, Urlaubszeit. Unterwegs im größten europäischen Museum. Ein Reisebericht aus Siena und Arezzo

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Cattedrale di Santa Maria Assunta in Siena, einem früheren Stadtstaat in der Toskana
Die Cattedrale di Santa Maria Assunta in Siena, einem früheren Stadtstaat in der Toskana

Reisen, und sich die Arbeiten inspirierender Künstler endlich einmal an Ort und Stelle im Original ansehen. Italien. In seiner wunderbaren Blogreihe Sichtbare Spuren von Dante (I-III) hat Michael Jäger Reiseerlebnisse gebloggt: Florenz (1) – die Festung und das Kloster San Marco (2), ebenso wie die Signorelli Fresken im Dom von Orvieto. Das war der Auslöser für diesen Blog: Hier nun meine Impressionen von Siena und Arezzo, als Bildstrecke.

01. SIENA

Siena, wie mehr oder weniger alle historischen Städte der Toskana, liegt strategisch auf einer Anhöhe. Unsichere Zeiten, feudale Strukturen; zwischen Kriegen, Plünderungen, Ausbeutung, Machtkämpfen, politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen aller Art wurde hier, in Italien, vor mehr als 700 Jahren die europäische Kunst begründet.

Schon von weitem erblickt man den bekannten Turm, wie er sich gen Himmel streckt, hoch oben auf einem Berg. Aber nicht der Turm, die Delphin-Schilder und -Skulpturen sind es; sind mit das Allererste, was der Reisende von dieser Stadt zu sehen bekommt. Denn da, wo andernorts an den Hausmauern Straßennamen prangen, da finden sich in Siena die Delphine: Delphinfliesen und -Lampen. Bei Betreten der Stadt, in den kühlen, schattigen, engen Gassen erblickt man ein detailliertes, jahrhundertealtes – ja, wie nennt man das? Delphin-Leitsystem?

Siena, bekannt für das historische Pferderennen auf dem gewölbten Piazza del Campo; zur Südseite hin eingefasst vom Rathaus mit dem berühmten Turm – Palazzo Pubblico; Siena ist schon von der mittelalterlichen Anmutung her ganz anders als Florenz. Dunkler, kühler, enger. Reduzierter. Frühgothik, mit etruskischem Einschlag. Die vorherrschende Farbe ist Backsteinrotbraun. Fast schon düster; auf jeden Fall irgendwie schwerer, sehr viel ernster als man es von einer italienischen Stadt allgemein erwarten würde.

https://farm6.staticflickr.com/5473/9128503903_8e57e648cd.jpg https://farm6.staticflickr.com/5474/9130776352_0b420186ee_z.jpg https://farm8.staticflickr.com/7439/9128847683_b931301fbd_z.jpg https://farm6.staticflickr.com/5462/9128539519_d57baf4d1e.jpg https://farm6.staticflickr.com/5324/9131052424_0ec3c7ac5c_z.jpg https://farm3.staticflickr.com/2825/9128831441_018571f6bf_z.jpg https://farm3.staticflickr.com/2891/9130648052_496ae30e9b_z.jpg

https://farm6.staticflickr.com/5523/9130767712_8763ec9ed8_z.jpg

https://farm6.staticflickr.com/5340/9130760668_47a901486d.jpg

______________________________________________

Piazza del Campo und Palazzo Pubblico, Siena ______________________________________________

Nach ca. einer halben Stunde orientierungslosen Wanderns durch die düsteren, engen Gassen spült einen der Menschenstrom plötzlich auf den gleißend hellen Domplatz, Piazza del Duomo. In dessen Mitte sich der kolossale, weisse Dom schillernd vor einem aufbaut.

02. Der Dom

______________________________________________

Cattedrale di Santa Maria Assunta, Siena

______________________________________________

https://farm6.staticflickr.com/5506/9128516275_d45bb6d91e.jpg https://farm8.staticflickr.com/7367/9130736954_bfcb279146_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3778/9128826781_0df8e9c2d5.jpg https://farm8.staticflickr.com/7356/9128479567_8de186c362.jpg https://farm3.staticflickr.com/2873/9128703953_d99d64359a_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3763/9128473191_6f78922d41.jpghttps://farm4.staticflickr.com/3732/9128716019_4200ee3d22.jpg https://farm6.staticflickr.com/5324/9130909198_bf7c4ac029.jpg https://farm6.staticflickr.com/5498/9128709801_b388d0f1ec.jpg https://farm6.staticflickr.com/5325/9128616969_9fec251ebd.jpg https://farm6.staticflickr.com/5504/9128636347_28917ec0b7.jpg https://farm8.staticflickr.com/7347/9130834000_f926a98ac4_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3726/9128642829_d5d303be07_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3756/9128667875_3a7576e095.jpg https://farm6.staticflickr.com/5344/9128491937_0dfd6cfc83.jpg https://farm3.staticflickr.com/2848/9128692079_3f914aeed6.jpg

