Die deutsche Kulturförderung ist eine Selbstverständlichkeit. Seit Jahren wird ein bisschen gekürzt und ein bisschen rumgemacht, Debatte darüber: Fehlanzeige. Dabei ist das subventionierte Stadttheater inzwischen so zusammengeschrumpft, dass es seinem Auftrag, Freiräume zum kritischen Denken zu schaffen, kaum noch nachkommt. Intendanten legitimieren ihre Häuser mit kommerziellen Kassenschlagern oder indem sie mit Education-Programmen den Musikunterricht in Schulen kompensieren.
Auf dem Büchermarkt sieht es trotz indirekter Subvention durch die Buchpreisbindung nicht besser aus. Es ist längst ein Mythos, dass Verlage Experimentalliteratur durch Bestseller querfinanzieren. Lektoren produzieren heute mit stierem Blick auf die Amazon-Bestsellerliste. Den Glauben an den Einfluss der Buchhändlerin oder des Feuilletons haben sie verloren. Und die Filmindustrie veranstaltet ein massiv gefördertes Obrigkeitskino, das öffentlich-rechtliche Fernsehen fusioniert seine Rundfunkorchester, lagert Kultursender wie Bayern 4 aber ins hörerlose Netz aus und schielt im Hauptprogramm zu RTL und ProSieben. Die Grundversorgung droht so zur Subvention von Mainstreamware zu werden.
Seit Jahren sitzt die Lobby der Kultur-Apparatschiks allein auf hohem Ross und verteidigt ihre Pfründe. Steinkohle, Atomkraft und Gewerkschaften mussten umdenken – nur die alten Herren des Bühnenverbands, des Buchmarkts oder der Fernsehgremien managen ihre Produkte so unmutig wie keine andere Branche. Sie schustern sich Posten zu und trauen sich nicht, Subventionen gerade durch das Ausbleiben von Publikum zu legitimieren. Das Erschreckende: Die Lobby deutscher Kulturbetonköpfe scheint damit erfolgreicher als jene der US-Chlorhühner.
Typisch, dass es nicht die innere Struktur, sondern der äußere Druck des Freihandelsabkommens TTIP mit den USA ist, der dieses System infrage stellt. Und plötzlich wird wieder gestritten: Kulturstaatssekretärin Monika Grütters verweist darauf, dass wir uns immerhin ein Literaturhaus in Anklam leisten und in Off-Theatern neu denken. Claudius Seidl von der FAS hält dagegen, dass sowohl das kulturelle Erbe Europas (die Werkstätten Michelangelos) auf den freien Markt zurückzuführen ist als auch die aktuellen US-Innovationen (Mad Men oder Dave Eggers’ The Circle).
Beide Positionen sind berechtigt, die Debatte überfällig. Hätte Grütters den Mut, die Subventionskultur jenseits der Apparatschik-Lobby neu zu ordnen, wenn die Kultur aus dem TTIP-Vertrag ausgeklammert würde? Oder wäre es sinnvoller, den deutschen Kulturmarkt durch das Handelsabkommen zum Umdenken zu zwingen? Solange die Kulturlobby nicht einsieht, wie einsam sie geworden ist, ist der Zwang zum Handeln zumindest eine Hoffnung.
Kommentare 11
"Und die Filmindustrie veranstaltet ein massiv gefördertes Obrigkeitskino, das öffentlich-rechtliche Fernsehen fusioniert seine Rundfunkorchester, lagert Kultursender wie Bayern 4 aber ins hörerlose Netz aus und schielt im Hauptprogramm zu RTL und ProSieben. Die Grundversorgung droht so zur Subvention von Mainstreamware zu werden."
Warum droht?, m.M.n. ist es bereits seit langem so und ich habe deswegen seit Jahren keinen Fernseher mehr.
Verzeihung, aber ein wenig zum Schmunzeln ist das schon, dass ausgerechnet ein "Hunter" gegen die US-Kultur wettert. Lieber Jäger, ich speche mich mit Nichten für TTIP aus – sondern gegen die herrschende Form der Kultursubventionierung in Deutschland. Ich bin auch kein Verfechter der US-Kultur-Finanzierung – und doch sehe ich die Sache nicht so pessimistisch wie Sie. Natürlich können wir – nehmen wir die Klassik – weiterhin an jedem Opernhaus und in jedem Orchester den Staatskünstler Wolfgang Rihm weiter finanzieren, aber wir müssen schon sagen, dass Greg Ward, Steve Reich, Philipp Glas und John Adams auch nicht von schlechten Eltern sind, und ehrlicher Weise muss man sagen, dass die Buchpreisbindung Evers, Rath und Fell hilft, und dass Frantzen, Auster, Bukowski und Powers sich irgendwie auch gut ohne unsere Subventionen durchgesetzt haben – und welche TV-Serie aus Deutschland ist noch mal erfolgreich, innovativ oder irgendwie künstlerisch wertvoll? Dass Sie Opernkarten mit 250 Euro das Stück durch Steuerzahler subventioniert bekommen, freut mich, aber was noch mal sehen Sie dafür? Aufgekochtes Regietheater jener Regisseure, die von den Herren des Bühnenvereins eingesetzt wurden? Mit Verlaub, diese schöne gemütliche deutsche Staatskultur ist: ... Tja, sagen Sie selbst. Und wie sagen Sie es, wenn "dieser Mann" (ich glaube, Sie meinten mich) die alten Herren dafür zur Rechenschaft zieht – was ist dann daran? Noch einmal: Tendenz meines Kommentars ist, dass wir diese Staatskultur, die wir uns leisten hinterfragen sollten, und dass sie, so lange sie nicht zur Disposition steht, nicht hinterfragt wird. Was ich zugestehen muss: TTIP schürt die Angst, und dann passiert, was Sie nun tun: Auch das marode wird verteidigt, hauptsache der Amerikaner siegt nicht! Okay! Bin bei Ihnen! Aber dann, bitte, lassen Sie uns TTIP absagen, aber dafür ernsthaft unsere Subventionskultur hinterfragen. Oder finden Sie echt, wirkich, dass sie super läuft?
„Natürlich können wir – nehmen wir die Klassik – weiterhin an jedem Opernhaus und in jedem Orchester den Staatskünstler Wolfgang Rihm weiter finanzieren, aber wir müssen schon sagen, dass Greg Ward, Steve Reich, Philipp Glas und John Adams auch nicht von schlechten Eltern sind, und ehrlicher Weise muss man sagen, dass die Buchpreisbindung Evers, Rath und Fell hilft, und dass Frantzen, Auster, Bukowski und Powers sich irgendwie auch gut ohne unsere Subventionen durchgesetzt haben – und welche TV-Serie aus Deutschland ist noch mal erfolgreich, innovativ oder irgendwie künstlerisch wertvoll? Dass Sie Opernkarten mit 250 Euro das Stück durch Steuerzahler subventioniert bekommen, freut mich, aber was noch mal sehen Sie dafür? Aufgekochtes Regietheater jener Regisseure, die von den Herren des Bühnenvereins eingesetzt wurden? Mit Verlaub, diese schöne gemütliche deutsche Staatskultur ist: ...“
Und Sie meinen das wird besser, wenn die Subventionen gekürzt werden? BE, Schaubühne, 3 Opernhäuser in Berlin, wobei die Ostoper mit viel Trallala und viel, viel, viel Geld gerade saniert wird. Mit Verlaub glauben Sie daran?
