Journalisten, die Grammatik-Aktivisten

Jacob Appelbaum Furiose Rede beim Logan CIJ Symposium: Für Whistleblower-Schutz und Neudefinition des Journalismus. Viele wichtige Punkte, unbedingt auch relevant für unabhängige Blogger

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Auf der diesjährigen Logan Konferenz des Centre for Investigative Journalism in Berlin, feuerte der unabhängige Journalist und Mathematiker Jacob Appelbaum eine geballte Ladung Kritik an unserem machtverliebten journalistischen Establishment ins Publikum.

Appelbaum – verantwortlich für die Leaks zu Merkels Handyüberwachung und selbst seit Jahren im deutschen Exil – thematisiert in seiner Rede das eklatante Machtgefälle zwischen institutionell arbeitenden Journalisten und unabhängig agierenden »Aktivisten«. Und Bloggern. Die im Zweifelsfall den aufklärungsfeindlichen, gegenläufigen Regierungsinteressen durch die Anti-Terror-Gesetzgebung einfach nur schutzlos ausgeliefert sind. Aufklärerische, idealistische Whistleblower, die sich ohne gesetzlichen Schutz für Demokratie und eine freie Gesellschaft einsetzen; geopfert auf dem totalitären Altar der Mächte.

Toll finde ich, wie persönlich Appelbaum in seiner Rede an das Thema ran geht. Dass er ganz konkret Namen und Institutionen benennt, und so die tatsächliche Brisanz der Situation greifbar macht. Er kritisiert beispielsweise den Guardian für schlechte und intransparente Kommunikationspolitik gegenüber den wichtigen Mitarbeitern der Snowden Story; oder auch dafür, Wikileaks Informationen, Teile der Snowdendokumente, die Pro:Publica veröffentlichen wollte nicht freizugeben.

Vor allem aber – und was ich persönlich noch viel enttäuschender finde – ließe der Guardian unabhängige Journalisten und Mitarbeiter wenn's hart auf hart kommt ohne Hilfe oder juristische Unterstützung einfach fallen. Statt eines tatkräftigen Einsatzes für seine Freilassung bekam Julian Assange lediglich ein »Körbchen Seife und Socken geschenkt«.

Kein Rumlavieren hier. Appelbaum bezieht ganz klar Position. Er disst die Praxis der New York Times sich lieber mit dem CIA zu beraten - statt ihrer Pflicht nachzukommen, die Öffentlichkeit angemessen über die Vorgänge zu informieren.

Appelbaum fragt »Was für ein Journalismus ist das, den die großen Zeitungen da machen? Kritik müsste erlaubt sein. Journalisten machten sich zu Kollaborateuren wenn sie nur stenografieren was den Mächtigen genehm ist.

Abschließend, für mich war der vielleicht wichtigste Punkt in Appelbaums Rede, die Verbindung zwischen Überwachung und Kapitalismus. Die Tangente zwischen der heuchlerischen, opportunistischen Arbeitsweise großer Medienhäuser und ganz klaren wirtschaftlichen Interessen. Appelbaum benennt den Wettbewerb untereinander, der statt Zusammenarbeit jeden innerhalb des Systems zum Feind des anderen werden lässt.

Und er sieht in den Anti-Terror-Gesetzen Instrumente unliebsame Mitarbeiter und Bürger gegeneinander aufzuhetzen. Menschen, die wichtige journalistische Arbeit leisten, würden aus dem schützenden Zelt des Journaslismus ausgegrenzt und als »Aktivisten statt Journalisten« gelabelt, zu Hilfsarbeitern herabgestuft. Schlimmer noch zu Freiwild erklärt, und zwar gänzlich ohne den Schutz auch nur rudimentärster gesetzlicher Rahmenbedingungen.

»Von Aktivismus zu sprechen bedeutet, soziales Engagement als etwas zu verstehen, was außerhalb der sozialen Norm passiert.«

Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?

Ganz toller Vortrag, unbedingt anhören. It's a Must for every self-respecting Blogger.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

silvio spottiswoode

»Ohne Griechenland kann man Europa umbenennen, etwa in Horst.« (Nils Minkmar)

silvio spottiswoode

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