03. Piccolomini Bibliothek, im Dom von Siena

______________________________________________

- Über die Fresken der Piccolomini Bibliothek / Frescoes in the Piccolomini Library of the Duomo in Siena by PINTURICCHIO

- Informationen zur Bibliothek allgemein

______________________________________________

https://farm8.staticflickr.com/7365/9128775757_305a785dcf_z.jpg

https://farm4.staticflickr.com/3756/9128467315_a9d25be1ef.jpg

https://farm4.staticflickr.com/3706/9128770983_e9bf3cb68b.jpg https://farm8.staticflickr.com/7416/9130658644_2032c46b24.jpg https://farm8.staticflickr.com/7282/9128452901_4807b981d5.jpg https://farm4.staticflickr.com/3667/9128755331_26f05558e5_z.jpg https://farm8.staticflickr.com/7421/9128728857_0c542df895_z.jpg https://farm8.staticflickr.com/7322/9131012518_75686a932f_z.jpg

______________________________________________

Illuminationen/Manuskripte der sieneser Buchmaler Liberale da Verona und Girolamo da Cremona, 1466 -1478. Maler und Bildhauer Bernardino di Betto/Pinturicchio (frescoes); Lorenzo di Mariano, Giovanni di Stefano, Alberto di Betto da Assisi (Eingang)

______________________________________________

Heute pilgert man zu geliebten Werken gerade so wie früher im Mittelalter Gläubige den Jakobsweg entlangwanderten. Das Bild hängt in einer Kirche, in einem Museum, in einer kleinen Stadt. Also hinfahren. Sich durchfragen; Orientierung verschaffen. Und, bevor man am Ziel ist fallen einem buchstäblich ein Dutzend andere Kunstwerke, sozusagen unverhofft einfach vor die Füße.

Vor Erschöpfung stolpern müde Reisende in eine düstere, feuchte Kirche. Die Augen – kaum an die Dunkelheit gewöhnt – erblicken sie da, zwischen dem Riss in der Wand und der moosgrünen Stelle; da, schon wieder eins: Ist das nicht auch ein Fresco von Piero della Francesca, dort hinten in der Ecke?

Bilder und Gebäude, aus Büchern und in der Theorie seit Jahren bekannt, aber von denen man eben nicht vermutete, dass sie genau hier beheimatet sind. Dreht man sich um, zack, springt einem ein jahrhundertealtes Kunstwerk ins Auge. Du wartest an einer Ampel, starrst so vor Dich hin, der Blick gleitet nach oben, da, plötzlich entdeckst Du die Kuppel eins Gebäudes. Genau die, die Vorlage für XYZ war. So ähnliche Erlebnisse hat man hier so gut wie an jeder Ecke, in allen Städten, Kirchen etc.; sogar mehrfach am Tag. Die Toskana ist ein einziges riesiges Museum, durchdrungen von kultureller Bedeutung auf Schritt und Tritt.

Da möchte eine*r in Ruhe, entspannt einen langweiligen Urlaub machen: Bam zack. Stattdessen erwartet eine*n ein veritables Feuerwerk der Kunst. Ein Knaller nach dem anderen. Ein Werk schöner, bedeutender, oft auch restaurierungsbedürftiger als das Nächste. Sinnesorgie pur, das ist die Toskana. Abends fallen Reisende erschöpft, mit schmerzenden Füßen - renaissanceglücklich eingebettet in die halbe Kunstgeschichte - in den Schlaf. In freudiger Erwartung der Entdeckungen des neuen Tages.

04. AREZZO

______________________________________________

Die Arkaden am Piazza Grande in Arezzo sind ein Prototyp und stammen von Giorgio Vasari. Später baute er eine ausgereiftere, größere Version in den Uffizien in Florenz.

