Auf der diesjährigen Logan #logancij16 Konferenz des Centre for Investigative Journalism in Berlin, feuerte der unabhängige Journalist und Mathematiker Jacob Appelbaum eine geballte Ladung Kritik an unserem machtverliebten journalistischen Establishment ins Publikum.
Appelbaum – verantwortlich für die Leaks zu Merkels Handyüberwachung und selbst seit Jahren im deutschen Exil – thematisiert in seiner Rede das eklatante Machtgefälle zwischen institutionell arbeitenden Journalisten und unabhängig agierenden »Aktivisten«. Und Bloggern. Die im Zweifelsfall den aufklärungsfeindlichen, gegenläufigen Regierungsinteressen durch die Anti-Terror-Gesetzgebung einfach nur schutzlos ausgeliefert sind. Aufklärerische, idealistische Whistleblower, die sich ohne gesetzlichen Schutz für Demokratie und eine freie Gesellschaft einsetzen; geopfert auf dem totalitären Altar der Mächte.
Toll finde ich, wie persönlich Appelbaum in seiner Rede an das Thema ran geht. Dass er ganz konkret Namen und Institutionen benennt, und so die tatsächliche Brisanz der Situation greifbar macht. Er kritisiert beispielsweise den Guardian für schlechte und intransparente Kommunikationspolitik gegenüber den wichtigen Mitarbeitern der Snowden Story; oder auch dafür, Wikileaks Informationen, Teile der Snowdendokumente, die Pro:Publica veröffentlichen wollte nicht freizugeben.
Vor allem aber – und was ich persönlich noch viel enttäuschender finde – ließe der Guardian unabhängige Journalisten und Mitarbeiter wenn's hart auf hart kommt ohne Hilfe oder juristische Unterstützung einfach fallen. Statt eines tatkräftigen Einsatzes für seine Freilassung bekam Julian Assange lediglich ein »Körbchen Seife und Socken geschenkt«.
Kein Rumlavieren hier. Appelbaum bezieht ganz klar Position. Er disst die Praxis der New York Times sich lieber mit dem CIA zu beraten - statt ihrer Pflicht nachzukommen, die Öffentlichkeit angemessen über die Vorgänge zu informieren.
Appelbaum fragt »Was für ein Journalismus ist das, den die großen Zeitungen da machen? Kritik müsste erlaubt sein. Journalisten machten sich zu Kollaborateuren wenn sie nur stenografieren was den Mächtigen genehm ist.
Abschließend, für mich war der vielleicht wichtigste Punkt in Appelbaums Rede, die Verbindung zwischen Überwachung und Kapitalismus. Die Tangente zwischen der heuchlerischen, opportunistischen Arbeitsweise großer Medienhäuser und ganz klaren wirtschaftlichen Interessen. Appelbaum benennt den Wettbewerb untereinander, der statt Zusammenarbeit jeden innerhalb des Systems zum Feind des anderen werden lässt.
Und er sieht in den Anti-Terror-Gesetzen Instrumente unliebsame Mitarbeiter und Bürger gegeneinander aufzuhetzen. Menschen, die wichtige journalistische Arbeit leisten, würden aus dem schützenden Zelt des Journaslismus ausgegrenzt und als »Aktivisten statt Journalisten« gelabelt, zu Hilfsarbeitern herabgestuft. Schlimmer noch zu Freiwild erklärt, und zwar gänzlich ohne den Schutz auch nur rudimentärster gesetzlicher Rahmenbedingungen.
»Von Aktivismus zu sprechen bedeutet, soziales Engagement als etwas zu verstehen, was außerhalb der sozialen Norm passiert.«
Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
Ganz toller Vortrag, unbedingt anhören. It's a Must for every self-respecting Blogger.
Kommentare 31
Interessanter Beitrag; schade, dass es keinen Link gibt, um sich den Vortrag selber zu Gemüte zu führen.
