Wie feiert ein emanzipierter Mann den Herrentag?

Männersache An Himmelfahrt leben Männer ihre archaischen Gefühle aus, und nur Frauen können diese zügeln. Unser Autor schlägt daher vor: Begeht den Tag zusammen!

Zugegeben, es ist schon einige Zeit her, dass Adam aus Lehm geformt wurde – und die Evolution der Männer war seither nicht immer eine Erfolgsgeschichte. Sicher ist auch, dass der Apfel, den Eva ihrem Mann im Paradies reichte, kein Obstler war – und dass selbst Jesus ohne Bollerwagen und weitgehend nüchtern zu seinem Vater aufgestiegen ist. Daran erinnern wir uns allerdings nur selten, seit aus Himmelfahrt der Vatertag geworden ist, aus dem Tag des Herren der Herren-Tag. Statt christlicher Werte feiern wir den Mann an sich – eine Erfindung des US-Präsidenten Richard Nixon, der den Vatertag 1972 als offiziellen Feiertag in den USA einführte. In Deutschland, besonders in Berlin, wurde Himmelfahrt allerdings schon im 19. Jahrhundert als Initiationsritual begangen: Die älteren Herren gingen mit den jüngeren spazieren und brachten ihnen die wesentlichen Dinge bei: saufen, saufen und irgendwann kotzen.

Ich versuche, am Himmelfahrtstag möglichst nicht nach draußen zu gehen. Nicht, weil die Polizeistatistik an diesem Tag ein Drittel mehr Unfälle verzeichnet – was kaum daran liegt, dass die Männer mit dem Bollerwagen und die Frauen mit dem Auto unterwegs sind. Sondern weil ich es nicht ertrage, in Bremen am Weserdeich torkelnden Mannsbildern auszuweichen oder dem Bier, das sie halb verdaut schon wieder erbrochen haben. Nein, ich sehe es nicht gern, wenn wir Männer uns in der Öffentlichkeit als Urmenschen präsentieren und zeigen, dass wir den Prozess der Zivilisation auf Knopfdruck umkehren können.

Tupperware und Sexspielzeuge

Sicher, es gibt auch Frauen-Tage: Den von den Nazis zum Feiertag erhobenen Muttertag etwa, an dem die Mütter heute allerdings nicht allein unter sich feiern dürfen, sondern mit Gutscheinen der Familie abgespeist werden. Natürlich gibt es auch Frauenzusammenkünfte wie das Kaffeekränzchen, die Tupper- oder auch die Sexspielzeug-Party. Irgendwie scheinen diese Veranstaltungen aber angenehmer zu sein als die Männertage, auch wenn es mir schwerfällt, Sinn darin zu erkennen, über die Nachbarskinder zu klatschen, beim Piccolo-Sekt Plastiktöpfe zu kaufen oder sich kollektiv Dessous auszu­suchen. Dennoch: Es sei euch gegönnt!

Aber es ist schon merkwürdig, dass es dieses Männer- und Frauen-Ding noch gibt. Dass jedes Geschlecht nach Augenblicken sucht, in denen es sich vom anderen befreit. Ist am Ende doch etwas dran, dass Jungs mit Autos und Mädchen mit Puppen spielen? Sind Frauenkränzchen und Vatertag in Wirklichkeit Gelegenheiten, nichts darstellen zu müssen, zu sein, wie wir tatsächlich sind? Momente, in denen Frauen über Dinge reden können, über die sie mit ihren Männern ungern reden: den Sex, die Liebschaften und Brad Pitt? Und an denen Männer Dinge tun, auf die sie an der Seite ihrer Frau verzichten – rülpsen, furzen, den dicken Macker machen? Ist es wirklich so, dass wir einander nicht sein lassen, wie wir in Wahrheit sind? Oder zeigt ein Tag wie Himmelfahrt uns lediglich, dass die wahre Evolution darin liegt, dass das andere Geschlecht uns vor unserem archaischen Benehmen bewahrt? Dass wir uns selbst besser gefallen, wenn wir uns in der Frau spiegeln?

Vielleicht sollten Politiker statt über Herdprämie und Co. lieber darüber nachdenken – so wie einst Nixon – einen „Männer- und Frauentag“ einzurichten. Dann treffen wir uns erst zusammen bei einer Tupper-Party und ziehen mit dem Bollerwagen weiter über den Deich. Oder noch besser: Wir verbringen den Tag einfach gemeinsam im Bett!

Axel Brüggemann lebt als Autor in Bremen und geht dort, außer an Himmelfahrt, gern am Weserdeich spazieren

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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