______________________________________________

https://farm3.staticflickr.com/2846/9137195454_1a561343cd.jpg

https://farm8.staticflickr.com/7375/9137267868_9214627609.jpg https://farm8.staticflickr.com/7288/9137288250_5c2b2cd4f7.jpg https://farm4.staticflickr.com/3718/9135042213_53b79eb89c_z.jpg

______________________________________________

In den Kirchen San Domenico und San Francesco befinden sich Fresken von Piero della Francesca, einem der bedeutensten Maler, Mathematiker und Kunsttheoretiker der Frührenaissance.

______________________________________________

https://farm3.staticflickr.com/2838/9137354276_82bcd83bec_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3799/9137358836_a6a5f4bbe7_z.jpg https://farm8.staticflickr.com/7447/9137368540_28dff1ef02_z.jpg

https://farm8.staticflickr.com/7430/9135026941_79c9c06100.jpg https://farm4.staticflickr.com/3816/9137587102_8b76370a0f.jpg https://farm3.staticflickr.com/2813/9137296596_500f82eb7a_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3777/9135357065_d40a30b8c3.jpg https://farm6.staticflickr.com/5459/9137323688_6b4f85f0cb_z.jpg https://farm8.staticflickr.com/7306/9135346095_18aa4c5bde_z.jpg https://farm4.staticflickr.com/3678/9135290267_6a0cd363cc_z.jpg https://farm3.staticflickr.com/2811/9137319848_4751574835.jpg https://farm3.staticflickr.com/2851/9135093619_1ea97c1909_z.jpg https://farm8.staticflickr.com/7337/9135122313_0c893bff17.jpg https://farm3.staticflickr.com/2854/9137309698_2cfe8f32e0_z.jpg

05. Casa Vasari

______________________________________________

Casa Vasari Via XX Settembre, 55, 52100 Arezzo AR, Italy
+39 0575 409040

______________________________________________

Das erste Buch, das ich im Kunststudium zu lesen bekam war, Lives of the Artists/Das Leben der Künstler von Giorgio Vasari.

Vasari lebte und arbeitete in Arezzo. Er war nicht nur Biograph und Maler. Er prägte vor allem auch die Renaissance Architektur von Florenz. Ein Pilotprojekt der Arkaden in Florenz steht in Arezzo am Marktplatz.

Das Wohnhaus Vasaris ist nicht leicht zu finden, denn es liegt etwas abseits. Ist man erst dort; ist alles verschlossen. Man muss stürmisch klingeln, und einen mürrischen alten Mann am Eingang überwinden – der einem auf Italienisch erklärt es hätte keinen Sinn hinein zu gehen, denn es würde sowieso bald geschlossen. Und hineinzugelangen lohnt sich natürlich immens. Schon wegen der Malerei Vasaris, den vielen großartigen Fresken von des Meisters Hand. Man bekommt direkt soetwas wie Nackenstarre, weil man die ganze Zeit die atemberaubend detaillierten Bilder der hohen Decken betrachtet.

Sehr zu empfehlen auch der Garten, der tatsächlich über der Strasse gelegen ist.

https://farm4.staticflickr.com/3675/9137601812_545c37c090_z.jpg https://farm6.staticflickr.com/5344/9137597302_fb4cca0342.jpg https://farm6.staticflickr.com/5525/9137713442_c9e8332d01.jpg https://farm6.staticflickr.com/5463/9135484055_e2e47a94e3.jpg https://farm6.staticflickr.com/5452/9137708362_947edbd77c.jpg https://farm3.staticflickr.com/2859/9137718930_bafeddf22b.jpg https://farm8.staticflickr.com/7311/9135478857_cb81ff7467.jpg https://farm4.staticflickr.com/3774/9137692828_e93d531ddf.jpg https://farm4.staticflickr.com/3795/9137653744_f0a5f3c78f.jpg https://farm3.staticflickr.com/2826/9137660132_898c1045be.jpg https://farm6.staticflickr.com/5471/9135446121_a9ecb2b697.jpg

https://farm8.staticflickr.com/7328/9135125945_f77718b121_z.jpg

______________________________________________

Casa Vasari Via XX Settembre, 55, 52100 Arezzo AR, Italy
+39 0575 409040

______________________________________________

Bildmaterial: Selbst, ganz alleine, me myself and I, the bestofthebestofthebestest photographers in the whole world, yo! Hope you liked them.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

silvio spottiswoode

»Ohne Griechenland kann man Europa umbenennen, etwa in Horst.« (Nils Minkmar)

silvio spottiswoode

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden