Oh, mir tut die Seele weh…

Schmerzensgeld wenn ich diesen Schröder seh’! Den Ex-Mann von Gerhard Schröders neuer Partnerin Soyeon Kim plagen Seelenqualen. Und die haben ihren Preis
Ausgabe 19/2018
Nicht nur die eigene Scheidung kann teuer sein: Gerhard Schröder mit seiner angeblich fünften Ehefrau
Nicht nur die eigene Scheidung kann teuer sein: Gerhard Schröder mit seiner angeblich fünften Ehefrau

Foto: Andreas Rentz/Getty Images

So viel ist sicher: In Korea trägt das, was wir die Seele nennen, den Namen „Yeonghon“ und wird so geschrieben: „영혼“. Über das, was die Seele ist, besteht in Asien allerdings ebenso wenig Klarheit wie in unseren Breiten. In der Antike wurde die Seele noch als Prinzip verstanden, das alle körperlichen Funktionen steuert, das Christentum hat sie schließlich vom Körper abgekoppelt und zur eigenständigen Größe erklärt, in der die urmenschliche Hoffnung auf ewiges Leben verankert ist. Der Körper stirbt, die Seele bleibt. Inzwischen halten wir es etwas profaner und verstehen unter dem Wort Seele auch die Gesamtheit unserer Gefühlsregungen, also so etwas wie die menschliche Psyche.

Mit all dieser Unklarheit könnte der Gerichtsprozess, den der Ex-Mann von Gerhard Schröders neuer Freundin/ Frau Soyeon Kim derzeit anstrengt, durchaus zum philosophischen Hauptseminar ausarten. Der gehörnte Mann hat den Ex-Kanzler nämlich wegen „unerträglicher Seelenschmerzen“ verklagt. Schröder sei schuld, dass seine Frau ihn verlassen, dass er gegenüber seinen Freunden und Geschäftspartnern seine Ehre verloren und überhaupt unerträglich gelitten habe. Einen Preis für seine Seele liefert Soyeon Kims Ex-Mann gleich mit: 77.000 Euro sei der Raubbau an ihr wert.

Allein diese Forderung könnte ein revolutionärer Durchbruch in der Debatte darüber sein, was die Seele wirklich ist. Bislang gab es nur eine konkrete Zahl. 1907 hatte der amerikanische Arzt Duncan MacDougall einen Sterbenden kurz vor und kurz nach dessen Tod gewogen und herausgefunden, dass der Mensch beim Übertritt vom Diesseits ins Jenseits rund 21 Gramm verliert. Über dieses Phänomen drehte Alejandro González Iñárritu 2003 sogar einen Film. Abgesehen davon, dass die Messung vollkommener Quatsch ist, würde die aktuelle Kanzler-Klage bedeuten, dass ein Gramm Seele – jedenfalls nach koreanischer Vorstellung – rund 3.666,66 Euro wert ist.

Viel zu tun also für die Richter in Korea. Sie werden knifflige Fragen beantworten müssen, die uns Menschen von Platon über Descartes bis zu lebenden Philosophen stets umgetrieben haben. Existiert die Seele überhaupt? Und wenn ja, was ist sie wert? Kann man die Seele im Gericht verhandeln – und ist es dann auch möglich, sie zu versichern? Und was passiert mit der Versicherungspolice nach dem Ableben eines Menschen? Muss Gerhard Schröder, wenn er verklagt wird, auch noch im Jenseits zahlen, quasi bis in alle Seelen-Ewigkeit? Und mit was für einer Währung?

Vielleicht könnte dem Ex-Kanzler und seinen Rechtsanwälten ein Blick in die koreanische Lyrik mehr helfen als in die koreanischen Gesetzbücher. Der sozialkritische südkoreanische Dichter Choi Seung-ho behandelt in seiner Poesie immer wieder das sinnentleerte, oberflächliche und hedonistische Leben der Metropole Seoul und zieht dabei gern Parallelen mit der Fauna. In einem Gedicht, in dem er sich um die Einsamkeit einer alten Libelle kümmert, entdeckt er in ihrem Dasein nicht nur den Spiegel der Poesie, sondern auch der eigenen, „ausgelöschten Seele“.

Derzeit ist unwahrscheinlich, ob es überhaupt zum Prozess kommt. Aus philosophischer Sicht wäre er sicher eines der spannendsten Gerichtsverfahren der Menschheit. Nicht auszudenken, was passiert, wenn Gerhard Schröder verlieren und Deutschlands Hartz-IV-Empfänger sich der „Seelenschmerzen-Klage“ anschließen würden.

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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