Warum erliegen so viele Männer dem Diät-Wahn?

Männersache Wenn Männer abnehmen wollen, wird schnell ein Wettbewerb daraus. Wir sollten uns an den Frauen orientieren, die sich vom selbstauferlegten Zwang emanzipiert haben

In der Karwoche vor Ostern habe ich ja noch verstanden, wenn die Kumpel in meiner Stammkneipe, dem „Littfass“, plötzlich kein Bier mehr getrunken haben. „Ich faste“, haben sie gesagt, „und das tut mir gut“. Inzwischen mache ich mir allerdings Sorgen: Nach Ende der Fastenzeit geht der Verzicht unter anderem Namen weiter. Nun machen sie Diät. Sie hungern nicht mehr für Jesus von Nazareth, sondern für den Götzen Narziss. Und während der Lenz für mich Frühlingsgefühle und Gartenlokal bedeutet, höre ich bei ihnen nur: Frühlingsdiät, Wasser statt Wein, Strauchtomaten statt Steak, Fitness statt Fluppe, also: Leiden statt Leben.

Der moderne Mann cremt sich, zupft seine Nasenhaare – und er befreit die Diät aus der Brigitte. Der Focus skandiert auf dem Titel die Gesundheit des Laufens, und als würden meine Freunde gegen die ganze Welt antreten, posten sie regelmäßig ihre Laufkilometer samt verbrannter Kalorien auf Facebook. Fitness-Apps scheinen die perfekte Mischung aus Technik und Titanentum zu sein.

Wir Männer sind längst dabei, den Damen hinterher zu hungern. Nicht, dass mich Sport und gesunde Ernährung prinzipiell stören. Kerle, die mit der Emanzipation den Slogan „mein Bauch gehört mir“ für sich antizipieren, sind mir auch suspekt. Aber, liebe Geschlechtsgenossen: Muss es denn immer so radikal sein, wenn wir was tun? Früher haben wir Sport als Kampf von Mann gegen Mann verstanden. Beim Kilo-Verlieren scheint die Männerwelt nun gegen die Damenwelt anzutreten. Sind die Frauen denn umsonst gegen Magersucht-Models ins Feld gezogen? Haben sie nicht die Natürlichkeit inklusive aller Kurven als neues Schönheitsideal ausgerufen? Und haben wir zu all dem nicht unser Okay gegeben?

Wir haben uns aus dem Fernsehsessel erhoben, das Bier zur Seite gestellt, die Tagesceme entdeckt und rasieren uns die Brust. Irgendwann muss es doch mal reichen! Politisch leben wir längst in Zeiten der Gesundheitsdiktatur: Rauchverbot, Sturzhelmpflicht und Zahnarztheft. Bei so vielen Regeln haben sich die Frauen vom selbst auferlegten Zwang emanzipiert. Wenn sie im Frühjahr ein Glas Aperol-Spritz trinken, sagen sie, dass sie keine Lust haben, Opfer des Diätwahns zu werden. Sie wissen: Auch Glück macht schön. Wollen wir uns nicht einfach daneben setzen und ein kühles Frühlingsbier bestellen?

Axel Brüggemann fährt im Sommer Rennrad. Danach trinkt er gern ein Bier.

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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