Generell zum Thema »Embedded Journalism in Germany« ist die Tage ein Buch erschienen, dass den Vertrauensverlust der deutschen Medien im Zug der Ukrainekrise sowie der Griechenland- und Flüchtlings-Berichterstattung 2015/16 zum Thema hat: Uwe Krüger – Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen (erschienen bei Beck Paperbeck, also nicht bei Kopp oder anderen Verschwörungstheoretikern).
Die Darstellung der – nunja: halbgaren – Haltung des Guardian überrascht mich umgekehrt nicht wirklich. Erinnert ein bißchen an ein Medium, dass uns beiden gut bekannt ist. Nunja – einerseits ist es mit den MSM ziemlich zum Verzweifeln. Andererseits gibt es zumindest punktuell ein paar Sachen, die (richtig) gut sind. In Sachen TV-Serie sag’ ich aktuell nur: Show Me a Hero. Vielversprechend klingt darüber hinaus die Ankündigung einer drei Filme umfassenden ARD-Filmserie zum NSU. »Gut klingen« meint: Liest sich so, als ob zumindest die richtigen Fragen nicht großräumig umschifft werden.
finden Sie den Start-Pfeil nicht ganz oben im eingebetteten Video?
Schauen Sie mal genau in die Mitte, dann mit der linken Maustaste drücken, und los gehts.
Unlängst, liebe spotti, sah ich eine Dokumentation (arte? oder phoenix?)- finde die nicht mehr) über Assange und Snowdon und was mich nachträglich so schockiert, war die Quintessenz, dass zwar einzelne Journalisten vom Skandal profitierten, jedoch Assange und Snowden in einer äußerst prekären Lebenslage verharren müssen.
Oups … Danke. Hab’ zwischenzeitlich mal die Gurkenscheiben von meinen Augen entfernt ;-).
O ha, echt, kein Vid zu sehen? Grrrr.
Ich dachte echt das funktioniert, da ich hier das Video der Rede tatsächlich oben im Text sehen und anclicken kann. Hier nochmals der Link, denn es ist wirklich wichtig was er da sagt, finde ich.
https://www.youtube.com/watch?v=KJValv4YQcY
Und falls das nicht klappt einfach in meinem Blog. :)
Cheers, mate. Danke für die Gedanken dazu.
klar, Schönheit ist eben nicht alles....
... dass zwar einzelne Journalisten vom Skandal profitierten, jedoch Assange und Snowden in einer äußerst prekären Lebenslage verharren müssen
Das stimmt. Allerdings haben die Journalisten, die das betrifft, immerhin ungefähr das getan, was sie tun sollten - sie haben die Weltöffentlichkeit informiert.
Wir müssen unsere Wahl treffen. Für mich ist es einstweilen egal, wie schlecht die "Piraten" aufgestellt sind: ich kenne keine andere parlamentarisch vertretene Partei, die sich dieses Themas glaubwürdig annimmt - also so, dass ich erwarten darf, dass sie es nicht in dem Moment, wo sie Farbe bekennen muss, aus sachzwangstechnischen Gründen fallen lässt.
meine drei Lieblings-Episoden zu "Big Brother" sind zwar schon etwas älter, aber erfrischend locker:
Doch – funktioniert. Nur mein Kopf hat heute bei normalen Logikfolgen (aha – Button – = Film – muß man draufklicken) gewisse Aussetzer. Gut, dass ich heute nichts Anspruchsvolleres mehr vorhabe – sonst würde ich sicher auf dem Parkett ausrutschen und das Tischtuch vom Kalten Büffet oder der Sektbar mitziehen ;-).
Ja, es ist heftig: Die größten journalistischen Leistungen unserer tage – erbracht von Laien und Prekärbeschäftigten –, die daraufhin für Vogelfrei erklärt wurden.
Aber machen wir uns nichts vor, gefährdet sind alle irgendwie. Hier lies mal was die U.S. mit Hilfe des »War on Terror« aus ihrem Patriots Act gemacht haben: War On Terror Turns Inward – NSA Surveillance Will Be Used Against American Citizens. by Tyler Durden
http://www.zerohedge.com/news/2016-03-12/war-terror-turns-inward-%E2%80%93-nsa-surveillance-will-be-used-against-american-citizens
Und unser aller Lieblingsblogger Jacob Jung hat es 2012 schon kommen sehen, hier: Silent Guardian und NDAA – Grundstein für Militärdiktatur in den USA (Gastartikel von Philipp Guttmann).
