Schwarz-grüner Geist aus der Mehrwegflasche

Glosse Für das deutsche Umweltministererium hat das Dosenpfand eine "religiöse Bedeutung". Wohl wahr
Das Umweltministerium hat ein Herz für Recycling - zumindest attestiert es dem Dosenpfand religiöse Dimensionen
Das Umweltministerium hat ein Herz für Recycling - zumindest attestiert es dem Dosenpfand religiöse Dimensionen

Foto: mandiberg (cc)

Manche Dinge sind so unglaublich, dass wir, um sie zu verstehen, gut daran tun, in der Etymologie nachzublättern. Schließlich stand am Anfang das Wort. Und darum geht es: Dem neuen Spiegel entnehmen wir die Randnotiz, dass ein Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums im Zuge von Peter Altmaiers Dosenpfand-Plänen erklärte: „Das Dosenpfand hat für uns religiöse Dimensionen.“

Wohlgemerkt, es ging nicht um die Salafisten, nicht um den Euro-Rettungsschirm, nicht um die Koalitionsgipfel-Glaubenskompromisse, um Herdprämie oder Praxisgebühr. Das Ministe-rium hat den wahren Glaubenskrieg in Deutschland aus der Kirche in den Supermarkt verlegt. Es steht an: die Religion des Dosenpfandes. Das Umweltministerium will die Öko-Atheisten aus ihren Löchern rauchen. Dosae ira! – der Tag des Zornes ist gekommen.

Ein Blick ins Wörterbuch zeigt, dass die Politiker es durchaus ernst meinen. Denn eine genaue Exegese ihrer Worte belegt, dass es den Christdemokraten mit dem Dosenpfand um nichts anderes als die Rückführung des verwaschenen Begriffes der Religion an sich geht. Das Wort „religio“ hat lateinischen Ursprung, wurde zunächst aber nicht zur Beschreibung altrömischer Götterkulte verwendet. Als Begriff für den Glauben und seine Gemeinschaft tauchte „religio“ erst 250 v. Chr. in den Komödien des alten Plautus auf und später in den Reden des Cato. Die erste Wortdefinition verdanken wir Altmaiers Amtsvorgänger, Cicero. Er leitete das Wort „religio“ von „wiederauflesen“ und „wiederaufsammeln“ zurück. Und damit wird plötzlich alles klar: Der katholische CDU-Buddha hat den Ursprung des Wortes Recycling in der „religio“ entdeckt – im Wiederaufsammeln und Wiederauflesen. Etymologisch sind „recycling“ und „religio“ also ein untrennbares Bruderpaar.

In der Öko-Kathedrale

Altmaiers Vorgänger, Jürgen Trittin, hat mit seinem Heiligtum, dem Dosenpfand, noch die Glaubensgemeinschaft der Deutschen gespalten – die Einführung der Cent-Pauschale war ein Akt der Öko-Reformation. Kein Wunder also, dass der Katholik Altmaier dem Trittin-Luther nun Paroli bietet. Der Grüne trat als profaner „DJ Dosenpfand“ auf, Altmeier handelt nun als Papst in der Büchse. Er verteidigt den Ablasshandel, will ihn transparenter machen und fordert eine deutlichere Auszeichnung vom Teufelszeug Einwegflasche! Denn das System irrt nicht, allein die Gemeinde der Schäfchen ist zu dumm. Deshalb ist es nur richtig, dass unser heiliges Bundesumweltministerium der Causa Dosenpfand im Bewusstsein einer „religiösen Dimension“ handelt. Peter Altmaier revolutioniert die Öko-Kathedrale der Deutschen, indem er die Glaubenssache des Guten mit den Tugenden der Aufklärung verbindet.

Wenn es um den politischen Beweis geht, dass Gott in der Flasche steckt, ist jedes Mittel recht. Und manchmal braucht die Politik eben auch die Größe und die Kompromisslosigkeit des Glaubens. Also, Papa Altmaier, beginnen wir den Heiligen Dosenkampf: eine Blechbüchse in jedes Klassenzimmer als Mahnung an die Passion des ökologischen Gleichgewichts. Weg mit Red Bull, Alcopops und Wegwerfflaschen von der Tanke. Papst Peter, führe uns nicht in Versuchung. Und wenn Du Deine Mission erfüllt hast, dann endlich, können wir wieder stolz behaupten, dass das Heilige Reich Deutscher Dosen recyclet wurde! Amen.

Axel Brüggemann, geb. 1971, ist Publizist

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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