Der bauernschlaue Fernsehparzellenbesitzer

TV Wir brauchen eigentlich keinen Wagner. Wir haben ja schon „Waldis Club“
Waldemar Hartmann versteht sein Geschäft
Waldemar Hartmann versteht sein Geschäft

Foto: MDR/Marco Porsch

Rein geografisch gesehen liegt eine unterirdische Sendung tiefer als ein hochgeistiger Gedanke. Logisch. Aber in Zeiten, in denen der Fußball zur mathematischen Hochleistungsdisziplin geworden ist und 11Freunde ihn als retro-philosophische Schickimicki-Tapete präsentieren – die aussehen soll wie aus Berlin-Mitte, aber längst auch in Pforzheim hängt – ist es beruhigend, dass es im Fernsehen noch jemandem gibt, der weiterhin den Frauen mit Weißbieratem erklären will, was Abseits eigentlich ist.

Waldis Club braucht keine Flachbohrinsel auf Usedom, um das coole „Schland“ zu unterhalten. Für die MDR-Dampfplauderlok im Bayerischen Bahnhof zu Leipzig heißt unsere Nation noch Deutschland. Der Ball ist rund, und bei ihm dauert ein Spiel nach wie vor 90 Minuten. Waldemar Hartmann ist im modernen Fußball so etwas wie ein Typ vom Bau, der einen Hörsaal voller Quantenphysiker mit der Frage „Und was bringt mir das?“ aufmischt.

In seiner Welt gibt es noch den leicht schwulen Franzmann, den brutalen Russen, und den Pleitegriechen, der vor der EM-Schlacht gegen uns Abwehrbeton mischt. Unser Nationalteam mag längst eine multikulturelle Truppe sein, die modernen Fußball spielt, Waldi aber weigert sich weiterhin beharrlich, die Europa als eine Art neue Vereinigte Staaten zu sehen. Er redet lieber über Özils Formschwäche als über die aus-länderfeindliche Hetze, die den Mann dieser Tage im Internet traf. Waldi ist der Otto Rehhagel des Fernsehens.

Der ewige deutsche TV-Vorstopper

Und so ist sein Brezel-Fernsehen fast schon wieder ein mutiger Anachronismus im hochglänzenden TV-Geschäft. Ein Wunder, dass Waldis Club überhaupt im Media-Markt-HD-Flatscreen zu sehen ist, da er ja doch wie maßgeschneidert für die Eichen-Einbauwand ist.

Waldemar Hartmann ist der ewige deutsche TV-Vorstopper. Er sieht aus wie ein Gemälde von Manfred Deix. Das Tollste aber ist, dass man gar nicht gemerkt hat, dass er sich irgendwann den Schnauzbart abrasiert hatte. An seinem Arm trägt er ein schwarz-rot-goldenes Schweißband, und als Bärbel Schäfer neulich an seiner Seite saß, freute er sich, die Chauvie-Schublade öffnen zu können. Seine anderen Gäste heißen eigentlich immer Hansi Müller, Michael (Ich bin der kleine Bruder) Rummenigge oder Ede Geyer. Die haben so wenig zu verlieren wie er selbst.

Vor dem EM-Spiel gegen Griechenland war Costa Cordalis da. Sofort ließ Waldi sein Publikum im Leipziger Ballermann-Club „Anita“ anstimmen. Dass Cordalis zum Fußball nichts einfiel, machte nichts. Bei Waldi hat er mehr zur Euro-Krise gesagt, als am Abend zuvor bei Plasberg. Waldi und die Seinen haben sich auf die Schenkel geklopft, als der Grieche von seinen Kickern wie von Fußball-Göttern schwärmte. Und schnell zählte Matze Knop, die Flügelzange, noch die griechischen Spieler auf: Samaras, Bronchitis und Kotzeritis. So lacht Deutschland wirklich.

Nein, Waldi ist kein Jogi-Typ. Er ist ein bauernschlauer Fernsehparzellenbesitzer. Er will gar nicht Europameister werden, ihm reicht sein Club. Da darf er deutsche Seele sein. Die braucht keinen Wagner, sie hat ja einen Waldi. Nachdem Rudi Völler ihn einmal angepöbelt hatte, unterschrieb Waldi einen Werbevertrag mit einer Weißbierfirma. So macht man das, ihr warmduschenden Nutella-Neo-Con-Kicker, die ihr wahrscheinlich kaum mehr als elf Freunde habt!

Axel Brüggemann , geb. 1971 in Bremen, ist eigentlich Opernspezialist

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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