Anton Schlecker, ein Papagei?

Männersache Auf die inneren Werte kommt es an, nee, ist schon klar – aber was sagen Fotos, die einen milliardenschweren Mann in bunten Hemden zeigen?
Anton Schlecker, ein Papagei?

Illustration: Otto

Dass es nicht auf das Aussehen ankommt, ist ein Märchen. Wäre Schneewittchen hässlich wie die Nacht, wäre der Prinz an ihrem Glassarg vorbeigeritten. Innerer Charakter ist bei einer Scheintoten schließlich nur schwer auszumachen. Das hat zum Mainstream der männlichen Nadelstreifen-Millionäre geführt. Und es ist eigentlich erfrischend, wenn es noch Typen gibt, die da nicht mitmachen!

Anton Schlecker zum Beispiel, der Drogerie-Bankrotteur. Neulich kursierten Bilder aus den Siebzigern: knall-gelbes psychodelisches Hemd! Auch die aktuelleren Fotos (Neunziger) sind nicht besser: in lila Hemd, schwarzem Anzug, neben blonder, langbeiniger Frau.

Warum stilisiert sich ein milliardenschwerer Kerl zum Papageien? Weil man sich schlechten Geschmack leisten können muss? Oder hat es biografische Gründe? Die Schleckers haben sich nicht nur zurückgezogen, weil sie Angst vor den Mitarbeitern hatten, sondern auch weil sie im Trauma lebten: Ihre Kinder waren entführt worden.

Milliarden schützen nicht vor Asozialität

Sicher ist, dass der Rückzug der Milliardäre und ihre modische Verwahrlosung – so absurd das klingt – ein gesellschaftliches Trauerspiel geworden ist. Tetrapack-Erbe Hans Kristian Rausing lebte ebenfalls zurückgezogen mit seiner Frau in London. Bilder, die jüngst veröffentlicht wurden, ließen eher einen Flaschensammler erkennen. Rausing hatte sich das Gehirn weggekokst, lief verwirrt durch die Großstadt. Seine Frau starb, er wurde des Mordes verdächtigt – tragisches Ende einer Drogen-Karriere.

Pecunia non olet! Aber das viele Geld kann den Menschen ebenso schnell verderben wie kein Geld. Wer es hat, muss sich dem Mainstream nicht anschließen, kann sich ein abgeschottetes Leben leisten. Und damit gleicht er denjenigen, die aus Geldmangel von der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Die Gefahr der Asozialität ist auch in Milliardärskreisen latent. Schließlich macht Geld eben doch aus Männern, die alles haben könnten, Kerle, die nichts haben.

Mitleid wäre trotzdem fehl am Platz. Aber einen Gedanken sind diese Männer schon wert, die am Ende auf den kleinsten Nenner des Lebens geschrumpft werden – auf die Familie. Und in ihren grausamen Klamotten mit ansehen müssen, dass auch die zerfallen ist. Schneewittchen war eben eine Frau. Und das mit dem Prinzen nur ein Märchen.

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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