Ringel, Ringel, Reihe

Medien "Zeit" und ZDF haben sich für einen Rechercheverbund zusammengetan. Ist guter, investigativer Journalismus nicht mehr ohne Public-Private-Press-Partnership zu haben?
Ausgabe 24/2014

Klar, es gibt Dinge, die sind selbst für die größten Zeitungsredaktionen zu groß. Wikileaks zum Beispiel. Die Snowden-Akten haben New York Times, Guardian und Spiegel beschäftigt, bis sie peu à peu den größten Skandal des jungen Jahrtausends veröffentlichen konnten – gemeinsam!

Und nun ist es wieder so weit. Noch einmal haben die Besten der Besten, ZDF und Zeit, ihre Rechercheure gemeinsam ausgesandt, um Deutschland auf den Kopf zu stellen. „Der Austausch von Informationen und Erkenntnissen ist für beide Medien ein Gewinn gewesen“, jubelte Giovanni di Lorenzo, und ZDF-Chef Peter Frey schwärmte: „Wir haben von Beginn an Erkenntnisse ausgetauscht und gemeinsam auf die Expertise unserer Experten gesetzt.“

Was? Sie, lieber Leser, haben die Arbeit der Experten gar nicht mitbekommen? Ja, schauen Sie nicht Deutschlands Investigativjournale wie ZDF Morgenmagazin und den Frühstücks-Talk Volle Kanne? Hier hätten Sie sehen können, wie der Zeit-Autor Yassin Musharbash imZDF-Talk vom neuen tollen Rechercheverbund erzählt. Aber wahrscheinlich ist Ihnen dann auch das Zeit-Dossier „Freiheit in Gefahr“ mit ZDF-Filmtipps entgangen, das mindestens so newstauglich war wie die geplanten Covertitel „Familie – quo vadis?“ und „Wie klug dürfen unsere Kinder sein?“.

Okay, die Film-Filme und die Artikel-Artikel haben die deutsche Debatte nicht wirklich beeinflusst. Aber Deutschlands größte Wochenzeitung und Deutschlands Staatsfernsehen haben endlich, was Deutschlands größte Tageszeitung, die Süddeutsche, und Deutschlands erste Landessender, WDR und NDR, auch haben: eine Public-Private-Press-Partnership.

Dass Zeitungen einerseits gegen die Tagesshau-App klagen, die Redaktionen dennoch zusammenarbeiten, mag verwundern. Und auch dass die Netzwerke weniger institutionell als persönlich funktionieren. Journalisten sind eben auch nur Fußballspieler. Söldner, deren Ziel die Story ist – egal für wen. Im ARD/SZ-Fall ist Ex-Spiegel-Mann Hans Leyendecker der Strippenzieher. Zunächst überzeugte er Ex-SZ-Mann John Goetz, bei seinem Wechsel zum NDR auch weiterhin für die Zeitung tätig sein zu dürfen. Und dann machte Leyendecker den alten Spiegel-Kollegen Georg Mascolo zum – ja was eigentlich? – freien Chef, der von SZ, WDR und NDR bezahlt wird. Aber wir wollen in diesem Fall nicht investigativer sein als die Investigativ-Allianzen. Klar, man kann schon fragen, ob hier nicht einige Zeitungen indirekte Subventionen durch TV-Gebühren bekommen und warum die Sender nicht mehr Geld in Recherche-Teams fließen lassen statt in Sendungen wie Volle Kanne.

Aber man könnte sich auch einfach locker machen und sagen: Wenn guter, investigativer Journalismus anders nicht zu haben ist – warum nicht? Dann allerdings müsste irgendwann mal ein deutscher Wikileaks-Skandal herausspringen oder Aufklärung über den Ursprung der Hoeneß-Millionen. So aber ist die neue Rechercheallianz von ZDF und Zeit bislang lediglich ein anderer Name für medienübergreifende PR. Und die Jungs von ARD und SZ werden da sicher nicht nachhaken. Das wiederum könnte man einen Skandal nennen – oder einfach nur investigativen Journalismus in Deutschland.

Dieser Text entstand in Kooperation mit RTL 2 (kleiner Scherz am unteren Rand)

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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