Wagner-Wahn!

Bücherkalender Unser Autor verurteilt Anmaßung, Nachlässigkeit und Halbwissen aufs Schärfste und kehrt mit heruntergelassener Hose gleich noch vor der eigenen Haustür

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Foto: jokebird/photocase
Foto: jokebird/photocase

Ich muss vorausschicken, dass der Autor des Buches, das ich im Folgenden verreißen werde, mir einigermaßen bekannt ist – aber ich habe eine Rechnung mit ihm offen, weil er mir mit seiner Arbeit persönlich geschadet, mich um Lichtjahre zurückgeworfen und dem öffentlichen Spott ausgesetzt hat. Und was bietet sich für eine derartige Abrechnung besser an als dieser kleine, virtuelle Kalender? Dieser Verriss, um den ich gebeten wurde – ein vor Blut und Galle, Gift und Rotz schäumender Beitrag sollte es werden, ganz unweihnachtlich, unchristlich – unangemessen. Also, Axel Brüggemann, zieh Dich warm an, setz die Pudelmütze auf, zieh die Hose runter – ich hol’ die Rute raus!

Die übergöttliche, alle Autoritäten ignorierende Anmaßung des Autors, der das Traktat „Wagners Welt oder wie Deutschland zur Oper wurde“ verfasst hat, zeichnete sich bereits im Jahre der Veröffentlichung ab. Damals, wir schreiben das Jahr 2006 nach Christi und das Jahr 193 nach Richards Geburt, verfasste der Pseudo-Hanslick bereits einen Artikel über die Berliner Philharmoniker und besaß darin die Frechheit, den Weg ihres Chefdirigenten anzuzweifeln und über den „deutschen Klang“ zu philosophieren. Damals hatte der Printjournalismus noch eine Bedeutung, und es wurde nicht nur um Deutungshoheit gerungen. Der Text war ungefähr so, als hätte jemand den Papst wegen seiner Kondom-Politik kritisiert – oder, schlimmer noch: die unbefleckte Empfängnis in Frage gestellt. Wer den „Deutschen Klang“ kritisierte, musste abgeschrieben werden!

Es ist also selbstverständlich, dass die ehrenwerten Soldaten der reinen Lehre in der Hauptstadt Germaniens schockiert waren und versuchten, den Autor dieser dionysischen Schmähschrift gegen Apollon, den Gott der Musik, zu stellen. Es spricht für die Idiotie des Autors, dass er es seinen Verfolgern mit besagtem Wagner-Traktat besonders leicht machte (das ist auch, was ich ihm besonders übel nehme!). Auf seinen 190 dahingeplauderten Seiten unterlief ihm ein folgenschwerer Fehler, als er in einem Satz den Geburtsort Wagners plötzlich einmal von Leipzig nach Dresden verlegte. Das ist unverzeihlicher, als würde man Bethlehem mit Bayreuth verwechseln, New York mit New Orleans, Siegfried mit Roy, Brug mit Büning, Schloz mit Scholtz oder Braunau mit Berlin!

Eine Unachtsamkeit, die das Halbwissen des Autors, der im Ernst glaubte, in die Fußstapfen Nietzsches, George Bernhard Shaws, ja, Chereaus und Loriots treten zu können, ein für alle Male dokumentierte und bis heute – acht Jahre des Herren später – bestens geeignet ist, die klangdeutsche Inkompetenz des Schreibers zu dokumentieren, bis ans Ende der Erde, wenn die Engel auf ihren Posaunen das Welterlösungsmotiv anstimmen und Brüggemann in den Orkus Nibelheims schicken!

Ein lapsus schludrius, der es zum Glück ein für alle Mal unnötig macht, sich mit allen anderen hanebüchenen Thesen des Buches zu beschäftigen: Dass die Wagners die Royals Deutschlands seien, dass der Komponisten-Titan mit Blähungen unser Land als ewiger Geist begleitet, dass es keinen politischen Führer vom royalen Ludwig II. über den Nationalisten Bismarck, den Nationalsozialisten Hitler bis zur Demokratin Angela Merkel gibt, der Wagner nicht erlag. Um all das hat sich später höchstens noch Stefan Herheim in seinem Bayreuther „Parsifal“ gekümmert.

Der Autor von „Wagners Welt“ aber hat zu Recht gelernt, dass die Hölle bereits im Netz beginnt, und dass Flüchtigkeitsfehler länger bestehen als ein „Ring des Nibelungen“. So regelmäßig wie Weihnachten, Ostern und die Sommersonnenwende erinnert sich zum Glück immer irgendein unfehlbarer Hüter des Heiligen Wagner-Grals an seinen Fehler und informiert Blog-Fans, Facebook-Freunde oder andere Schreiber an den Super-Gau der Welt-Musikgeschichtsschreibung.

Zum Glück wird das Buch „Wagners Welt“ heute nur noch bei e-Bay verramscht, besser wäre es, wenn Brünnhilde endlich die Scheite schichten würde – für ein fröhliches Wagner-Weihnachtsfeuer. Also, Brüggemann, zieh Dich warm an, Du glatter glitschiger Glimmer!

* der Name des Autors könnte ein Pseudonym für Fabian Bremer sein.

Axel Brüggemann Wagner Welt. Oder wie Deutschland zur Oper wurde Bärenreiter 2006.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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