Merkt man manchmal, nicht wahr? ^^
Hau rein! :-P
Tilo Jung, soviel Zeit muss sein.
immer noch besser als Tomaten :-)
Da is’ wahr. Die brennen aber auch immer so. :-)
Alta, ich sehe gerade in den Analyse Charts im Wordpress Blog laufen heiß; diese Geschichte wird aus den USA und Canada aufgerufen.
Ui uiui, isch hab voll Angst, was habe ich nur geschrieben, wie kommen die ausgerechnet auf meine Story, yikes? Selbstzensur. O_o
Cool auch, die Rückkopplung ist blockiert und ich kann nicht sehen von wo aus die Seite angeklickt wird. Grrrrrr. Da will man fast selbst Hacker werden. :)
Nett. Danke dafür.
bleibe einfach auf dem Teppich, und gut ist.
hier kommen auch Assange und Snowden zu Wort
und hier alle Videos vom Logan CIJ Symposium 11-12 March 2016 / bcc Berlin
Nein ist Jakob Jung, der vor Jahren plötzlich - auf Nimmerwiedersehen- verschwand. https://jacobjung.wordpress.com/
Niemand weiß wo er hin ist. Hat auch eine Weile beim Freitag gebloggt.
sorry, den kann ich ja nicht kennen, ich dachte der Silvio hat den Applebaum mit dem Jung gekreuzt. :-)
Voilà: Jacob Jung, hier: Silent Guardian und NDAA – Grundstein für Militärdiktatur in den USA (Gastartikel von Philipp Guttmann).
Lohnt sich immer noch seine alten Blogs zu lesen. Großartiger Blogauftritt, mit Leidenschaft und Intensität durchgezogen.
danke sehr....
Das sit zwar nicht die Doku, an die ich dachte, aber auch sehr "erhellend"
beim netwalk drüber gedozzert Uwe Krüger auf dem blauen Sofa * feinste restnacht noch cp
...ließe der Guardian unabhängige Journalisten und Mitarbeiter wenn's hart auf hart kommt ohne Hilfe oder juristische Unterstützung einfach fallen.
...zwischen der heuchlerischen, opportunistischen Arbeitsweise großer Medienhäuser und ganz klaren wirtschaftlichen Interessen.
Und selbst wenn man als Abonnent seine ~4Euro pro Ausgabe zahlt, ist die halbe Zeitungsfläche mit Werbung verdeckt (Spiegel). War das nicht mal weniger? Warum? Verdienen Journalisten heute mehr? Ist die physische Produktion teuer geworden? Das Reisen? Sind es die Steuern? Alles nein, oder? Abonnentenzahlen sinken, soll das alles erklären?
Howdi, jetzt mit Verspätung -- Zeit ist so oder so relativ :)) -- nein, keine nennenswerten Gehaltssteigerungen in deutschen Verlagshäusern; seit 15 Jahren nicht. Schnüff.
Auch die Herstellungskosten dürften im Vergleich "zu früher" effektiv sogar marginal gesunken sein. Beim Druck beispielsweise macht das Papier inzwischen sogar den Hauptanteil der Kosten aus, noch vor den Personalkosten für Lohne und Gehälter.
Anzeigen sind in großen Stil allerdings weggebrochen, ja, das stimmt. Einbußen von mindestens 30%; bei einigen 50% innerhalb weniger Jahre. Dazu kommen Mehrkosten für die Internetarchitektur, Technik, Datenbanken und Server. Faktisch ein massiver, flächendeckender technischer Ausbau in Zeiten wegbrechender Erlöse.
Als ich mein Praktikum beim Guardian im Design gemacht habe, wurde gerade Online komplett ausgelagert, raus aus der Farringdon Road in Clerkenwell. Man hatte, -- wie auch bei Spiegel Online damals -- einen ganz eigenen Bereich aufgebaut. Was sich im Nachhinein dann aber als nicht praktikabel erwies. Ein paar Jahre später wurde alles wieder zusammengelegt.