In Dessau wird z.Z. das Stadttheater zu Tode gespart. Das mag Sie und die C. Seidels mächtig amüsieren wegen „non-urban country folks“. Auch wenn die Gründe dafür, nicht jene „sofisticated one“ sind, von denen sie reden. Sachsen-Anhalt ist eines dieserselbstverschuldeten Pleiteländer. Da ließen in den 90er Jahren Politiker überdimensionierte Fußballstadien bauen für Vereine, die, wenn es gut geht, bis heute gerademal Regionalliga-Niveau erreichen. Die Schulden liegen den Bürgern bis wie Bleisäcke im Nacken. Interessantes Thema? Und Klitschen-Flughäfen, bis heute (bundesweit) steuerlich brutal subventioniert, damit irgendwelche Leute nach Malle oder Düsseldorf fliegen können. Letzteres Ziel wäre mit der Bahn gut zu erreichen. Ist aber ein langweiliges Thema, oder?
Ja, man kann sich darüber ärgern, dass amerikanische Autoren (Puhhh Powers) europäische und asiatische, indische insbesondere auch, von der Buchpreisbindung profitieren. Ich tue es nicht! Denn warum ausgerechnet bei Kultur „non-international“? Und überhaupt, was wäre denn die Alternative?
Mein Thema an der Stelle. Warum lassen sich (noch) große Verlage willig und billig - trotz Buchpreisbindung- von Amazon den Marsch blasen, sich von Ketten wie Weltbild (inzwischen Pleite) oder Thalia Diktate verpassen lassen (…). Die Ware kleiner, feiner Verlage „verticken“ die bei Amazon eh nicht (…)
Subventionsthema- tja, man sticht rein und die bösen Wespen fliegen einem um die Ohren. Nichts für ungut weiter daran bleiben. War schon mal ein Anfang. ;)
PS: Die Sixtinische Kapelle ist alles andere als "Ergebnis eines freien Marktes" - Michaelangelo wurde quasi von päpstlicher Seite dazu genötigt. Interessante Story! -wirklich. Tja, nicht alles wo FAS draufsteht glänzt - ist wie mit Talmi . :))
Warum lassen sich (noch) große Verlage willig und billig - trotz Buchpreisbindung- von Amazon den Marsch blasen, sich von Ketten wie Weltbild (inzwischen Pleite) oder Thalia Diktate verpassen lassen (…).Nichts für ungut!
sich von
Die Frage war nicht rhetorisch,Tlacuache, und ich stellte sie Herrn Brüggemann. Laien wie ich können da nur spekulieren oder müssen recherchieren ;)
Ja, das ZDF und die Zwangsgebühren iss auch son Thema (...)
Noch einmal: Ich will KEINE SUBVENTIONSKÜRZUNG. Und: Ich habe auch eine Heimat in der Provinz, das Bremer Theater, das vor 15 Jahren Subventionen zum Neudenken, für den städtischen Dialog nutzte, will heute entweder durch Seichtes die Kassen füllen und sich durch Zuschauer legitimieren oder improtiert abgestandene Regietheaterhelden der 2000er Jahre, die nun in der Provinz tingeln. Zu all dem können Subventionen NICHT da sein. Mir geht es darum, unsere Subventionkultur neu aufzustellen: Öffentlich Rechtliche, Theater, Opern bekommen Steuergelder – gut so: aber warum? Wofür? Nur, dass es sie gibt? Das kann nicht sein! VIele Stadttheater sind tatsächlich zum Sterben gespart worden. Aber es juckt niemanden mehr. Der Mechanismus ist: Sparen, schlechte Aufführungen – abschaffen! Wir müssen stattdessen vor Intendanten erwarten, dass sie ihre Subventionen endlich dadurch politishc legitimieren können, dass sie allein (privat) nicht finanzierbar wären. Ist das nicht der Sinn von Subvention? Und was den deutschen Büchermarkt betrifft: Versuchen Sie mal einen Nischentitel einem Lektoren anzubieten. Der Mainstream ist in den Verlagen längst angekommen! Mit oder ohne Buchpreisbindung. Ich bin sicher, dass es nicht ein gutes Buch weniger geben würde! Also noch einmal: ich will TTIP nicht unbedingt, ich will aber, dass wir unsere Kultursubventionen endlich mal wieder hinterfragen!
