Als es noch nach Macht und Testosteron roch

Regierungsbildung Vom gekränkten Oppermann bis zum totberatenden Lafontaine: In turbulenten Zeiten wie diesen fühlen sich die älteren Herren der Politik zu Wortmeldungen bemüßigt
Ausgabe 40/2017
Wie der Mecker-Balkon der Muppet-Opis
Wie der Mecker-Balkon der Muppet-Opis

Foto: Alberto E. Rodriguez/Disney/Getty Images

Wenn alte Männer heute von früher erzählen, dann schwadronieren sie schon lange nicht mehr vom Krieg. Stattdessen palavern sie lieber von jenen Zeiten, als unsere deutsche Demokratie noch im Glanze ihres westlichen Glückes strahlte: „Damals gab es noch Charaktere!“ „Damals gab es noch Freund und Feind!“ „Damals gab es noch richtige Parteien!“ „Damals gingen Koalitionsverhandlungen noch rrrruck, zzzzuck über die Bühne.“ Ja, damals, als Klaus von Dohnanyi, Franz Müntefering und Gerhard Schröder noch nicht nach altem Mann rochen, sondern nach Testosteron, nach Macht und Malochen, da war eben alles besser.

Heute sind unsere TV-Talkshows der Mecker-Balkon der politischen Muppet-Opis, auf dem sie sich dann herrlich danebenbenehmen und genüsslich Gift sabbern und besser wissen. Währenddessen vertrösten ihre Nachfolger das Land und bitten um etwas Geduld – die Bildung einer neuen Koalitionsregierung könne sich hinziehen, vielleicht sogar bis in das Jahr 2018 hinein. „Jamaika“ sei schließlich auch in der politischen Geografie sehr, sehr weit weg. Und das Handwerkszeug der Alten wird bei neuen Projekten eh nichts bringen.

Derweil bröckelt es überall: Die bestehende Regierung löst sich auf, die SPD-Bundesarbeitsministerin wechselt in den politischen Boxring und will „in die Fresse hauen“, der Finanzminister wird Bundestagspräsident und will lieber die wild gewordene Rechte zähmen als die deutsche Steuerkohle, und in unseren Zeitungen wird der Kampf von Ost und West befeuert, als sei unser Land geteilt wie Belgien in Flamen und Wallonen, oder als sei der Osten unser neues Katalonien. In dieser Unzeit besetzen die Abservierten die politischen Leerstellen und zündeln: Der gekränkte Oppermann fällt der SPD in den Rücken, indem er eine GroKo nicht ausschließt, während Martin Schulz seine SPD weiter auf Würselen-Größe schrumpft. Die Kanzlerin schaut zu und fragt erstaunt: „Ist was?“

Was die alten Herren irgendwie nicht zur Kenntnis nehmen: So staatstragend sie einst waren, so staatsdemolierend agieren sie nun. Und, ja, es scheint auch etwas mit verletzter Ehre zu tun zu haben. Auf jeden Fall ist auffällig, wie viele Rentner und Frührentner Deutschland in diesen Tagen sabotieren, dabei blau anlaufen und die Opa-APO ausrufen. Das Prinzip ist stets das gleiche: Leute werden gedemütigt, nicht mehr gebraucht, aussortiert und durch jüngeres Personal ersetzt. Eigentlich müssten sie wissen, dass man damals, als alles besser war, in dieser Lebensphase milde und vielleicht sogar weise geworden ist.

Sie aber werden zu den wütendsten Wutbürgern überhaupt. Journalisten wie der ehemalige Spiegel- und Welt-Mann Matthias Matussek oder Roland Tichy, der früher mal provokativ Ausländer rein! gefordert hat und heute gegen alles, was neue Politik versucht – gegen Angela Merkel ebenso wie gegen die Linke –, poltert. Der von der CDU verfemte Alexander Gauland, der in der AfD genüsslich seinen Unruhestand feiert. Oskar Lafontaine, der die Linke totberät, oder Horst Seehofer, der noch nicht einmal gemerkt hat, dass er schon im Ruhestand sein sollte. Aber auch all die anderen Parteisoldaten aus allen Lagern, die ihren jungen Truppen unter alter Flagge von hinten in den Rücken fallen.

Es wird Zeit, dass Deutschland endlich wieder von gewählten Politikerinnen und Politikern regiert wird, mit neuem Kabinett und frischer Opposition. Wenn wir dann irgendwann mal wieder von morgen reden, dann brauchen wir das alte Alpha-Männchen-Geschwätz von früher auch nicht mehr.

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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