Die Aufteilung kam zunächst einfach daher, dass die Onliner eine andere komplett Ausbildung hatten. Also in der Hauptsache einfach Nerds, ohne jegliche journalistische Kenntnisse waren. Damals. Hat sich jetzt teilweise geändert, -- wobei ich sagen würde, man hat das Problem heute bei den Webdevelopern und Datenbank Admins immer noch; kann an ihnen immer noch gut das Vakuum nachvollziehen.
Beim Guardian wurde um 2000 rum versucht Kosten zu reduzieren und dann 2005 unter Mark Porters Leitung das Berliner Format gelauncht. Die kleinen Zeitschriftsobjekte wurden abgestoßen und das Geschäft auf die Kernmarke konzentriert. Die Verkaufserlöse flossen alle in den Scott Trust, der die "Guardian Media Group" finanziert und auf diese Weise langfristig unabhängig machen sollte.
Durch die Finanzkrise jedoch entwickelten sich die Erlöse ungünstig, reichten nicht mehr wie geplant zur Deckung der operativen Kosten aus. Was einigermaßen dramatisch ist und 2015 schon zur Entlassung von Redakteuren geführt hat. Das ist zumindest die Geschichte beim Guardian. Gilt also nicht für den Spiegel beispielsweise.
Oh, du gehst ja ganz schön in die Details.
Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass die Anzeigenfläche abgenommen ab. Anzeigen sind in großen Stil allerdings weggebrochen kann ich allenfalls so glauben, dass der Erlös pro Fläche gesunken ist, wenn die Auflagenzahlen sinken, kommt das auch noch dazu.
Bin gerade sehr blogfaul. Mal sehen, ob die Lust wiederkommt. Bestimmt irgendwann relativ bald. (:
... Anzeigen sind in großem Stil allerdings weggebrochen ... dass der Erlös pro Fläche gesunken ist.
Phew, Du denkst beängstigend zahlenorientiert, mate. Bei mir auf dem Tisch landeten immer nur die Zahlen für den Gesamtanzeigenerlös, die Details jedoch fehlten mir. Aber gefühlt gibt es definitiv mehr Anzeigen-Deals; ein Mehr an Tauschgeschäften und Bonuspaketen. Dass der Erlös pro Fläche geringer ist, davon dürfen wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgehen.
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___Exkurs. Lust, schau mal: Doimlinque, Anchesa, Diander, JR, GoldstarforRobotboy, Ed2m, Dame von Welt et al findest Du auch hier. Bei der Dame und den Weinbeeren gibt es schöne Diskussionen. Auf das die Lust wiederkommt. Happy Weekend. :)
Aha. Interessant. Bei DvW und bei akzidenzen war ich auch schon probeclicken - es ist dann versandet...
montagfrei - klingt nach Gastronomentreffen (; (man muss sich ja mal von Wochenendstress erholen)
beängstigend zahlenorientiert - find ich auch zuweilen, aber was soll ich machen. Man muss sich auch mal was vergeben können, nicht wahr? Jetzt finde ich sogar schon Zahlenkreuzworträtsel interessant - eine Seite voller Zahler, mach Buchstaben draus!
Gastronomentreffen. Uff uff. Du meinst, so Catering-mäßig ... Frei-Bier. Alkoholfrei, Nikotinfrei, Sinnfrei, Vogelfrei, Bauchfrei Frei-Haus. :)
Also, sind alle wahnsinnig fleißig, finde ich. Hoch engagiert! viele großartige, solide Texte. Absolut beeindruckend.
Gastrotreffen. mwa mwa mwa. Geb's ja zu, da ist noch Luft nach oben; aber hey, weisst Du eigentlich wie wenig Zeit ich dafür habe. Den Sachzwängen abgerungen, so sieht wahre Leidenschaft aus: Montagfrei! Okay, bin jetzt mal off, cheers dearie, get outside into the glorious weekend sun