Kultursubventionen hinterfragen und diskutieren ist sicher sinnvoll. Aber sich dabei auf Staatssekretäre, FAS-Autoren und TTIP-Verhandler zu berufen und denen irgendeine Kompetenz in diesen Fragen zuzuschreiben, ist schon etwas seltsam.
Diese Diskussion kann doch nur von den Kulturinteressierten und Kulturschaffenden selbst geführt werden – offen für alle Bürger, ergebnisorientiert und insbesondere dort, wo Kultur stattfinden soll: In den Gemeinden und Städten.
Als, öhm, Experte versuche ich hier mal was zur Subventionslage der Bildenden Kunst zu sagen:
TTIP halte ich in seiner jetzigen Form ganz allgemein für nicht vertretbar. Für vollkommen pervers halte ich vor allem die Klausel mit dem Wettbewerbsrecht vor einem internationalen Schiedsgericht. (Genauso irre, wie die Möglichkeit, dass Atomkonzerne die Bundesregierung wegen Atomausstiegs verklagen können, gehört sofort abgeschafft. Dies sieht aber so ziemlich jeder so, würde ich mal mutmaßen.)
Generell sind die »Leutturmprojekte« ebenso wie die falschverstandenen Profilierungsaktionen innerhalb der Institutionen das größte Problem, begünstigen sie doch eine erschreckend dünne Monokultur der ohnehin schon eingeführten großen Markennamen im Kunstbetrieb. Dies ist allerdings kein rein deutsches Problem. Die Akteure im Kunstbetrieb sind weltweit tätig. Was erschreckenderweise ja auch dazu führt, dass Museen inzwischen überall die selben zeitgenössischen Künstler zeigen. Egal ob ich nach Sydney, New York oder Berlin gehe: Immer sehe ich Arbeiten der selben 30-oder-so Künstler. Was komplett fehlt ist die Vielfalt an künstlerischen Positionen, die ja tatsächlich vorhanden ist, aber eben aufeinschlägiger Ebene kaum Beachtung findet.
Dass TTIP diese Schieflage positiv verändern wird, wage ich jetzt einfach mal zu bezweifeln. Wie gesagt, ich spreche hier nur für die Bildende Kunst.
Bei der Filmförderung könnte ich mir allerdings vorstellen, dass die behäbigen Institutionen dringend mal etwas Feuer unterm Hinter bräuchten ...
Bei der Buchpreisbindung bin ich jedoch dafür sie zu erhalten. Weil deutsche Bücher einfach viel besser gemacht sind. Hier viel mehr Investitionen in die Buchkultur gehen. Angefangen beim Lektorat, bis zur Verarbeitung, dem Papier ...
Nicht zu vergessen natürlich, die Amis machen das mit den Finanzen in ganz anderen Größenordnungen. Auf US-Niveau finanziell einzusteigen würde eine komplett einheitliche EU-Finanz und Steuerpolitik voraussetzen. Die haben wir aber nicht. Also ich wette mal, die pusten uns ganz locker weg bevor wir auch nur kapiert haben was abgeht. Hat ja auch seinen Reiz. Dann machen wir alle englische Bücher. Find ich gut. Endlich mehr Englisch ... when I don't magage to get myself over there, they just come to me and occupy culture. Yeah. Hihi. :-))))
Sorry: »Leuchtturmprojekte« :-P
Da sind wir einer Meinung. "Hat ja auch seinen Reiz. Dann machen wir alle englische Bücher. Find ich gut. Endlich mehr Englisch .."
Da machst Du ein Fass auf (...) Attacke - mich aus der Reserve holend. (;) ) Würde gerne länger darauf antworten, bin aber "not in the mood "- currently.
Kleiner "Appetizer " zum Sprachenthema in der EU: Cambridge vice-chancellor Leszek Borysiewicz
LG, am