Für ihre Streitschrift Der Kulturinfarkt brauchen die Jungs aus dem Kulturmanagement sicherlich keine Subventionen. Dieter Haselbach (Zentrum für Kulturforschung), Armin Klein (Kulturmanagement-Professor), Pius Knüsel (Kulturstiftung Pro Helvetia) und Stephan Opitz (Kulturelle Grundsatzfragen in Schleswig-Holstein) wollen die Kulturetats von Bund und Ländern um die Hälfte kürzen. Das Buch ist ein Selbstläufer, ab nächster Woche zu kaufen. Der Spiegel druckt die Thesen ab: Die Industrie hat sich geändert, die Banken, das Sozialwesen. Warum also sollten wir nicht auch am Mini-Etat der Kultur rütteln und Allzeit-Bestandsgarantien auflösen? Würden 3.200 Museen, 70 Bühnen und 4.000 Bibliotheken nicht reichen? So eine Frage können nur zu Polit-Managern mutierte Ex-Kulturschaffende stellen. Menschen, die professionell ins Konzert gehen und nicht aus privatem Interesse. Menschen, für die Schiller auch ein Schraubenhersteller sein könnte.
Liebe Kulturmanager, natürlich finden eure Thesen Gehör in einer Zeit, in der auf den Bühnen kaum noch gesellschaftliche Debatten geführt werden, in der Regisseure und Kuratoren selbstreferenziell agieren, in der Günter Jauch den Polit-Diskurs von der Bühne ins TV gehoben hat, in der Kunsthallen mit Mega-Ausstellungen Sponsoren locken. Wir reden über Umwegrentabilität, wenn unsere Bühnen nichts über Goethe zu sagen haben, und verstehen Kulturinstitutionen zunehmend als Anhängsel der Tourismusindustrie.
Arroganz
Aber gerade deshalb sollten wir über Inhalte und nicht über Kürzungen streiten. Ausgerechnet die Grünen haben vor Jahren in Freiburg begonnen, das Amt des Kulturbürgermeisters aufzulösen! Viele Städte haben nachgezogen. Statt Kultur-Experten übernehmen Party-Bürgermeister die Kultur. Die Spitzenjobs werden nicht mehr von politischen Sachverständigen, sondern von einer festen Wander-Findungskomission gewählt. Und immer öfter werden Menschen wie die Autoren des neuen Buches berufen, weil sie den Bürgermeistern versprechen, mehr Kultur für weniger Geld anbieten zu können.
Hans Joachim Frey wurde so Intendant des Bremer Theaters, löste einen Großteil des Ensembles auf, holte wackelige Sponsoren und spielte mit Musical-Aufführungen Millionen-Defizite ein. Jetzt ist er weg, und das Theater steht ohne Rückhalt in der Bevölkerung vor neuen Sparmaßnahmen. Ähnlich ging es Bühnen, Orchestern und Museen in Ostdeutschland, die totgespart und dann in aller Stille fusioniert oder abgeschafft wurden. Wie steht es um die Theater in Gera, in Oldenburg und Nürnberg? Zählt die Hotelauslastung oder die moralische Debatte? Fakt ist, dass viele Kultureinrichtungen längst realpolitische Aufgaben übernehmen, die unsere Schulpolitik überfordert: Fast jedes Orchester hat Jugendprogramme, während der Musikunterricht ausfällt, fast jede Bühne kümmert sich um Randgruppen, fast jedes Museum bietet Malkurse für Kinder an und jede Bibliothek verleiht Bücher, die zu Hause immer seltener stehen.
Die Frage nach den Kulturetats ist legitim. Auf die Arroganz der Autoren aber sollten die Kulturschaffenden mit radikalen Programmen antworten: Subvention bedeutet Freiheit und Verantwortung. Fakt ist, dass unsere Subventionen längst heimlich an ökonomischen Erfolg gekoppelt sind. Schuld sind die Kulturmanager – vielleicht sollten wir ihre Institute auflösen.
Kommentare 4
heissen dank für den artikel. als kulturschaffender und neuerdings repolitisierter mensch, kann ich nicht nur der analyse von der ausrichtung der kultur auf effizienz im sinne eines zu bildenden monetären mehrwerts oder einsparungsfaktors hin zustimmen. auch die folgerung von der notwendigen auflösung der managmentpöstchen im kulturbetrieb teile ich vollends. kulturelle vielfalt allein unter ökonomischen gesichtspunkten ist nicht zu haben, kulturmanager aber sind selbst abhängig und oft korumpierbare bis weisungsgebundene profilneurotiker – zumindest ein unangenhmer teil von ihnen…
eigentlich hätte ich mir eine Auseinandersetzung mit den Details der Argumente der vier Autoren gewünscht und nicht nur deren polemische Zusammenfassung. Das wird nämlich notwendig werden, um auch nur andeutungsweise zu verhindern, dass es dem Kulturbetrieb genauso ergeht wie dem Solidaritätsprinzip im Bereich Soziales. Es ist bedauerlich, aber wenn man es kontern will, gilt es, wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, dass dies die Zeit der Betriebswirtschaftler ist und noch für lange Zeit bleiben wird.
Herr Brüggemann, es stünde Ihnen als Autor der von mir sehr geschätzten Wochenzeitung "der Freitag" gut zu Gesichte, wenn Sie Ihre Lektürefähigkeit verbessern würden. Von Kürzungen ist keine Rede im Spiegel-Artikel der Herren Haselbach, Knüsel, Klein und Opitz, sondern von einem Ingangsetzen einer öffentlichen Debatte über Sinn und Unsinn öffentlicher Kulturförderung, von einem kritische Hinterfragen des Zwecks und der öffentlichen Förderfähigkeit von Kultureinrichtungen, von einer Umverteilung der Fördermittel etc. Also genau das, was Sie einfordern, sprechen die Autoren des Spiegel-Artikels an, keine Rede ist da von Kürzungen! Dass Sie auf den Artikel nicht inhaltlich einsteigen, sondern es vorziehen, ein Kulturmanager-Bashing anzustrengen (das hat wirklich Sandkasten-Niveau!), bringt die dringend erforderliche Debatte, die Klein, Knüsel, Haselbach und Opitz anregen, die Sie ihnen absprechen, hingegen aber selbst auch gern führen würden, keinen Deut voran. Statt dessen verschanzen Sie sich hinter irgendwas, das eher an Argumentationsmuster der Atom-Lobby erinnert, aber keinesfalls an die der Kunst eigenen Prinzipien der Innovation und der Reflexion. Schade. Aber Sie können den Spiegel-Artikel ja noch mal lesen. Vielleicht ist ein Re-Reading ja die erfolgreichere Lektüremethode.
Möglicherweise wäre es sinnvoll, diese offenbar nötige Debatte etwas zu vertagen, damit auch andere Interessenten als die professionellen Rezensenten das Buch erst einmal lesen können. Sonst läuft die Meinungsbildung anhand eines Spiegel-Artikels ab. Was das bringen kann, hat die "Imperium"-Kritik von Georg Diez gezeigt.