Jetzt geht’s looohooos! Parteitag, Parteiprogramm, Spitzenkandidat – und: Wählerinitiative. Die ganze Chose eben. Die SPD beginnt ihren Wahlkampf, schaut in die USA und drückt einfach mal auf „copy–paste“.
Frank Walter Steinmeiers groß inszenierter und dennoch blasser Auftritt im Tempodrom vergangenen Sonntag wird wahrscheinlich schnell wieder vergessen sein. Aber die Internetseite seiner Wählerinitiative wird uns bis zum Sommer begleiten. Und das lässt Böses ahnen. Sie hat sich den Slogan [WIR FÜR FRANK] gegeben. Und das einzig Versprechende an diesem Satz ist, dass er genau so viele Silben hat wie „Yes we can!“ Aber statt eines energischen Ausrufezeichens gibt es pseudomoderne eckige Klammern. So, als würde jemand seinen eigenen Worten nicht trauen.
Zwischen Berlin und Rüsselsheim
Statt auf „Steinmeier für den Bundestag“ setzt die SPD auf „Franky goes to Hollywood“. Die Partei träumt schon davon, dass alle Opels zwischen Berlin und Rüsselsheim in den nächsten Tagen mit einem [WIR FÜR FRANK]-Sticker getuned werden und hat vorsichtshalber schon mal einen Onlineshop eingerichtet: Heckscheibenaufkleber 1 Euro, Silikon-Armband 50 Cent, [WIR FÜR FRANK]-Shirt XL 12 Euro und das Starter-Paket (alles außer Shirts) 15 Euro!
Das Absurdeste: Auf ihrer Internet-Seite erinnert die Wählerinitiative an den Wahlsieg von Willy Brandt am 28. September 1969. Der hat aber mit dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ gewonnen und nicht mit [WILLY, WILLY, WILLY]. Brandts Demokratie-Slogan hat Barack Obama übrigens noch 40 Jahre später für seine freie Übersetzung „Change“ inspiriert. Bei der Rückübersetzung alter deutscher Politikslogans aus dem Amerikanischen ist der SPD mit [WIR FÜR FRANK] dann allerdings ein fatal error passiert.
Im Ernst: Wer will schon Frank Walter Steinmeier als rot schraffierten Biedermann auf der Brust tragen? Wenn die SPD wenigstens für seine Berlin-Mitte-Wähler eine Shirt-Kollektion mit Retro-Logo gedruckt hätte. Mal ehrlich: Steinmeier will man nicht einmal als Frank auf der Haut tragen. Das ist schlimmer als Feinripp-Unterhose!
Dass Deutsche Parteien einen interaktiven Big-Mac-Wahlkampf a la USA führen würden, war spätestens klar, seit Obama am Brandenburger Tor gesprochen hat. Dass sie es nicht können, zeigte sich, als Thorsten Schäfer-Gümbel seinen You-Tube-Blog gestartet hat.
Es ist bezeichnend für die deutsche Parteienlandschaft, dass immer noch Leute denken, eine Graswurzelbewegung von oben anzetteln zu können. Und dass man, um zu gewinnen seine Apparatschiks, Ex-Kanzleramtsleiter und Guantánamo-Strippenzieher nur bei Beckmann sagen lassen muss, dass sie damals, als Kinder im Dorffußballverein wirkliche Kämpfer waren und dass ihre Freunde sie Franky nennen.
Frank ist kein Barack
Steinmeiers Web-Wahlkampf wird hoffnungslos scheitern. Weil er mit [WIR FÜR FRANK] die Chance verpasst, in einen Dialog zu treten. Frank ist kein Barack. Und das Web 2.0 verkörpert zum Glück noch immer einen Hauch von Basisdemokratie. Hier wird nur unterstützt, wer glaubhaft ist und von den Usern gefördert wird – wer ihre Sprache spricht, wer ihnen nichts befiehlt, sondern auf ihre Kreativität vertraut. Wer seinen Staat mit allen machen will, wer nicht wie Steinmeier von „meinem Deutschland“, sondern von „unserem Deutschland“ spricht.
Die SPD macht den Fehler, selbst kreativ sein zu wollen – und beweist dabei, wie weit sie sich inzwischen vom guten Geschmack entfernt hat.
[WIR FÜR FRANK] zeigt, wie wählerfern unsere Politik geworden ist. [FRANK FÜR UNS] klingt zwar nicht so gut, wäre aber politisch korrekter. Denn wer ist schon freiwillig für Frank, wenn Frank keiner von uns ist?
Barack Obama war ein Underdog, kein Teil des Partei-Kaders. Er hat seine Wähler in der Schlacht gegen Hilary Clinton mobilisiert, in Turnhallen geschwitzt und glaubhaft das „Wir“ beschworen, bevor er Präsidentschaftskandidat wurde. Frank Walter Steinmeier wurde auf einem konspirativen Treffen neben Butterkuchen essenden Touristen am Schwielowsee von der Parteispitze nominiert. Graswurzelpolitiker sehen anders aus.
Aber vielleicht hoffen die SPD-Strategen ja, dass sie mit ihrem Slogan endlich im Polit-Pop-Himmel ankommen und träumen schon davon, dass Roland Kaiser, Dieter Bohlen und Herbert Grönemeyer [WIR FÜR FRANK] bei You Tube rappen. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Web-User bereits am Umdichten sind: [IHR SEID KRANK!]
Liebe Parteien, ein Wahlkampf ist kein Kinderspielplatz, in dem ihr uns für dumm verkaufen könnt. In schwierigen Zeiten wollen wir keine pubertierenden Parteien auf Selbstfindungskurs, keine Politiker, die ihren Fleiß mit Kinkerlitzchen kaschieren. Vor vier Jahren wäre Angela Merkel als „Angie“ fast gescheitert – nun tritt sie wieder als Frau Merkel an, und freut sich wahrscheinlich über Frankys neue Kampagne.
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